Elch

Sonnenwende

Ich mach mich auf

Und lauf durch tiefen Schnee

Um mich herum nur Weiss und Grau

Die Sonne werd ich nicht sehn.

Schnee, fallend.
Kiefern, stehend.
Weg, behangen.
Weg, ueber Berggrat.
Pappel, beschneit.
Fluss, gefroren.

Ein wunderschoener Tag gestern, an dem die Welt wie durch einen schwarz-weiss Filter auf mich wirkt.

Doch der Winter hat auch andere Farben.

Zwei Nebensonnen in Terracotta.
Drei Nebensonnen in Gold.
Elchkuh in Braun.
Schnee in Gelbgrau.
Ich in Frostig.

Eine warme und waermende Weihnachtszeit euch allen!

Frostig-frohe Gruesse aus dem Yukon,

Luisa

Flusstrip 2018: Tag 5

Auf der Plane, auf der wir schlafen, wird heute Nacht ein besonders lauter Stepptanz von der oertlichen Maeusekolonie aufgefuehrt. Ich hampele herum, damit die Maeuse verjagt werden. Sich bewegende Menschen finden sie naemlich irgendwie gruselig. Doch jetzt bin ich auch wach. Als erste. Es daemmert leicht, also ist es gegen 7 Uhr. Ich stehe auf und entzuende ein Feuer. Das gelingt mir mittlerweile wirklich gut!

Leichter Schneeregen kommt nieder, als ich meine Blase entleere. Es wird irgendwas unter Null Grad sein, aber nicht sehr weit unter Null. Beim Fruehstuecken hoert der Niederschlag auf. Weiter geht es auf den Fluss.

Tyrel sieht mit seinen Adleraugen, wie ein Weisskoepfiger Adleraugenbesitzer einen Fisch erbeutet. Ich erkenne, wie das Wappentier seine Beute schwer fliegend in eine Waldschneise hineinwuchtet. Im Moment, in dem wir in die Schneise sehen koennen, mache ich schnell ein Foto. Es ist ein wenig unscharf, aber man kann erkennen, dass der Vogel ein gutes Fruehstueck erbeutet hat.

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Auf einem abgebrochenen, toten Baum haelt der Weisskopfseeadler seine Beute mit den Greiffuessen und schlingt einen Schnabel voll herunter.

Immer wieder deutet Joe auf geheime Camps an den Flussufern, die nicht auf der Flusskarte verzeichnet sind. Er kennt diesen Fluss wie seine Westentasche; c.a. 20 Sommer lang hat er hier Kanutouristen gefuehrt. Im Herbst hat er dann gejagt, das dann allerdings schon seit 30 Jahren. Alles, was er erzaehlt und fuer zukuenftige Exkursionen nuetzlich sein koennte, notiere ich mit Bleistift auf der Flusskarte. Danach stecke ich meine kalten Finger schnell wieder in die Handschuhe und bewege sie fuer einige Zeit, um warmes Blut in sie hineinzupumpen.

Bei einer Flusswindung greift Tyrel nach dem Fernrohr.

„Kuh.“

Gemeint ist wohl der kleine Schatten im Wasser, anscheinend handelt es sich um eine Elchkuh.

Joe schaltet den Motor aus, die Stroemung erfasst uns, traegt uns weiter und dreht uns dabei langsam im Kreis. Wir drei ergreifen unsere Gewehre. Hat diese Elchkuh einen Verehrer im Gebuesch stehen? Nur Elchbullen duerfen gejagt werden, da das Fehlen einiger maennlicher Elche kaum Auswirkungen auf die Gesamtelchpopulation hat. Das Fehlen einer Elchkuh jedoch ist ein Einschnitt durch die ausbleibenden Nachkommen.

Joe imitiert den Ruf einer willigen Elchin. Doch nichts ruehrt sich. Die Elchbrunft scheint dieses Jahr schon vorbei zu sein. Die Elchbullen hatten entweder schon ausreichend Freundinnen oder haben mittlerweile andere Dinge im Kopf. Die Temperatur spielt eine grosse Rolle bei der Brunft. Dieser Herbst ist aussergewoehnlich kalt, vielleicht vergeht manchem Elch da die Lust.

Nach ein paar Minuten lege ich mein gesichertes Gewehr beiseite und greife zur Kamera, damit ich wenigstens ein paar Fotos mit nach Hause bringen kann.

Auch dieses Jahr kommen wir wieder an den Ueberresten des Unterbaus von dem Schaufelraddampfer SS Klondike vorbei. SS steht hierbei fuer Single Screw Steamship, was bedeutet, dass es sich um ein Dampfschiff mit nur einem Schaufelrad handelt. Das Wasser hat dieses Jahr einen besonders niedrigen Stand, laut Joe den niedrigsten seit 30 Jahren. Daher ist besonders viel des Schiffes freigelegt und wir gehen auf eine Erkundungstour.

Spaeter kommen wir an einer weiteren historischen Stelle vorbei. Eine alte Goldmine. Joe ist ganz begeistert, so viel von der Baggerkonstruktion hat er noch nie gesehen.

Wieder auf dem Fluss bewundern wir noch ein paar Adler. Wir ueberholen zwei andere Jagdgruppen, die allerdings bislang scheinbar auch keinen Erfolg hatten.

Ein wenig spaeter bauen wir wieder unser Lager auf. Eine kleine Angelrute haben wir mittgebracht, die ich erfolglos auswerfe. Ist es nicht verrueckt, dass ich noch nie einen Fisch gefangen habe?

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Tyrel steht im Camp vor dem Feuer und Bergen von gesaegtem Feuerholz.

Eines Tages wird es schon so weit sein. Da wird der erste Fisch am Haken zappeln und auch der erste Elch in der Gerfriertruhe landen. Und bis dahin geniesse ich die Reise dahin.

Eine Woche Yukon

Eine Woche Yukon nur? Das lohnt doch nicht… denkste! Meine Freundin Dinah hat den Selbstversuch gewagt und ihn nicht bereut.

Eine Woche nach dem Baerenbesuch stand sie auf der Matte. Zwar unterbreitete sie das Angebot, uns bei der Baerenkotbeseitigung im Flur zu helfen, doch die meisten Spuren konnten wir schon beseitigen. Nur die Dusche war noch nicht funktionstuechtig, aber wofuer gibt es eigentlich die heissen Quellen? 🙂

Viele Seen, Berge und Fluesse haben wir in den ersten Tagen besichtigt. Schwierig ist es nur, das Fotomotiv zu waehlen, denn irgendwie sind hier die meisten Ausblicke Postkarten-geeignet.

Die schoenste Farbe hat meiner Meinung nach immernoch der Yukon River. Je nach Lichteinfall scheint er mehr gruenlich oder blaeulich zu schimmern.

Bei der ganzen Knipserei bin auch ich mal spontan fotografiert worden. Das passiert sonst eher selten.

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Ich stehe immer parat… am Fotoapperat!

Auf dem Weg nach Carcross haben wir dann beschlossen, Dinah auch mal arbeiten zu lassen in einem kanadischen Traditionsberuf.

Erst fanden wir uns in der kleinsten Wueste der Welt wieder und dann im Streichelzoo. Ziemlich abwechslungsreich die Ecke um Carcross!

