Ende September 2021.
Das oertliche College bietet Gartenhuetten zum Verkauf an. Die Huetten wurden als Lernobjekt von angehenden Zimmermannazubis errichtet und jetzt sollen sie an den Meistbietenden verkauft werden um die Materialkosten wieder reinzuholen.
Das Mindestgebot ist niedrig – wahrscheinlich beziehen sich die Materialkosten auf Preise vor 2020. Eventuell noch abschreckend ist die Tatsache, dass die Huette innerhalb von 72 Stunden nach Auktionsende vom Gelaende selbst abzutransportieren ist.
Tyrel und ich beschliessen, ein niedriges Gebot fuer jeweils eine Huette abzugeben – hoffentlich bekommen wir eine von beiden!


Wir bekamen beide.
Die Kreditkarten gluehten. Doch wir waren uns einig, dass es eine sinnvolle Investition ist, die wir da taetigen. Ein wenig Ausweichraum ist vielleicht gar nicht schlecht, wenn man seit gut zwei Jahren mit Hund zusammen auf ca. 12 Quadratmetern lebt. Und so haette jeder seinen eigenen Raum, der je nach Belieben gestaltet werden kann. Tyrel schwebte ein Werkzeugraum mit Werkbank vor. Mir eher eine Art Studio mit Holzofen.
Der Umzug gestaltete sich abenteuerlich. Wir liehen uns einen geeigneten Anhaenger samt Truck. Dann mussten die Huetten per Winde knirschend auf den Haenger gezerrt und festgezurrt werden.


Wieder Zuhause angekommen stellte sich die Frage, wie Huette Nummer 1 vom Haenger runtergezogen wird. Es war nichts in der Naehe, woran man eine Winde befestigen koennte.
„Komm, wir machen es wie die Rednecks!“, schlug ich vor. Und gesagt getan, unser Truck wurde als Zugpferd eingespannt und zog die Huette vom Anhaenger. Dabei mussten wir uns beeilen, da es zu regnen anfing und wir uns nicht festfahren wollten, daher gibt es keine Bilder von der Aktion.
Ausserdem gab es noch die zweite Huette zu transportieren und es wurde bereits Abend.
Schliesslich war es stockdunkel, als wir mit Huette Nummer 2 Zuhause ankamen. Dieses Mal funktionierte meine Idee mit dem Truck nicht, da nicht genuegend Platz vorhanden war.
„Wie bekommen wir diese Huette jetzt vom Haenger?“, fragte ich Tyrel.
„Ganz einfach: So, wie die alten Aegypter es damals gemacht haben!“, antwortete er ganz selbstverstaendlich.
Nun dachte ich eigentlich, dass ich in der Schule ganz gut aufgepasst hatte, wenn wir im Geschichtsunterricht mal wieder das alte Aegypten besprachen. Aber wie die alten Aegypter damals Gartenhuetten vom Anhaenger runterbekommen haben, das wollte mir einfach nicht einfallen.
Waehrend ich meinen Kopf kratzte, zersaegte Tyrel einen Besenstiel in mehrere Rundhoelzer. Dann zauberte er eine riesige Brechstange hervor und hob die Huette damit an waehrend ich die Rundhoelzer vorsichtig unter die Huette plazierte. Tyrel sorgte mit der Brechstange fuer Anschub, bis der bewegliche Teil des Anhaengers kippte und die Huette die schiefe Ebene runterrollte. Die Huette stand nun mit einer Kante auf dem Feld und mit dem Rest noch auf dem gekippten Haenger.
Da wechselten wir unsere Strategie von „Aegypter“ zu „Magier“ und zogen den Anhaenger geschwind unter der Huette weg.
Umzug vollendet.
Tyrels Huettenausbau war einfach: Werkbank rein, Werkzeuge rein, Schloss vor, fertig.
Ich begann damit, Isolierung in die Waende zu stecken.

