Ethik

Ausrichtung

Den Sommer habe ich dafuer genutzt, zu ueberlegen. Was mich aus der Bahn geworfen hat. Ja, vielleicht Corona. Aber genau was an Corona? Und was kann ich machen um mich in dem Leben, das ich gestalten kann, wieder in Balance zu bringen?

Ich glaube es war mein Thema mit der Freiheit. Ich liebe das Gefuehl von Freiheit, von Moeglichkeiten und Selbstbestimmtheit. Das ist uns in den letzten Monaten allen ein wenig abhanden gekommen. Auch wenn es vorher vielleicht nur eine Illusion war, denn wie viele der scheinbar unbegrenzten Moeglichkeiten hat man denn tatsaechlich ausgekostet? Und vieles ist doch noch machbar, wenn auch vielleicht anders als gewohnt.

Also was kann ich tun um mich wieder frei zu fuehlen?

Fuer mich lautet der Weg: Eigenverantwortung uebernehmen und so viel wie moeglich selbst machen. Auch wenn ich es gut finde, dass Tyrel und ich uns gut ergaenzen in der Partnerschaft, verleitete es mich dazu, manche Dinge nicht mehr selbst zu machen. Weil er schneller/geschickter/besser ist in einigen Dingen. Doch das fuehrte unbemerkt zu einer gewissen Abhaengigkeit, da ich ihn ja oefter darum bitten musste, gewisse Dinge zu tun. Dass er fuer zwei Monate auch am Wochenende gearbeitet hat, hat die Situation natuerlich nicht entspannt. Also Aermel hochkrempeln und selbst ist die Frau.

Einige kleinere Bauprojekte wurden von mir geplant und durchgefuehrt, ganz alleine. Normalerweise halte ich wenigstens Ruecksprache mit Tyrel, weil er mehr Erfahrung in den Dingen hat. Aber alles hat auch so geklappt.

Mit Freunden habe ich eine Zeltgarage aufgebaut, in der ich meine Sachen lagere, sowie alles was zu Huehnern und Landwirtschaft gehoert. Ausserdem habe ich dort eine kleine Werkbank, mit der ich wetterunabhaengig werkeln kann.

Fuer vier Tage habe ich eine viertaegige Kanutour mit Freunden gemacht und ganz ohne Tyrel geplant, gepackt, gepaddelt und gelagert. Er musste arbeiten und hat sich um die Huehner gekuemmert.

Und was mir mit Abstand am schwersten fiel:

Ich habe Hahn Jumanji gekoepft und zu Suppe verarbeitet.

Fuenf Haehne hatte ich insgesamt. Einen habe ich behalten, drei habe ich zu neuen Huehnerharems vermitteln koennen. Doch Jumanji… er hat Klumpfuesse bekommen, was immer ausgepraegter wurde je schwerer er wurde. Am Ende konnte er weder scharren noch in den Stall huepfen ohne regelmaessig umzufallen. Auf eine Sitzstange fuer die Nacht fliegen klappte auch nicht. Ich wusste nicht, ob ihm die Fussfehlstellung Schmerzen bereitet hat. Aber in der letzten Woche seines Lebens wurde er richtig fies zu seinen Mithuehnern und auch zu mir und griff gerne an, wenn man in seine Naehe kam. Ich koennte jetzt einen Vergleich ziehen zu einem Propagandaminister mit Klumpfuss, aber lasse es lieber.

Ihn zu schlachten, was in der Theorie logisch klang, war nicht mehr so einfach als er vor mir lag und mich ansah, waehrend ich das Beil ansetzte. Doch eine Alternative sah ich nicht.

Jemand anders fragen, die Handlung fuer mich zu erledigen?

Nicht selbstverantwortlich.

Ihn leben lassen?

Nicht verantwortungsvoll ihm gegenueber (wobei ich mir bewusst bin, dass es dazu andere Meinungen gibt).

Ihn beerdigen?

Nicht fair gegenueber all den anonymen Lebewesen, die ich bisher in meinem Leben gegessen habe. Die waren genauso am Leben wie Jumanji, nur dass sie keinen Namen hatten, nicht mit ihnen gekuschelt wurde, sie weder gekannt noch geliebt wurden.

Waere es besser, wenn er nach dem Schluepfen direkt geschreddert worden waere, wie es zu Millionen geschieht?

Waere es besser, sich mit Fleischkomsum nicht naeher zu befassen und einfach im Supermarkt zu kaufen, was sauber abgepackt im grell beleuchteten Regal steht?