Mein persoenliches Highlight war unser Ausflug nach Haines, was in Alaska liegt. Yukon liegt ja an der Grenze zu Alaska und Alaska scheint Kanada ne ganze Menge Kueste geklaut zu haben. Das Meer ist nur ein paar Stunden Fahrt von Whitehorse entfernt, doch da der Kuestenstreifen zu Alaska gehoert, muss man dafuer das Land verlassen und in die USA einreisen. Fuer kanadische Staatsbuerger ist das kein grosses Problem. Deutsche brauchen jedoch ein spezielles Visum fuer die USA und muessen bezahlen, dazu noch Formulare ausfuellen und und und.

Zum Glueck stiessen wir auf zwei knuffige US-Grenzbeamten auf dem Weg nach Haines. Diese gute Erfahrung hat mindestens zwei meiner drei bisher schlechten Erlebnisse mit US-Beamten wieder wettgemacht.

Haines ist ein niedliches, kleines Fischeroertchen mit Hafen direkt an einer Bucht. Da mein Auto nicht abschliessbar ist und wir vorhatten im Wagen zu naechtigen und uns nicht tagsueber um unsere Sachen sorgen wollten, haben wir uns auf einen Wohnmobilplatz direkt am Wasser gestellt.

Wir hatten Glueck und kein Kreuzfahrschiff legte an, als wir da waren. Dann ist das kleine Fischerdoerfchen ueberlaufen mit Horden von Gaesten.

Eine Attraktion in Haines ist das Eagle Preserve, in dem Wildvoegel gehalten werden, die wegen dauerhafter Einschraenkung nach Verletzungen nicht wieder ausgewildert werden koennen. Wir haben es puenktlich zur Adlerfuetterung geschafft.

Doch auch in der Natur koennen in Haines zahlreiche Adler bewundert werden.

Sogar einen jungen Grizzlybaeren konnten wir in Haines erblicken. Einen Tag vorher hatte jedoch schon ein Schwarzbaer direkt hinter unserem Auto die Strasse ueberquert. Davon existieren allerdings keine Bilder, wir haben den Augenblick einfach genossen.

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Neugieriger Baer im Strassengraben.

Am Tag unserer Rueckfahrt wollten wir noch die mueden Beinchen strecken bevor wieder fuenf Stunden Autofahrt angesagt ist. Kurzerhand stiefelten wir einen Weg entlang, der vielversprechend aussah. Keine Ahnung wie viele Kilometer die Strecke lang ist, wenn das Schild Meilen anzeigt. irgenwann wird man schon ankommen.

Irgendwann ging es dann bergauf. Und bergauf. Und weiter bergauf. Jedes Mal, wenn man einen Huegel erklimmt, wird deutlich, dass sich dahinter noch weitere Huegel verbergen. Berge motivieren mich sehr, umdrehen kommt nicht in Frage! Dann wuerde ich mich die naechsten Tage nur wundern, welche tolle Aussicht ich jetzt verpasst habe.

Trotz der Tatsache, dass es sich um Dinahs erste richtige Wanderung handelte, machte sie gut mit. Ich wandere zwar viel und gerne, bin aber zweimal hingefallen und einmal umgeknickt. Koerperklaus laesst gruessen. Aber macht nichts, ich stehe einfach wieder auf und hab trotzdem Spass.

Endlich ging es dann auch nicht mehr hoeher und wir wurden mit einer tollen Aussicht auf Haines und die umgebenden Berge belohnt. Leider war schon eine gefuehrte Gruppe auf dem Gipfel aber so konnte wenigstens jemand ein Bild von uns schiessen.

Wieder in Kanada haben wir Halt gemacht bei den Million Dollar Falls. Wir erspaehten zwar keine Muenzen, dafuer glitzerndes Wasser neben einem gepflegten Campingplatz.

Leider stand Fuchs Louie ja nicht mehr auf der Besuchsliste. Er ist seit ueber einem halben Jahr nicht aufgetaucht. Ein Abend bei James zeigte aber, dass bereits Louie junior seinen Job uebernommen hat und gerne fuer ein Fotoshooting zur Verfuegung steht.

Im Vorbeifahren sahen wir dann noch eine Moeglichkeit der Moewenbekaempfung.

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Ein Adler hat eine Moewe erlegt und wird sich gleich ans Essen machen.

Schliesslich stand nur noch auf Dinahs Liste, dass sie einen Elch sehen moechte. In freier Wildbahn konnten wir da leider nichts herzaubern, aber wozu haben wir schliesslich das Wildlife Preserve in Whitehorse?

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Dinah mit Elchkuh.

Die Woche ging schnell vorbei. Doch viele neue Eindruecke wurden gewonnen und die Seele konnte etwas durchatmen. Das ist doch die Hauptsache, egal ob das in zwei Jahren gelingt, in einer Woche oder vielleicht nur in den 6 Minuten, in denen du diesen Beitrag gelesen hast. 🙂

Elchfreitag

Freitag. Karfreitag.

Elchfreitag.

Es ist morgens, ich putze meine Zaehne im Badezimmer. Tyrel ruft mich in die Kueche, ich soll unbedingt kommen!

Schliesslich stehe ich in der Kueche und gucke ihn fragend mit Zahnbuerste im Hals an. „Wow, du wachsamer Jager! Guck aus dem Fenster!!“ Vor dem Fenster, so wie letzte Woche: Elchi! Durch Fenster und Fliegengitter schiesse ich ein paar Bilder.

Eine ganze Weile sitze ich im Sessel am Kuechenfenster. Wie schoen es ist, dass wir so viele Buesche haben, dass Elchi immer noch genug Futter findet. Mittlerweile wissen wir dank Nicoles Kommentar auf dem letzten Beitrag, dass Elche Heu nicht gut verdauen koennen. Seit dem liegt ein halber Heuballen elchsicher im Vorraum zu unserer Haustuer und duftet vor sich hin.

Schliesslich bleibt Elchi stehen… und legt sich einfach in den Schnee! Natuerlich muss ich das wieder festhalten.

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Elchi hat uns den Ruecken zugekehrt und sonnt sich im Schnee.

Ich freue mich, dass Elchi uns so sehr vertraut, dass sie sich so nah am Haus sonnt und uns sogar dabei den Ruecken zukehrt!

Ein wenig beobachte ich sie noch, sie liegt einfach da und kaut. Nicht mal der Kopf bewegt sich, nur die Ohren ein wenig.

Schliesslich muss Tyrel zur Arbeit fahren. Hmmm, Elchi liegt nur ca. 35 Meter entfernt vom Auto, das wir nun starten muessen. Wahrscheinlich muss ich sie aufschrecken, wenn ich das Auto starte. Es sind -15 Grad, da sollte das Auto etwas warmlaufen, bevor man faehrt.

Ich schleiche mich mit Kamera und Autoschluessel raus. Knarze ueber den Schnee zum Auto. Elchi weiss, dass ich da bin, laesst sich aber nicht stoeren.

Dann ist es wirklich Zeit, das Auto zu starten. Ich oeffne die Tuer, Elchi macht sich nichts draus. Ich starte das Auto, Elchi steht auf.