Doch dann waren es ploetzlich -25 Grad und in unbeheizten Raeumen zu arbeiten machte wenig Spass.
Dann versank alles im tiefen Schnee.
Dann verbrachte ich jede freie Minute damit, fuer den Ultramarathon zu trainieren.
Dann war klar, dass ich den Ultramarathon nicht laufen koennen werde und ich versuchte den Sommer so gut wie moeglich zu geniessen.
Und dann… Dann war es Anfang August und ich schrieb mit meinen lieben Freunden Anke und Jens, die mich aus Deutschland besuchen kommen in weniger als einem Monat. Zweimal werden sie bei uns uebernachten.
Hmm…
Fuer sie waere es auch okay, im Zelt zu schlafen. Aber ich weiss: Wenn ich die Huette nicht vor ihrer Ankunft winterfertig kriege, dann steht sie einen weiteren Winter ungenutzt herum und ich aergere mich sieben Monate lang darueber, dass ich sie nicht rechtzeitig ausgebaut habe.
Also, vier Wochen lang Arschbacken zusammenkneifen und zimmern bis der Arzt kommt und sehr gestresst sein? Oder vier Wochen lang den kurzen Sommer geniessen und dann im Winter die Entscheidung bereuen?
Der geneigte Leser wird ahnen, dass ich mich fuer die stressige Variante entschieden habe. Wenn ich zwischen Stress/Erschoepfung und Reue waehlen muss, dann waehle ich Stress/Erschoepfung. „Was waere, wenn…“ oder „Haette ich doch mal…“, damit kann ich schlecht umgehen. Dann lieber mit nem Flachkoepper in das naechste Wahnsinnsprojekt.
Wobei diese Dinge immer in folgenden Phasen in meinem Kopf ablaufen:
- Soo schwer kann das doch gar nicht sein. Ich muss doch keinen Raketenantrieb konstruieren. Dem Inschenoer ist nichts zu schwoer.
- Ich eigne mir die Theorie an und fuchse mich ins Thema ein. Dabei habe ich einige Aha-Momente und alles klingt gut, logisch und machbar.
- In der Praxis ist letztendlich doch alles ganz anders und einige Dinge gehen auch gruendlich schief. Hier verzweifele ich gern und moechte eigentlich alles hinschmeissen.
- Ich bin komplett gestresst aber bin zu stur um tatsaechlich aufzugeben. Damit muesste ich mir naemlich eingestehen, dass Phase 1 nicht der Wahrheit entspricht.
- Irgendwie kriege ich es tatsaechlich hin und verdraenge Phasen 3 und 4 nach einigen Wochen. Was in Erinnerung bleibt, sind Phasen 1, 2 und 5. Was mich in der Zukunft wieder dazu verleitet, Phase 1 einzulaeuten.
Gerade bin ich in Phase 4. Mein Koerper droht mir schon mit einer bevorstehenden Erkaeltung, falls ich mein Pensum nicht zurueckschraube. Aber ich versuche zu vertroesten: Bitte, bitte, halte noch ein paar Tage durch. Ich trinke auch ganz viel Tee!
Was in den letzten drei Wochen geschah, folgt in einer Bilderschau.















Jetzt sind noch ganze zwei Tage uebrig, bis meine Freunde ankommen und in der Huette naechtigen. Meine Prognose ist, dass die Huette bis dahin schlafbar ist, das Grundstueck und unser Haus aber aussehen, als wenn ne Bombe eingeschlagen hat. Naja, man muss eben Priotitaeten setzen.

Wenn ich den Beitrag so schreibe, merke ich erst, dass ich doch ne ganze Menge geschafft habe. Gar nicht schlecht, dafuer dass ich alles ganz alleine geplant und ausgefuehrt habe. So neben Arbeit, Sport, Japanischkurs und sonst allem. Es war aber ne schwere Geburt – vor allem die Schornsteininstallation so als Hoehenaengstler. Ausserdem wurde ein wichtiges Teil, das ich online bestellt habe, in falscher Groesse geliefert. Da musste ich mir was anderes einfallen lassen und habe in der Stadt Sonderteile anfertigen lassen, damit es doch weitergehen kann. Meist gibt es ja doch ne Loesung, wenn man fleissig sucht.
Vorgestern ging es mit Hahn Daisy steil bergab. Sein gesundes Bein schien eine Infektion bekommen zu haben, sodass er nur noch mit grosser Muehe aufstehen konnte. Ich habe ihm einen weiteren Tag Gnadenfrist gegeben, aber quaelen soll er sich ja nicht. Gestern war es unveraendert. Da hiess es Abschied nehmen.
Danke Daisy, fuer die schoene Zeit! Du warst ein toller Hahn zu deinen Hennen und nie gemein zu Menschen. Es tut mir Leid, dass ich es nicht geschafft habe, dich gesund zu pflegen. Ich werde dich immer als stolzen, schwarzen Gockel in Erinnerung behalten!

Da wir mit dem Huehnerblut nicht unnoetig Kojoten und Nachbarshunde zum Huehnerstall locken wollten, hat Daisy eine erste und letzte Quadfahrt in die Wildnis gemacht. Dort fand er ein schnelles Ende im Stil der franzoesischen Revolution.
Der ein oder andere mag sich jetzt fragen, warum ich einen Blogbeitrag schreibe statt den Bodenbelag in der Huette zuende zu verlegen. Hierfuer gibt es mehrere Gruende:
- Seit meinem letzten Beitrag ist schon wieder viel Zeit vergangen,
- In dieser Zeit habe ich es wieder kaum bis gar nicht geschafft, Emails zu beantworten,
- Somit wollte ich ein Lebenszeichen senden und bestaetigen, dass es mir gut geht (wenn auch leicht gestresst),
- Ausserdem werde ich in den naechsten Wochen wieder nicht dazu kommen einen Beitrag zu schreiben,
- Weil in den Wochen wieder viel geplant ist,
- Sodass ich vom Huettenausbau vielleicht gar nicht berichten wuerde
- Und dann waeren die Erinnerungen floeten gegangen, obwohl sie doch vielleicht interessant sind (jedenfalls fuer mich).
Was mir in diesen Tagen besonders viel Freude bereitet, sind die Mohnblumen, die ich in einem meiner Beete ausgesaeht habe. Eigentlich war ich kein grosser Mohnfan. Er ist halt rot und welkt schnell. Aber diesen Sommer hat er mich in seinen Bann gezogen. Seht selbst!





Trotz allem Stress, dem man sich so macht, lohnt es sich immer, kurz anzuhalten und zu staunen. 🙂