Waere es besser, vegan zu leben?

Viele Fragen auf die nur jeder selbst eine Antwort finden kann.

Fuer mich ist es okay Tiere zu essen, wenn ich mich aktiv damit auseinandersetze und daran teilhabe. Daher jage ich, arbeite ich in der Fleischerei und esse meine Huehner, wenn ich keine andere Moeglichkeit sehe, sie ein glueckliches Leben fuehren zu lassen.

Trotzdem:

Tut mir leid, Jumanji.

Danke Jumanji.

Ich hab dich gern Jumanji!

Nun ist Hahn Daisy der Chef in der Gruppe. Seine Zehen sind zwar auch nicht perfekt gerade, aber das ist nur ein Schoenheitsfehler – er kann scharren, springen und laufen ohne Probleme.

Aber die letzten Wochen waren nicht nur schwer und wegweisend. Sie waren auch voller schoener Momente, Lachen und Bewunderung fuer die Natur.

Zum Beispiel habe ich endlich das perfekte Dankeschoen Geschenk fuer meine Freunde gefunden, die die Kueken in den ersten Wochen grossgezogen haben: Kissen, die mit einem Bild ihres Lieblingshuhns bedruckt wurden.

Ich freue mich ueber die zwei Kissen mit Huhn Icicle. Der rechte Hintergrund ist das Weltall, und der linke Hintergrund eine Strasse in Tokyo.

Natuerlich gab es auch viele schoene Momente mit den Huehnern.

Alles in allem ein schoener, wenn auch verregneter Sommer. Morgen hole ich die letzte Gemuesekiste der Saison ab. Und dann geht es in grossen Schritten auf den Winter zu.

Danke an die treuen Seelen, die trotz der Inaktivitaet hier trotzdem regelmaessig reinschauen. Das motiviert mich immer wieder, mich trotz Unlust doch zum Schreiben aufzuraffen!

Das Gleiche gilt natuerlich fuer die Wachruettelversuche per Email. ^^

Habt ihr die Krise auch als Anlass genommen, mehr selbst taetig zu werden und was zu machen, was ihr sonst nicht getan haettet? Und hilft euch das so wie mir? Wuerde mich ja interessieren. 🙂

Jagderfolg und Kochinspirationen

Es ist soweit, ich habe den waidmännischen Initiationsritus bestanden (tätärätäää).
Grouse: 0
Ich: 1

Nach allen Regeln der legalen Kunst habe ich mein erstes Wild erlegt. Die legalen Umstände waren:
– Waffe Kaliber .22
– mindestens einen Kilometer von umliegenden Grundstücken entfernt
– auf erlaubtem Jagdgebiet
– innerhalb der Saison
– eine Armlänge von meinem Mann entfernt (der einen Waffenschein hat)
– zwischen einer Stunde vor Sonnenaufgang und einer Stunde nach Sonnenuntergang (sollte hell sein)

Das Grouse saß im Baum und fühlte sich mehr als ausreichend getarnt. Ich schlich mich an. Verfehlte den ersten Schuss. Grouse ging einen Schritt zur Seite auf dem Ast und dachte auch nichts weiter dabei. Der zweite Schuss saß, ein kurzes Geflatter am Boden und das wars. Kein Drama.

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Das warme Hühnchen lag auf dem Boden. Es tat mir wieder leid aber ich habe mich nicht schlecht gefühlt. Ich war sehr dankbar. Ich habe es ausgenommen und gesäubert und werde etwas ganz Leckeres daraus zubereiten. Hat jemand eine Rezeptidee? 😃

Ein bisschen verblüfft bin ich immer noch, wie einfach es ist, ein Leben zu nehmen. Wo ist der Unterschied zwischen Mensch und Tier? Ist es zeitgemäß, Tiere zu essen oder brauchen wir das gar nicht mehr?
Ich respektiere und verstehe die Einstellungen von Vegetariern und Veganern. Aber wenn ich mir die Tierwelt so ansehe, gehört das Fressen und Gefressen werden zum Ökosystem unbedingt dazu. Ja, Massentierhaltung und Hormone, Steroide und Antibiotika im Futter haben wenig mit dem Ökosystem zu tun. Da scheint etwas aus dem Gleichgewicht geraten zu sein. Aber wenn ich in einem Land lebe, in dem ich nicht zwangsläufig an der Spitze der Nahrungskette stehe und mir ein Grouse schieße um es zu verspeisen, dann fühle ich mich wieder mehr als Teil des Ganzen.