Einerseits finde ich es schade, dass ich Elchi aufschrecken musste aus der Siesta aber andererseits ist es gut, dass sie nicht zu sehr an den Menschen gewoehnt ist. Der Schrecken haelt sich jedoch in Grenzen. Sie galloppiert fuer zwei Schritte, dann geht sie im Elchtempo fuer weitere fuenf Schritte.

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Elchi hat keine Lust auf Autolaerm. Ihr Fell glaenzt wunderschoen im Sonnenlicht.

Nach ihrer aeusserst kurzen Flucht steht sie am naechsten Gebuesch und faengst schliesslich wieder an zu fressen.

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Elchi verschwindet im Gebuesch.

Nach ein paar Minuten, als wir mit dem Auto wegfahren, steht Elchi immernoch da und frisst. Jetzt haben wir sie schon ein paar Tage nicht mehr gesehen. Ich wuensche ihr alles Gute auf ihrem mit langen Beinen beschrittenen Weg. 🙂 Vielleicht sieht man sich ja mal wieder!

Euch allen wuensche ich eine schoene, kurze Woche!

Gartenbesuch

Am vorletzten Samstag ging ich wie jeden Tag, den ich nicht arbeite, spazieren. Der schmelzende Schnee ist nicht mehr puderig und knischt so schoen unter den warmen Stiefeln. Ich versuche, verschiedene Toene zu erzeugen auf den ersten 30 Metern vor unserer Haustuer.

Ploetzlich kracht es im Gebuesch von links. Es scheint ein sehr grosses, verschrecktes Tier zu sein, was da einen Rabatz veranstaltet. Die Eisdecke vom Fluss zerbricht sogar.

Ganz ruhig stehe ich in unserer Einfahrt. Was immer da den Laerm veranstaltet, es ist eh schneller als ich. Ganz untaetig will ich trotzdem nicht sein, ich rufe ein lautes „EY!!“ hinterher. Was besseres faellt mir nicht ein.

Schliesslich setze ich meinen Spaziergang fort. Vor zwei Wochen habe ich Elchspuren am anderen Ende unseres Grundstuecks gesichtet. Ist der Elch vielleicht immer noch in der Gegend?

Nach meinem Spaziergang gehe ich in die Richtung, aus der die Geraeusche stammten. Tatsaechlich finde ich eine Menge Elchspuren. Sie fuehren in dichtes Gestruepp, was den Laerm erklaert. So dicht, dass ich nicht nachfolge. Die Spuren sind relativ klein, es muss sich um einen jungen Elch handeln.

Zwei Tage spaeter geht Tyrel aus dem Haus, um unser Grundstueck mit dem Morgenurin abzustecken. Begeistert kommt er zurueck: „Der Elch ist in der Einfahrt, komm schnell!“ Schnell wie ein Blitz, der nicht ganz so schnell ist, greife ich Jacke und Kamera und gehe auf die Pirsch. Am Platz, wo Tyrel den Elch gesehen hat, ist er nicht mehr. Aber kurz darauf erspaeht Tyrel ihn im Gebuesch!

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Die Umrisse eines Elchs sind im Gestruepp zu erkennen.

Nach einem Foto schreitet der Elch von dannen. Wenigstens flieht er nicht mehr kopflos! 🙂

Die Pferdebesitzer, die im Sommer ihre Pferde auf der Weide vor unserem Haus grasen lassen, haben etwas Heu zurueckgelassen, welches langsam von Rehen aufgezehrt wird. Um diesen Heuballen finden sich in den folgenden Tagen immer mehr Elchspuren und der Ballen schrumpft merklich. Eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit steht der Elch in ploetzlich in der Einfahrt und springt ueber den Zaun, um mir aus dem Weg zu gehen. Ein Schauspiel, das ich wohl nicht vergessen werde.

Jetzt sind reichlich Elchspuren auf unserem Grundstueck verteilt, so dass wir gar nicht mehr wissen, ob der Elch noch in der Gegend oder schon weitergezogen ist. Heute haben wir darueber diskutiert und schliesslich eine Dokumentation im Internet angesehen. Dann kam die Antwort auf unsere Spekulationen direkt ins Wohnzimmer geliefert.

Ganz langsam und gemaechlich schlendert der Elch, von dem wir nun wissen, dass es eine Elchin ist, durch die Einfahrt. Nach 10 Minuten schleichen wir hinaus um sie nun auf frischer Tat bei den letzten Heuresten zu ertappen… und wir haben Glueck!

Es ist ganz aufregend, sich an ein so grosses Tier heranzuschleichen, wohlwissend, dass es einen laengst bemerkt hat. Ich moechte es nicht stoeren und auch nicht zu sehr auf die Pelle ruecken. Aber die Elchkuh beobachtet mich aufmerksam wenn ich mich bewege und beruhigt sich kurz darauf und frisst weiter.

Beim Beobachten der Bilder faellt mir auf, dass das rechte Hinterbein der Elchkuh auffaellig ist. Wenn man genau hinsieht, kann man erkennen, dass sie ein Loch hat zwischen Fersengelenk und Achillessehne. Die Wunde scheint schon aelter zu sein, sie ist nicht blutig oder geschwollen. Und auch scheint es ihr keine Probleme zu bereiten. Das Gangbild ist klar, Frau Elch humpelt nicht und belastet beide Seiten gleich stark.

Tyrel ist der Meinung, dass die Wunde so gut verheilen konnte, weil Elche sich mit Schmerzmitteln vollpumpen. Immerhin essen sie gern Weiden, deren Rinde zur Herstellung von Aspirin verwendet wird. Ich weiss noch nicht, ob ich der Logik ganz folge, finde den Grundgedanken aber gut! 🙂

Jetzt noch ein paar Antworten auf Fragen, die mir juengst von einer Mitbloggerin gestellt wurden:

Tally von Tallyshome stellt gerne Fragen, wenn sie nicht von den Irrungen und Wirrungen ihres verrueckt-schoenen Alltags berichtet. Und ich antworte gerne. 🙂

1. Es gibt Leute, die der Meinung sind, in eine solche Welt sollte man keine Kinder mehr setzen. Siehst du das genauso? Und wenn nicht, was würdest du diesen Menschen sagen wollen?

Das ist durchaus eine Meinung, die man akzeptieren kann und wo ich nicht mit einem Gespraechspartner an seiner Meinung ruetteln muss. Wer sich nicht fortpflanzen moechte, soll das bitte auch nicht tun! Vielleicht brauchen wir aber noch ein paar Weltverbesserer auf dieser Welt, die erst noch geboren werden muessen, wer weiss das schon so genau.

2. Die Medizin entwickelt sich stetig weiter. Künstliche Organe, Klonen etc. Eine gute Sache? Oder gefährlich?

Ich habe mich einige Zeit mit Leih- ung Eimutterschaften und deren psychologischen Folgen auseinandergesetzt, weil ich das Thema spannend finde. Es scheint so zu sein, dass es fuer Eizellspenderinnen und Leihmuetter aus Laendern wie den USA (nicht aus Armutsverhaeltnissen) keine negativen psychologischen Folgen gibt. Das ist anders, wenn eine Frau gleichzeitig Ei- und Leihmutter ist, da das geborene Kind sie eventuell an Verwandte erinnert und sie es behalten moechte. Von daher denke ich, dass das eine gute Sache ist, um kinderlosen Paaren zu helfen. Bei anderen Verfahren wie kuenstlichen Organen, Klonen und weiterem wuerde ich mich jedes Mal neu informieren und vor allem die Fragen stellen „Zu welchem Zweck?“ und „Zu welchem Preis?“.

