Nun ist es schon einige Tage her, seit dem der 1. Juli mein kanadisches Jubilaeum bezeugte. Jedoch habe ich die Geschichte noch nicht zu Ende erzaehlt!
Wie es anscheinend auch als Randbemerkung in den deutschen Nachrichten verkuendet wurde, ist der 1. Juli auch Canada Day. Also der Tag, an dem das Kanada, wie es heute existiert, ins Leben gerufen wurde. 2017 jaehrt sich dieser kanadische Geburtstag zum 150ten Male! Ergo verantstaltete man Feierlichkeiten, bei denen Bella und ich gerne beiwohnten.
Begonnen wurde landesgerecht mit einen zuenftigen Pfannkuchenfruehstueck. Fuer zwei Pfannkuchen musste man reichlich Schlange stehen und dann noch $6 abdruecken, jedoch war es trotzdem nett. Ich stellte mir derweil vor, dass alle Leute freudig zusammenkommen, um mein Jubilaeum zu zelebrieren und biss beherzt in die Pfannkuchen.

Zwei Pfannkuechlein mit Sirup, eine hungrige Luisa und reichlich in den Landesfarben gekleidete Kanadier.
Dann gab es eine kurze Verdauungspause, in denen sich nette Unterhaltungen mit ein paar angereisten Touristen aus Ontario ergaben. Und schon war es Zeit fuer den Hoehepunkt der Feierlichkeiten: DIE PARADE!!!
Da Whitehorse trotz internationalem Flughafen mit Direktflug nach Frankfurt eher einer sehr laendlichen Kleinstadt in Deutschland gleicht, ging ich von einer ca. 200 Meter langen Parade aus. Weit gefehlt! Die Parade bestand aus jedem Verein, der faehig war, in einer Parade mitzugehen. Und davon gibt es anscheinend ziemlich viele! Gut 30 Minuten dauerte es, bis die Parade komplett an uns vorbeigezogen ist.
Positioniert haben wir uns an der Hauptstrasse (Main Street), an dem der oertliche Schwulen- Lesben- und Transgenderverein juengst am Chrostopher Street Day einen Fussgaengerueberweg in einen Regenbogenueberweg verwandelt haben. Und nun einige Impressionen der Parade:
Stadtwappen, sowie Flaggen von Kanada und Yukon werden ganz an der Sptze der Parade von Schottenrocktraegern prasentiert.
Voellig unerwartet schlossen sich nach den offiziellen Fahnen eine Gruppe Dudelsackspieler in Schottenroecken an.
Ein offizielles Fahrzeug der kanadischen Polizei scheint dieser alte VW Kaefer zu sein. Voll einsatzfaehig mit Sirenen und Blaulicht.
Nach der Polizei marschierten die Rangers auf. In roter Baseballcap und rotem Pulli, sowie Tarnfarbenhosen und schwarzen Stiefeln. Die Ranger sind der Armee unterstellt, arbeiten jedoch freiwillig und in ihrer Freizeit.
Die Vollzeitsoldaten in dunkler Uniform scheinen das Marschieren gewoehnt zu sein, alles sieht akkurat aus.
Nach den Dudelsackspielern in Schottenroecken (Warum, Yukon?) marschierten Polizei, Rangers und Berufssoldaten auf. Ein paar erklaerende Worte zu den Rangers moechte ich noch anfuegen.
Es handelt sich bei den Rangers nicht um Berufssoldaten, obwohl sie der Armee unterstellt sind. Die Rangers bestehen aus Feiwilligen, die in ihrer Freizeit ehrenamtlich auf Streifzuege gehen. Sie nennen sich auch die Augen und Ohren der Armee. Dadurch bedingt, dass der Norden Kanadas flaechenmaessig so gross und duenn besiedelt ist, kann eine Ueberwachung der Flaeche durch Berufssoldaten nicht sichergestellt werden. Um dennoch zu ueberpruefen, ob denn nicht der Russe oder wer auch immer vor der Tuer steht, gehen die Rangers vornehmlich im Winter auf Streifzuege durch unbesiedeltes Gebiet. Warum im Winter, mag sich der geneigte Leser fragen. Is doch ziemlich arg kalt. Stimmt. Allerdings kann man im Winter viel besser durch die Wildnis reisen. Im Sommer verwandelt sich die hiesige Wildnis in undurchdringlichen Busch, steile Berge oder Suempfe und Seen, waehrend man im Winter wenigstens auf den gefrorenen Suempfen und Seen mit einem Schneemobil vorankommt.
Vergleichen koennte man die Rangers vielleicht mit der Freiwilligen Feuerwehr in Deutschland. Da Deutschland so dicht besiedelt ist, kann der sofortige Einsatz bei Feuer und sonstigen Ungluecken nicht durch 100% Berufsfeuerwehr sichergestellt werden und wird dadurch zivil unterstuetzt. Und da Nordkanada so duenn besiedelt ist, unterstuetzen Zivilisten hier die Ueberwachung der unbewohnten Gebiete. Allerdings wuerden die Rangers nicht angreifen oder in den Krieg ziehen. Die Rangers melden ungewoehnliche Aktivitaeten an die Armee, die dann noch mal genauer nachsehen. Ein Dienstgewehr erhalten die Rangers dennoch von der Armee. Das ist aber eher dafuer gedacht, sich in Konfliktsituationen mit Wildtieren behaupten zu koennen.
Weiter gehts mit der Parade!