Aber genug Pathos und Geschmacksknospen auf!
Was macht man, wenn der Ehemann freudig strahlend vom Einkaufen nach Hause kommt, weil er was Schönes mitgebracht hat? Genau, sich freuen. Auch wenn es sich, wie in diesem Fall, um eine Kiste unreifer Mangos und einem Sack voller vergammelter Riesenbananen handelt. Fehlen nur noch zwei Kartons zerbrochene Eier um den Einkauf perfekt zu machen.
Aber weit gefehlt, ich hatte zwei Sachen zu lernen: die Mangos reifen astrein nach und die vergammelten Bananen sind keine echten Bananen sondern Kochbananen. Bei denen gehört die gammige Pelle wohl fast mit dazu und macht nichts.

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Nach ein paar Tagen stellte ich mir dann aber doch die Frage, was ich mit dem Sack respektive der Kiste machen soll. Wenn ich koche, stelle ich mir nämlich erst die Frage „Was muss weg?“. Und sowohl die Mangos als auch die Kochbananen wurden vom draufgucken nicht weniger.
Da passte es sich gut, dass ich beim Stöbern auf dem Blog von ReiseSpeisen Appetit auf Bananenbrot bekam (ordinäre Bananen, keine Kochbananen!). Das Rezept findet ihr unter https://reisespeisen.wordpress.com/2016/01/29/bananenbrot/ . Statt Walnüssen habe ich Rosinen und Mandelstifte hinzugefügt, die hatte ich noch über vom Hefezopf. Und eine Mango. Das Ergebnis war überraschend lecker und nicht zu bananig und wurde am nächsten Tag auf einer Wanderung von Tyrel, seiner Arbeitskollegin Bella und mir restlos verputzt.

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Bleiben noch die Gammel.. ääh Kochbananen. Was machen damit? Kochen? Tyrel riet mir zum Braten und ging zur Arbeit. Aha.
Die geschälte Banane sah wirklich nett und ungammlig aus. Also wurde sie in Butter gebraten bis sie ein bisschen gesunde Brat-Bräune bekam und dann zusammen mit Reese-Spread verspeist. Reese sind normalerweise die Erdnussbutter-Schokolade-Pralinen. Aber da ein mittleres Glas Nutella hier gute 10$ kostet, kam mir die (Erd- statt Hasel-) Nuss-Nugat-Creme gerade recht. Es sind sogar winzig kleine Crunch-Partikel drin, hmmmm….
Aber zurück zur gebratenen Kochbanane. Sie war wirklich, wirklich lecker. Fruchtig irgendwie und nicht zu matschig-bananig wie befürchtet.
Also Tyrel, danke für deinen tollen Einkauf! Wieder ne Menge gelernt. 😊🍌🍫

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Ansonsten suche ich immer noch den Herbst. Eben war noch Sommer und der Herbst kündigte sich nur in Farben an und jetzt klopft der Winter schon an der Tür. Die Bergspitzen sind schneebedeckt, die Kraniche und Gänse reisen aus und der Rest hüllt sich in Wolken und/oder Regen.


Und ich sitze bei A&W und trinke ein Root Beer mit Vanilleeis, ein so genanntes Root Beer Float. 😋

Jagdgedanken

Ahornsirup auf mein Haupt!
In meinem vorigen Beitrag habe ich doch glatt behauptet, dass hier alles voller Pappeln ist. Lurchi hat zurecht darauf hingewiesen, dass in den Rocky Mountains doch Aspen Trees wachsen, die im Herbst (Mitte August) gelb werden. Korrekt. Es handelt sich um Aspen Trees, zu deutsch Espe oder auch Aspe. Schockschwere Not! Für mich waren das astreine Pappeln mit pappeligen Blättern und einem noch pappeligerem Stamm.
Weitere Investigationen ergaben zum Glück, dass die Espe auch Amerikanische Zitterpappel genannt wird. So war mein Selbstbild fast wieder hergestellt und ich kann meinem liebsten hamburger Dendrologenpärchen doch noch unter die Augen treten. 🙂

Anke zu Ehren ein paar frühherbstliche Ansichten (gelb = Herbst) inklusive Regenbogen. 🍃🍁🌈

Viele Wanderungen treiben mir regelmäßig den Schweiß aus jeder Pore. Doch am Ende wie auch mittendrin entschädigt die Aussicht für alle Mühen. Und ganz irgendwann wird bestimmt auch meine Kondition nachkommen… Wenn sie mich endlich eingeholt hat. So lange sichte ich halt Bärenspuren.