3 . In CERN forschen sie seit einigen Jahren schon mit Antimaterie. Das, woraus die schwarzen Löcher sind. Kritiker und auch diverse Verschwörungstheoretiker fürchten, dass es irgendwann einmal zu einem riesigen Fehler kommen könnte, so dass die Antimaterie sich selbstständig macht und somit ein riesiges schwarzes Loch auf der Erde entsteht. Macht dir so ein Gedanke Angst? Wie stehst du zu solchen Forschungen?

Ich kann mich noch an die Zeit des ersten Versuchs erinnern, zu der einige Physiker Eilklagen vor Gericht gebracht haben, um alles abzublasen. Auch mit meinem vielleicht dazu nicht ausreichendem physikalischen Basiswissen erschien mir die gefuehlte Gefahr eher gering. Und falls ein tatsaechlich ein schwarzes Loch die Erde verschlingen sollte, haette einem der Bunker im Vorgarten oder der Extravorrat Teelichter von IKEA auch nicht weiter geholfen. Von daher hab ich keine Angst und lebe einfach. 🙂

4. Thema Übernatürlich: Ist dir schon mal etwas passiert, was du trotz jeder Wissenschaft nicht erklären konntest und das du deshalb als „übernatürlich“ bezeichnen würdest?

Ja, das passiert mir recht regelmaessig. Dass man zum Beispiel aus dem Nichts heraus sehr intensiv an bestimmte Leute denken muss, von denen man Monate nichts gehoert hat und am naechsten Tag haben sie Kontakt zu dir gesucht. Ich glaube aber auch, dass da schon etwas Erklaerbares dahinter steckt, wir wissen nur noch nicht was. Wenn man sich nur vorstellt, was die Leute noch im Mittelalter geglaubt haben, wo Krankheiten herkommen usw. und wie nah das Mittelalter an unserem Zeitalter ist, gemessen am Alter der Welt… dann ist es vermessen zu glauben, dass wir ploetzlich so weit sind, alles zu wissen und alles erklaeren zu koennen. Ich glaube, es ist wichtig mit offenen Augen durch die Welt zu sehen und sich keine Eindruecke zu verbieten, nur weil sie keinen Sinn machen mit den bisher erlernten Erklaerungsmodellen.

5. Ist das Schicksal vorherbestimmt oder selbstbestimmt?

Beides. Ich glaube es gibt verschiedene Szenarios, die moeglich sind. Letzendlich muessen wir uns dafuer entscheiden, jeden Tag. Ich entscheide mich gerne immer wieder fuer das, was mein Leben jetzt ausmacht. 🙂

6. Ich persönlich glaube nicht an einen personifizierten Gott. Und du?

Wenn ich ganz allein in der Natur umherwandere und meine Gedanken streifen lasse, dann habe ich das starke Gefuehl, das alles eins ist und alles zusammen haelt mit etwas Gutem, Liebenden. Nein, ich habe nicht das Gefuehl, dass das ein Mann mit langem, weissen Bart ist, obwohl ich ja pro Bart bin. Aber ich glaube, da ist etwas.

7. Wenn du die Welt in der du Leben könntest, selbst gestalten könntest, wie sähe sie dann aus? Mit Drachen und Einhörner? Sience fiction pur? Eher das was wir jetzt haben aber besser? Entschärftes Mittelalter? Schadowrun?! Erzähl mir davon!

In Deutschland habe ich mir mehr Abenteuer, Winter, Nordlichter, Berge, Wildnis und Bisons gewuenscht. Das habe ich alles im Yukon gefunden. Jetzt wuensche ich mir, dass wir bald reisen koennen, wie wir wollen. Ich moechte eine Revolution wie das Internet fuer Information und Kommunikation, nur fuer Transport. Und nein, das Elektroauto ist keine richtige Innovation fuer mich. Ich moechte auf Energiebahnen reisen koennen ganz ohne Motor. Beamen waere auch okay. Ansonsten bin ich ganz zufrieden. 🙂

Habt eine gute Woche!

Projekt Elchkanu Tag 5

Es sind kuschlige 5 Grad, als ich die Augen aufschlage. Hungrig. Sehr hungrig!

Obwohl ich gestern abend keinen Bissen mehr herunterwuergen konnte, klingen Kaesemacaroni komischerweise wieder verlockend und mir mundet meine Portion.

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Am Morgen sieht unser Camp etwas verwuestet aus. Unter den gespannten Planen liegen die Isomatten, schon verpackte Schlafsacke und das Feuer heizt Wasser im Topf zum Bereiten des Fruehstuecks.

Wieder lassen wir einen grossen Haufen gesaegtes und gespaltenes Holz zurueck. Der naechste Kanute (wahrscheinlich erst naechsten Sommer) wird sein Glueck kaum fassen koennen.

Nach dem kaesigen Mahl packen wir ein und machen auf den Weg, uns. Nach einigen Flusskilometern muessen wir unserem Teslin River auf Wiedersehen sagen – er muendet im Yukon River, auf dem wir fortan unterwegs sind. Kurz nach der Vereinigung der Fluesse gehen wir an Land und schauen uns ein wenig Geschichte an.

Wir sehen einen Schiffsfriedhof einer anderen Art. Zu der Zeit des Goldrausches Anfang der 1900er Jahre gab es einen regen Schiffsverkehr auf dem Yukon River. Doch mussten die Schaufelraddampfer vor dem Eis des harten Winters gesichert werden. Eine Insel bei Hootalinqua, wo Teslin und Yukon River zusammenfliessen, bot eine gute Lage fuer die Aufbewahrung. Dieses Schiff hiess erst Evelyn und dann Norcom, nachdem es von einem anderen Unternehmen aufgekauft wurde. 1913 wurde Evelyn das letzte Mal ueber riesige Holzbalken auf die Insel gezogen und ist nach wie vor schoen anzusehen – wenn auch heute mit einem etwas anderem Charme als noch vor 100 Jahren.

Ein paar Flusswindungen spaeter gab es schon das naechste Highlight: Der echte Unterbau der SS Klondike lugte aus dem Wasser hervor. Denn die SS Klondike ist hier 1936 auf Grund gelaufen. Der Oberbau wurde daraufhin geborgen und aus ihm ein neues Schiff gebaut, die SS Klondike 2, die heute als Rentnerdasein voll restauriert in Whitehorse eine grosse Touristenattaktion darstellt.

SS steht uebrigens fuer steam ship, also Dampfschiff und keinesfalls fuer eine politische Gesinnung der Werften.

Der Yukon ist merklich breiter und schnell fliessender als der Teslin River. Auch die Farbe hat sich geaendert, sie ist nun milchig-flaschengruen. Wenn es ganz still ist, hoere ich die Sandpartikel am Kanu entlangfliessen. Ich nehme es wahr als ein sehr beruhigendes, gleichfoermig sanftes Rauschen.