Mr. und Mrs. Yukon sind hier zum Glueck keine abgehungerten Strahlemaenner, sondern zwei Personen im besten Alter, die auch gut durch den Winter kommen werden.
Die oertliche Ballerina- und Prinzessinnenvereinigung wird von den Whitehorse Rittern in Ruestung begleitet.
Mit praechtigen Kostuemen strahlten miittelalterliche Burgfraeuleins und schmucke Ritter um die Wette.
So richtig Sinn gemacht hat an dieser Parade nichts. Auch der rollschuhlaufende, orangene Dinosaurier hat dabei nicht geholfen. Amuesant war es trotzdem.
Alle Kinder rasteten aus, als dieser Motorradfahrer mit Batman-Logo auf der Maschine vorbeifuhr. Das Kennzeichen lautete uebrigens GOTHAM.
Auch der Lions-Club und die Rotarier waren Mitglieder der Parade. Das Loewen-Maskottchen der Lions warb fuer „Hugs, not drugs“, also Umarmungen statt Drogen.
Die First Nations, also die Ureinwohner trommelten auf ihrem schoen bemalten Paradewagen.
Natuerlich durften auch die Can-Can-Taenzerinnen mit ihren kunterbunten Unterroecken nicht fehlen.
Waehrend der gesamten Parade machte sich der Eindruck breit, dass es „typisch Kanada“ so gar nicht gibt. Viele einzelne bunte und lustige Gruppen tun sich zu einem Gesamtkunstwerk zusammen.
Die chinesische Vereinigung von Whitehorse liess einen langen, goldenen Drachen an Stoecken tanzen.
Der zweite Teil der Chinesen wurde von trommelnden Taenzern gebildet.
Der japanische Verein hatte keinen Tanz einstudiert, bestach aber durch japanische Kleidung und Flaggen.
Am meisten Party machten mit ABstand die Philipinos. Laute Partymusik, bunte Ahornblatthuete und glitzernde Palmen wurden von einem Anhaenger gefolgt, in dem die aelteren und Kinder sassen und allen Passanten „Happy Canada Day“ wuenschten.
Sogar die Pferde des Dressur-Reitvereins wurden herausgeputzt. Dieses Pferd bekam weiss-rote Hufe und rote Ahornblaetter auf dem weissen Teil des Fells.
Ein winziges Pferd zieht eine kleine Kutsche, in der eine aeltere Dame grossen Spass zu haben scheint.
Aus dem Anhaenger der Bauernvereinigung schauen Ziege und Pony neugierig heraus.
Auch die Mangafigur Sailor Moon begleitete die Parade. Die Darstellerin wies zwar ca die dreifache Leibesfuelle des Originals auf, das stoerte jedoch niemanden.
Alle Pferde und Kutscher habe ich im Anschluss uebrigens noch im Drive In von Tim Hortons gesehen, was wiederum der typisch kanadische Kaffeeladen ist als Gegenpol zu Starbucks.
Schliesslich gab es noch etwas fuer Autoliebhaber:
Eins von drei riesigen Feuerwehr-Einsatzfahrzeugen fuhr an uns vorbei.
Ein schwarzer, sehr tief stehender Pickup-Truck.
Wenn mich nicht alles taeuscht, ist das hier ein roter Ford Mustang.
Und ein richtig altes Auto aus der Zeit, wo man sich beim Design doch noch eher an Kutschen orientierte.
So wie diesen schwarzen Schlitten stelle ich mir eine Mafiakarre vor!
Am besten waren die beiden winzigen Feuerwehrautos, die wahllos durch die Gegend fuhren und teils mit Clowns besetzt waren.
Ein weiterer VW Kaefer, komplett im rot-weissen Kanada Design.
Ein schoen grosser John Deere Traktor durfte auch nicht fehlen.
Kinder auf einem winzigen Spielzeugtruck warben fuer das jaehrliche Mud Bog Event, bei dem Autos im Schlamm herumfahren.
Die ist ein Mud Bog, ein Auto, was zum Spielen im Schlamm geeignet ist.
Einer der falschen Freunde in Englisch und Deutsch ist das Wort Oldtimer. Waehrend ich das ganz unbedarft fuer alte Autos benutze, meint man hier damit Personen, die noch in den „old times“, also alten Zeiten gelebt haben. Also ziemlich dolle alte Leute. Alte Autos werden hier „classic cars“ genannt.
Waehrend die Parade an mir vorbeizog, stellte ich mir vor, alle feiern mein einjaehriges Jubilaeum in Kanada. Ich glaube, ich hatte doppelt so viel Spass wie alle anderen. 🙂
Einen Tag nach dem Canada Day fing direkt ein neues Kapitel in meiner Geschichte hier an. Mein Studienfreund Richard landete in Whitehorse um mich zu besuchen. Das ist auch der Grund dafuer, dass ich bisher nicht zum Internetten gekommen bin und meine Mail-Freundschaften straeflich vernachlaessigte! Aber ich versuche, diesen Umstand nun schnellstmoeglich aufzuholen. Wenn ich nicht arbeite oder Sachen mit Richard unternehme, bin ich damit beschaeftigt, die 4,5 kg Kaese wegzufressen, die meine Eltern ueber Richard an mich sendeten. Da mein Kuehlschrank sich haeufig durch Nicht-Funktionieren auszeichnet, eine nicht zu unterschaetzende Aufgabe!
Aber nun ist Richard erstmal mit dem Mopped zu einem mehrtaegigen Trip aufgebrochen und ich kann mich ganz der Tipp- und Futterlust widmen. Hihi! 🙂