Inzwischen habe ich meinen Jagdkurs bestanden und einen Jagdschein für small game, also Kleinwild, erhalten. Großwild darf ich erst jagen, wenn ich für mindestens ein Jahr hier wohne. Kleinwild schließt Kaninchen, Erdhörnchen, Stachelschwein ein und große Vögel, die das ganze Jahr über hier leben. Das sind die verschiedenen Arten von Grouse und Ptarmigan (Das P ist stumm). Google klärt mich auf, dass Ptarmigan dem Alpenschneehuhn und Grouse der Familie der Raufußhühner entspricht. Ich finde, es sind einfach Moorhühner.

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Sprüche Grouse getarnt. Zugegeben, sie geben sich nicht besonders viel Mühe.

Bestimmt denken sich jetzt einige „Jagen ist voll doof, warum soll man die armen Tiere töten?“ Meine Frage dazu: „Isst du Fleisch?“
Falls nein: Ok, ich verstehe deinen Standpunkt und wir haben verschiedene Meinungen.
Falls ja: Wenn man Fleisch ist, nimmt man in Kauf, dass Tiere dafür getötet werden. Wenn ich in den Discounter gehe und mir 500 Gramm Putenbrust kauft, handle ich Meinung nach ethisch nicht korrekter als ein Jäger. Die Pute wurde unter fragwürdigen Bedingungen in kürzester Zeit hochgezogen, um dann auf jeden Fall getötet zu werden. Ich weiß nicht, welches Futter und welche Medikamente die Pute bekommen hat und wieviel Bewegung. Und wahrscheinlich will ich es auch gar nicht wissen.
Wenn ich in den Wald gehe und mir ein Grouse schieße, dann habe ich es getötet. Und ich finde, das bringt die Realität des Fleischkonsums, die so anonymisiert wurde, näher. Wer Fleisch ist, der tötet dafür Tiere. Direkt oder indirekt. Um das Grouse tut es mir trotzdem leid, es hat Pech gehabt. Aber es hat ein schönes Leben in Freiheit gehabt und durch sein Opfer habe ich etwas zu essen. Also bin ich dankbar und werde nichts Essbares von ihm verschwenden.
Die Pute aus dem Discounter hingegen tut mir nicht leid. Ich habe das Fleisch schließlich gekauft (und es war schon tot!), also kann ich damit machen, was ich will. Und wenn ich doch nur 300 Gramm brauche, wandert der Rest halt in den Müll.

Wahrscheinlich habe ich zu viel Zeit um mir Gedanken zu machen und ethische Diskussionen mit mir selbst zu führen. Aber es fühlt sich gut an. Und wenn ich etwas für mich als wahr entdeckt habe, möchte ich mich auch danach richten. Trotzdem kaufe ich noch Fleisch im Supermarkt. Aber ich muss sagen, mein Umgang damit und meine Einstellung dazu haben sich geändert.

Da ich noch auf meinem Waffenschein warte, kann ich bis jetzt nur eine Waffe tragen oder handhaben, wenn Tyrel in unmittelbarer Nähe ist. Ich habe einige Schießübungen mit einer .22 Rifle gemacht und eine Dose Jalapeños erlegt. So macht Jagen auch endlich für Vegetarier Sinn! 🙂
Die Zahl .22 gibt das Kaliber an, also den Durchmesser des Schießrohrs. .22 bedeutet 0,22 inch, was 5,6 Millimeter entspricht. Das heißt die Kugel als auch der Lauf (Schießrohr) haben einen Durchmesser von 0,22 inch. Nicht sehr groß aber für Kleinwild genau richtig. Ich mag diese Waffe von James. Vielleicht leier ich sie ihm aus den Rippen, wenn ich meinen Jagdschein habe. So lange begnüge ich mich damit, meinem Mann beim Quad fahren ab und an die Büchse zu halten. Nicht zum Jagen, aber man sagt so ein .308 Kaliber sei effektiver als das Otto-Normal-Bärenspray im Falle eines Falles. Juhu, ein Redneck-Bild! 🙂

Übrigens wird der Spinat hier noch höchstpersönlich von Popeye beworben. So gehört sich das!

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