Immer mal wieder begegnet uns eine Gruppe Schwaene, die sich unter lautem Geschnatter fertig machen fuer den langen Flug in waermere Gefilde.

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10 Schwaene strecken ihren Hals, waehrend sie vom Fluss aus in Richtung Sueden ziehen.

Bei der ganzen Paddelei habe ich viel Zeit, meinen Gedanken nachzugehen. Die gleichfoermige Bewegung und mangelnde Ablenkung helfen. Meistens denke ich an Essen (wie wahrscheinlich im Alltag auch). Was man alles schoen kochen koennte, wenn man nicht auf einer Kaesemacaroni-Diaet waere. Oder was fuer Aktivitaeten in einem Leben doch alle moeglich sind, wenn man einen festen Wohnsitz als Basis besitzt.

In meinen Gedanken manifestiert sich unbaendige Lust auf zwei Dinge:

  • Kaesekuchen!!! Noch ofenwarm einfach reinschaufeln in den Schlund. Mit Muerbeteig als Boden und Rand.
  • Ein 1000 Teile Puzzle legen. Ziemlich schwierig auf dem Fluss, ich muesste es jeden Morgen wieder in die Schachtel legen und dann am Abend weitermachen. Eher nicht zu empfehlen. Aber zu Hause? Vorm Kamin? Yaaaaaay!!!!

Der Gedanke an eine herhafte Soljanka schwingt ab und zu mit, kann aber gegen die beiden Hauptbegierden nicht ankommen.

Die Zeit verfliegt, waehrend ich meinen Gedanken nachhaenge und schon ist es Zeit, einen Lagerplatz fuer die Nacht zu suchen. Zwei auf der Karte verzeichnete Plaetze verwerfen wir, da wir noch ein paar mehr Kilometer reissen wollen nach unserem etwas langsamen Tag gestern. Der immer dunkler werdende Wald wird abgeloest durch ein ehemaliges Waldbrandgebiet und kahle, tote Staemme ragen in den Himmel.

Da ploetzlich! ELCH! ELCHBULLE!!!!

Mit vereinten Kraeften paddeln wir uns irgendwie an das rechte Ufer und zerren das Kanu an Land. Tyrel greift das Gewehr. Wir rufen den Elch und pirschen langsam durch das ehemalige Waldgebiet, in die Richtung in der wir den Elch vermuten. Wir haben den Wind im Gesicht, das heisst der Elch kann uns nicht riechen, wenn er sich irgendwo vor uns befindet. Nach ca. 15 Minuten beschliessen wir, zurueck zum Kanu zu gehen und das Lager aufzuschlagen, da es bereits dunkel wird. Die ganze Zeit ueber begleitet uns Tyrels Imitation einer Elchkuh.

Waehrend des Lager Bereitens dann eine Bewegung am anderen Ufer! Ein Schatten bewegt sich hinter den Staemmen im Gebuesch! Tyrel ruft und ruft und schliesslich hoeren wir die grunzende Antwort des Elchbullen. Er muss tatsaechlich durch den Fluss geschwommen sein, um uns dann vom anderen Ufer aus in Augenschein zu nehmen. Doof fuer uns, jetzt weht der Wind naemlich von uns zu ihm…

Der Elch an sich ist ja nicht doof, nur aeusserst schmackhaft – was uns auch an erster Stelle in diese Situation gebracht hat. Scheinbar missbilligt er unsere seit fuenf Tagen groesstenteils unterlassene Koerperhygiene und verschwindet schliesslich im Unterholz. Einen sauberen Schuss haette Tyrel nicht landen koennen, da der Elch sich konstant bewegt hat, Baeume im Weg waren und wir im Zweifelsfall auch zu lange gebraucht haetten, ihm auf der anderen Seite des Flusses nachstellen haetten koennen.

Trotzdem kann es sein, dass der Elch sich am naechsten Morgen nochmals blicken laesst. Oder vielleicht ein anderer Bulle, wenn wir laut genug rufen?

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Eine Aufnahme vom naechsten Morgen: Dort am anderen Ufer ueberm Steilhang hinter Totholz schlich tatsaechlich ein Elchbulle umher!

Muede von 62 Flusskilometern schlafen wir unter einer Plane am Strand und hoffen, dass wir am naechsten Morgen mehr Glueck haben werden als heute.

 

Projekt Elchkanu Tag 4

Das konsequente Abspannen des Schlafplatzes mit Planen gestern hat dazu gefuehrt, dass der Rauch des Feuers genau in die Richtung meines Kopfes gewirbelt wurde. Die ganze Nacht ueber. Dementsprechend geraedert wache ich auf und registriere die sommerlich anmutenden 6 Grad mit maulwurfigen Augen.

Neben dem Schlafentzug ueberreicht mir Mutter Natur ein weiteres Geschenk: Ich habe meine Tage.

An dieser Stelle moechte ich nochmals auf den Besuch meines Bruders Anfang September verweisen. Hier praesentierte er mir die Frage, die ihm von Freunden/ Kollegen bezogen auf meine Person am haeufigsten gestellt wurde:

Wie macht sie das denn, wenn sie ihre Tage hat im Winter?!

An seiner Stelle haette ich ja direkt zurueckgefragt, wie das denn die Schwestern der Fragesteller macht, wenn sie ihre Tage hat… im Winter! 😀 Aber da es durchaus Leute zu beschaeftigen scheint, moechte ich gerne aus meinem Menstruationstaeschchen plaudern.

Schon im Jahre 2012 beschloss ich, der Damenhygieneindustrie ein Schnippchen zu schlagen und umzusteigen. Keine Binden mehr (verklebt und laeuft ueber) und auch keine Tampons (laeuft entweder ueber oder legt die Schleimhaeute trocken, wenn man nicht eine Blutungskurve vorliegen hat, an der man minutioes die Wechselintervalle anpassen kann).

Stattdessen benutze ich eine sogenannte Menstruationstasse aus Silikon. Die Vorteile haben mich total ueberzeugt!

  • Wiederverwendbar fuer ca. 10 Jahre -> spart eine Menge Geld und Muell.
  • Sehr scheimhautfreundlich, nichts wird ausgesaugt oder laeuft ueber.
  • Nur zweimal Ausleeren pro Tag.
  • Keine Duft-, Bleich- oder Schadstoffe werden an die Haut abgegeben.
  • Man spuert sie ueberhaupt nicht.

Fuer mich ist noch ein weiterer, entscheidender Vorteil, dass das Blut im Koerper gesammelt wird und so in der Wildnis keine hungrigen Baeren anlockt. Man kann es an einem Ort ausleeren, den man gleich wieder verlaesst.

Okay, das war der Exkurs. Nun zurueck zur Exkursion! 🙂

Obwohl ich aeusserst zufrieden bin mit meinem Blutungsmanagement, habe ich trotzdem aeusserst schlecht geschlafen und weiss nicht genau, wie ich den heutigen Paddeltag ueberleben soll. Aber zuerst beginnt dieser Tag eh wie jeder andere auch: Morgentoilette, Feuer mit Holz fuettern, Wasser im Topf holen und ueber dem Feuer platzieren, gewuenschtes Fruehstueck im Container platzieren (heute Ramen-Nudelsuppen) und darauf warten, dass das Wasser kocht.

Dann schliesslich kochendes Wasser in Behaelter giessen, Deckel druff, Container in warmer Jacke einpacken und warten, bis es einigermassen weichgekocht ist. Schliesslich essen, sitzend auf unseren kleinen, gelben Plastikkisten, hier milk crate genannt (zu deutsch: Milchkasten).

Tyrel reisst mich aus der Essseligkeit: „ELCH!! Ohne Witz!!!“

Tatsaechlich, am anderen Flussufer tritt aus dem Gebuesch… eine Elchin.

Beigeistert zuecke ich die Kamera und kann ein paar brauchbare Bilder schiessen, obwohl die Dame mit blossem Auge nicht so gut zu erkennen ist.

Tyrel ist damit beschaeftigt, seine persoenliche Interpretation einer riemigen Elchkuh durch die Gegend zu toenen, damit eventuell der Liebhaber der Elchin in Erscheinung tritt. Doch nichts geschieht, die Elchin zieht schliesslich weiter und wir wenden uns wieder der nun eher kuehlen Nudelsuppe zu.

Als wir die letzten Bissen verschlingen, zeigt sie sich noch einmal.

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Lady Elch stapft durchs Wasser und sucht anschliessend im flachen, pflanzigen Gewaesser nach Nahrung.

Einige Zeit noch verbringen wir mit Rufen – doch nichts tut sich. Noch eine Nacht hier verbringen moechte ich auf keinen Fall, nachdem ich so schlecht geschlafen habe. Also packen wir unsere Sachen und ziehen weiter.

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In den schnellfliessenden Aussenseiten der Kurven im Fluss finden sich immer haeufiger Klippen aus hellem Kies.

Das erste Mal halten wir, weil Tyrel eine kleine Flussmuendung entdeckt, in die kein Motorboot hinein fahren kann. So haben wir einen Vorteil mit unserer Kanu-Paddlerei, falls wir auf ein belebtes Elchgebiet stossen sollten.

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Ein kleines Rinnsal schlaengelt sich durch eine saftige Wiese, auf die die Sonne scheint.

„Jetzt muessen wir Geduld haben und rufen!“ stellt Tyrel fest. „Und sonst ganz leise sein!“ Wir setzen uns aufs Feld und warten und rufen und warten… und ich schlafe nach zwei Minuten ein.

Doch kein lauter Knall reisst mich aus meinem wohlverdienten Nickerchen, sondern Tyrel’s Einsicht, dass wir besser weiter ziehen sollten. Na gut, so lange es nicht allzu weit ist.

Als wir die naechste geeignete Bucht finden, wo Tyrel nach Elchen Ausschau halten moechte, mache ich klar, dass ich Schlaf brauche, um weiter paddeln zu koennen. Ich schnape mir einfach meine dicke Jacke und Tyrels Schwimmweste, die er ausgezogen hat, kraxle das Flussbett hinauf bis der Grund nicht mehr nass ist und lasse mich fallen. Kopf auf die Schwimmweste, Jacke als Decke und fertig ist das selige Nickerchen. Nach einer Stunde werde ich von selbst wach und frage mich, wie lange ich wohl geschlafen habe und wo Tyrel ist. Doch als ich mich aufrapple, sehe ich, wie er die Angelrute wieder im Kanu verstaut. „Kein Fisch beisst. Meinst du, du kannst weiter paddeln oder sollen wir lieber hier unser Lager aufschlagen?“ „Mein Akku ist wieder voller, lass uns noch paddeln.“

Schliesslich kamen wir noch auf 28 km am heutigen Tage und fanden einen schoenen Platz zum schlafen. Waehrend Tyrel sich ums Feuerholz bemuehte, ging ich den vielen Eulenrufen nach in den dunklen Wald hinein. Eine Eule kann ich fuer einen Augenblick sogar auf einem Baum sitzend entdecken, allerdings flattert sie schnell lautlos davon. Mit Hilfe meines Vogelbuches identifiziere ich sie schliesslich als great gray owl, zu deutsch Bartkauz. Ein grosses Voegelchen mit knapp 70 cm Koerperhoehe.

Unser Camp ist diese Nacht nicht komplett winddicht abgespannt und so kann der Rauch gut entweichen und wird nicht verwirbelt. Die Kaesemacaroni haengen mit mittlerweile wie zu erwarten zum Halse raus. Grossmuetig biete ich Tyrel den Rest meiner Portion an, welche er gern verschlingt.

Den Eulenrufen in der Nacht lauschend krabble ich tiefer in meinen roten Schlafsack und schlafe ganz friedlich ein.

Projekt Elchkanu Tag 2

Ich wache auf und… mein Naeschen ist kalt. Das Feuer ist zum Glueck die ganze Nacht am Leben gehalten worden von Tyrel und mir, wenn wir abwechselnd wach wurden und im Halbschlaf ein paar Kloetze Holz nachgelegt haben. Aber warum ist meine Nase kalt und wollten wir nicht ganz frueh starten, um dem Wind ein Schnippchen zu schlagen?

Ich schaue rueber zu Tyrel, der sich in seinem roten Schlafsack auch schon hin- und herbewegt. Wenn in der Nacht ein Baer vorbeigekommen ist, hat er sich bestimmt gefragt, warum zwei riesige, rote Zahnpastatuben um ein Feuer herum liegen. Ich versuche hinter Tyrel zum Fluss zu sehen und sehe… nichts. Alles ist voller dichtem Nebel. Nur den engsten Kreis Baeume um uns herum koennen wir sehen, der Rest ist im grauen Dunst verschwunden. Wortlos stimmen wir ueberein, dass es sich bei diesen Witterungsbedingungen lohnt, noch ein Muetzchen Schlaf nachzuholen.

Gesfuehlte fuenf Minuten spaeter ist es schon viel heller und der Nebel hat sich groesstenteils verzogen. Raus aus dem Schlafsack, Wasser vom Fluss holen fuer das Fruehstueck und Tee fuer zwischendurch und… Moment, was ist das auf dem Thermometer?

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Mein deutsches Kuehlschrankthermometer ist voller Frost und zeigt -7 Grad an.

Naja, wir haben auch schon um einiges kaelter geschlafen als – 7 Grad. Aber da wir sehr warme Schlafsaecke besitzen, waren wir komplatt mollig warm die ganze Nacht ueber… Okay fast komplett. Meine Nase war damit beschaeftigt, die kalte Luft anzuwaermen und ist nun selbst reichlich kalt. Aber nach ein paar komischen Grimassen zwecks Nasengymnastik fuehlt sich alles wieder normal an.

Unsere Schlafsaecke haben wir in selbstgenaehte Leinenueberzuege gesteckt, damit kein Funkenflug des Lagerfeuers Schaden anrichten kann und sie vor Schmutz und Rissen geschuetzt werden.

Schon ging es ans Essen (REIS MIT CHILI!!! BAEH!), dann ans Packen und Verschnueren am Kanu und es wurde wieder gepaddelt.

Nach einiger Zeit des freudigen Paddelns ohne Gegenwind erspaeht Adlerauge Tyrel etwas am Ufer! Ist es Elchkacke? Nein, es bewegt sich. Ein Biber?!? Ich freue mich schon, mein erster Biber!! Mit meiner Kamera zoome ich komplett heran und kann mich immer noch nicht entscheiden, ob es jetzt ein Biber ist oder nicht.

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Ein braunes Fellknaeul mit langem, platten Schwanz am Strand des Ufers.

„Es ist ein muskrat!!“ Schrei-fluestert Tyrel begeistert! Okay, es ist auch die erste muskrat, zu deutsch Bisamratte, die ich aus naechster Naehe sehe.
„Wollen wir sie mit nem Paddel totkloppen und essen?!“ schlaegt Tyrel begeistert vor.
„Nein, verdammt! Das ist die erste muskrat, die ich sehe und die hat verdammt nochmal Bestandschutz!!“
„Na gut. Komm, wir paddeln zum Ufer und gucken sie uns genauer an.“

Ich bleibe im Kanu und versuche, die plueschige Niedlichkeit des kleinen Vegetariers mit der Kamera einzufangen und Tyrel geht langsam auf die muskrat zu und… streichelt sie?!?!

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Tyrels gelber Handschuh streichelt ueber das Fell der muskrat, die davon komplett unbeeindruckt bleibt.

Was bitte passiert da? Wie kommt er auf die Idee, die muskrat zu streicheln und wie kommt die muskrat auf die Idee, so verdammt cool zu bleiben?! So ganz durchblicke ich die Situation nicht, mache aber fleissig Fotos.

Dann sieht Tyrel das gruene Kanu von gestern herannahen und winkt die Kanuten heran, die auch zuegig heranpaddeln.
„Hi, wie gehts?“
„Gut und euch?“
„Auch gut. Wir haben eben eine muskrat gestreichelt und dachten das wollt ihr bestimmt sehen!!!“
„Aha… aehhh… braucht ihr irgendwie Hilfe?“
„Nein, wir wollten das euch nicht vorenthalten.“
„Okay… Dann habt noch einen guten Tag.“
*weiterpaddel*

Na dann… mehr muskrat fuer uns!!! Tyrel streichelt sie noch einmal aber der Zauber des Anfangs ist wohl fuer die muskrat verflogen. Wie in Zeitlupe dreht sie sich zum uebergrossen Handschuh, nagt einmal daran und gleitet ins Wasser. 1,5 Meter fluessabwaerts geht sie wieder an Land undsucht weiter den Boden nach Futter ab. Wir behelligen sie nicht weiter. Ich mache noch ein paar Bilder und auch wir stechen wieder in See.

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Muskrat – die plueschigste Versuchung, seit es Nagetiere gibt.

„Ich moechte wirklich gerne noch einen Biber in freier Natur sehen!“ erzaehle ich Tyrel. Er entgegnet: „Biber sind asoziale Arschloecher. Die schlagen mit ihrem Schwanz aufs Wasser und tauchen unter, nur um dir zu zeigen, wie doof sie dich finden. Und sie zerstoeren so viele alte Wege in der Wildnis durch das Aufstauen von Fluessen und Seen.“

Aber aber aber der Biber war doch immer so ein nettes kanadisches Maskottchen in meinem Kopf… Frueher hat er uns sogar in Deutschland Spanplatten und Rostschutzfarbe bei OBI verkauft, bis er Insolvenz anmelden musste. Ob ihn das hat zum Soziopathen werden lassen?!

Ich sinniere noch so vor mich hin beim Paddeln, da schreit es wieder fluesternd hinter mir: „eeeeeelch!!!!!!“ Oh, tatsaechlich! Ein Riesenvieh steht im Fluss und schaut angestrengt zum Ufer herueber. Allerdings fehlt das Geweih, es handelt sich um eine Elchin. „schnell, wir paddeln zum ufeeer!!! ein maennlicher Elch ist bestimmt nicht weit!“
Doch noch einigen Paddelhieben koennen wir schon besser in die Kurve des Flusses sehen. Dahin, wo die Elchkuh starrt. Rauch steigt auf. Einige Jaeger werkeln ums Feuer und zerlegen den potentiellen Liebhaber der Elchkuh.

Mir tut sie ziemlich leid. Warum sie wohl weiter zusieht und nicht einfach zum anderen Ufer schwimmt? Ich hoffe, dass sie morgen einen schoeneren Tag erlebt.

Schliesslich kommt erneut Wind auf und es faengt an zu regnen. Ganz leicht zunaechst und der Himmel ist auch nicht so duester… also paddeln wir erstmal weiter? Nein, es scheint nicht aufzuhoeren, so legen wir eine Pinkelpause ein und kleiden uns angemessener. Tyrel streift seinen Militaer-Poncho ueber und ich begnuege mich mit einem organgenem Muellbeutel. Ja, an das Loch fuer den Kopf und die Arme habe ich gerade noch so gedacht. 🙂

Waerend wir so durch den Regen paddeln, ueberholen wir die Mitpaddler im gruenen Kanu. Sie haben Zuflucht vor dem Niederschlag gesucht, eine Plane gespannt und ein kleines Feuer aus abgebrochenen Aesten entzuendet. Wir winken nett und gleiten davon.

Der Fluss wird schliesslich anspruchsvoller. Gut, dass wir die Flusskarte dabei haben. Sie zeigt uns naemlich an, ob wir rechts oder links an den Inseln und Sandbaenken vorbei muessen. Wo grosse Steine versteckt sind. Und manchmal auch, wo sich ein potentieller Lagerplatz versteckt.

Schliesslich halten wir im Abendgrauen an einem Platz, wo schon eine alte, verfallene Blockhuette steht und schlagen unser Lager auf. Es steht wieder Reis auf dem Speiseplan und schon beim Gedanken daran drehen sich meine Eingeweide gegen den Uhrzeigersinn. Grosszuegig biete ich Tyrel meine Potion Reis mit Dosenchili an, ich wuerde mich auch mit Kaesenudeln begnuegen. Er beisst an! Und ich beisse gierig in matschige Kaesemacaroni. Wohlwissend, dass die mir wahrscheinlich ebenso schnell aus dem Hals haengen werden. Aber heute ist es purer Luxus.

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Das Kanu liegt an Land fuer das abendliche Lager, waehrend die Wolken ueber dem Fluss sich grau-rosa-gelb faerben.

Die alte Blockhuette finde ich interessant, aber auch ein bisschen gruselig im Dunkeln, weil sie so verfallen ist. Ob ich hier gut schlafen werde, unter der Plane direkt neben dem Haus?
Noch waehrend ich mich das frage, fallen mir im Schlafsack die Augen zu und nach den heutigen 52 km auf dem Fluss falle ich in einen himmlischen, erholsamen und sorgenlosen Schlaf.

Die Jagd auf das Bison-Phantom

Der erste Tag von Tyrels Urlaub war gleichzeitig mein 29ter Geburtstag (was fuer ein Zufall, oder?). Einen Tag vorher habe ich im Supermarkt eine kleine Fertig-Sahnetorte von den leckeren Suessigkeiten Reese gesichtet. Wahrscheinlich muss ich nicht erwaehnen, dass sie schliesslich im Einkaufswagen gelandet ist.

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Reese’s Schoko-Sahnetorte, wartet noch sicher in ihrer Plastikhaube auf bessere Zeiten.

Am Vorabend meines Geburtstages lag diese Torte dann verfuehrerisch auf der Kuechenzeile herum. Wahrscheinlich bemerkte Tyrel den intensiven Augenkontakt, den sie mit mir suchte. Jedenfalls redete er mir gut zu, dass ja schliesslich durch die neun Stunden Zeitverschiebung in Deutschland schon mein Geburtstag sei. Erleichtert schnitt ich die Torte an und wir erlegten die Haelfte. Der zweite Teil wurde dann folgerichtig als kanadisches Geburtstagsfruehstueck verzehrt.

Dann ging es ab auf den Schiessstand. Mein Geburtstagsgewehr wollte schliesslich noch richtig ausgerichtet werden. Ein Zielfernrohr war eigentlich schon fertig eingestellt bei der gekauften Waffe dabei. Doch kann auch ich aus der Vergangenheit lernen. Und meine Vergangenheit fuehrte mich in die Zeit der technischen Fruehbesprechungen des letzten Produktionstages. Wenn im Arbeitsbericht vermerkt war, dass irgendein Teil dem Ruf der Schwerkraft gefolgt und einfach so abgefallen ist, kam mit 98%iger Sicherheit die Frage

„Wie waren die Schrauben gesichert?!“

Die Antwort, dass sie mit dem vorgeschriebenen Moment angezogen wurden, wurde nicht akzeptiert.

Da ich mir selbst gegenueber nicht Rede und Antwort stehen wollte, wie meine Schrauben gesichert wurden, falls mein Zielfernrohr auf eimal lose ist oder sogar abfaellt: Eine Schraubensicherung musste her!

Also wurden alle Schrauben herausgedreht und anschliessend mit Loctite, einem Klebstoff zur Schraubensicherung, versehen.

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Piff, Paff, Puff! Ich, eingemummelt, ziele mit meinem Gewehr am Schiessstand auf Zielscheiben.

Daraus resultierte dann aber, dass es wieder notwendig war, das Zielfernrohr auszurichten. Nach 20 Schuessen tat die Schulter ganz schoen weh aber das Ziel wurde getroffen. Tyrel legte noch zweimal nach mit der Premium-Bison-Munition und fertig war die Uebeungsstunde.

Den Rest des Tages verbrachten wir mit einem schoenen Spaziergang, dem Packen unserer Sachen fuer die Jagd, sowie dem Schlemmen von Tyrels Bannock, einer Art Indianerbrot.

Am naechsten Morgen klingelte der Wecker dann um 6 Uhr, damit wir puenktlich zu Sonnenaufgang an unserem Zielort, irgendwo zwischen Whitehorse und Carmacks, ankommen.

Jeder von uns zog einen geliehenen Schlitten, der mit Ausruestungsgegenstaenden gepackt war und hoffentlich etwas spaeter noch mit Bisonfleisch. Am Anfang war ich angenehm ueberrascht, wie leicht der Schlitten zu ziehen ist im Gegensatz zu einem ueberladenen Rucksack auf dem Ruecken. In den folgenden zwei Tagen und keine Ahnung wie vielen Kilometern fragte ich mich dann doch einige Male, warum ich das eigentlich mache. Die Antwort darauf war allerdings erschreckend einfach: Ich musste mich nur umsehen. So viel Schoenheit in der Natur. Weit weg von aller Zivilisation. Und bis auf die ein paar Tage alten Schneemobilspuren auch keine Zeichen von ihr.

Einerseits bin ich froh, dass vor ein paar Tagen Schneemobile hier entlanggefahren sind. Sie haben den Schnee verdichtet und man kann einigermassen darauf laufen. Wann immer wir den Weg verlassen, sinken wir knietief ein in die weisse Pracht.

Andererseits sehen wir die ganze Zeit, die wir hier verbringen, kein einziges Bison. Nur sehr, sehr alte Spuren einer kleinen Herde, die durchaus schon Monate alt sein koennen. Mit einem Schlitten kann man sich besser anschleichen als mit einem Schneemobil. Aber wenn die Schneemobile schon durch das Droehnen alle Bisons ins Hinterland verjagt haben, bringt einen das auch nicht viel weiter.

Doch die Landschaft entschaedigt fuer alles. Selbst als der Wind so stark ueber den Huegelkamm pfeift, dass sich der Schnee jeden entbloessten Hautfetzen beisst, muss ich das Schauspiel bewundern. Auf den Bildern sieht es auch gar nicht mehr so kalt und windig aus, wie es mal war, sondern eher fluffig.

Neben der spektakulaeren Landschaft haben wir sogar das Glueck, die heimische Tierwelt zu beobachten. Gleich zwei Elche sehen wir am ersten Tag und einen weiteren am zweiten. Sie scheinen zu wissen, dass die Elchjagd nur von August bis Oktober erlaubt ist und gucken uns unglaeubig an, bevor sie schnell um die Ecke duesen.

Mehr Fotoglueck hatte ich mit einem Schneehasen. Anscheinend hatte der noch nie etwas vom Kinderlied „Haeschen in der Grube“ gehoert und hat die beiden Schlittenjaeger fuer einige Minuten aus der Maennchenposition aufmerksam beobachtet. Hasen duerfen zur Zeit gejagt werden. Aber wir hatten nur Waffen fuer Grosswild mitgenommen und begnuegten uns, Hasi mit unseren Handykameras abzuschiessen.

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Der weisse Schneehasi ist zwar gut getarnt im ganzen Schnee. Aber vorsichtig geht anders. Er macht Maennchen und lauscht ganz aufmerksam, was wir so machen.

Am spaeten Nachmittag haben wir dann unser Lager aufgeschlagen. Erst hiess es Schnee wegschaufeln und platttrampeln. Danach wurde eine Plane gespannt, zum Teil auf dem Boden als Unterlage und zum anderen Teil als Wand und Dach falls es anfaengt zu schneien. Sobald die Plane ausgelegt ist, schnell den Schlafsack aufschuetteln, damit die Daunen flauschig werden und einen spaeter auch schoen waermen koennen. Feuerholz mochte auch noch gesammelt werden. Zum Glueck stehen ausreichend tote Baeume in der Gegend rum, hier raeumt halt keiner auf. 🙂

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Der Schlafsack liegt schon in der Planenunterkunft. Zum Kopfende wird eine Feuerstelle entstehen. Einen guten Stapel toter Baeume habe ich schon herangeschleppt.

Schliesslich wird das Licht immer weniger und der Hunger immer groesser. Beste Zeit, ein Feuerchen zu starten. Am besten eignen sich dafuer duenne, trockene Fichtenzweige, die mit einer fasrigen Flechte behangen sind, die hier old man’s beard genannt wird (Altherrenbart zu deutsch). Leider sind solche Zweige in der Naehe nicht zu finden. Daher schnitze ich mit einer Axt von einem gespaltenen Stueck Holz an den Seiten Holzspaene, bis das Ganze aussieht wie eine Holzfeder.

Bei unserem letzten Campingausflug habe ich nach unserer Rueckkehr den Topf fast wegschmeissen wollen. Das duennwandige Material hat die Kaesemacaroni schoen anbrennen lassen. Fuer dieses Mal habe ich mich daher fuer ein anderes Kochkonzept entschieden: Freezerbag Cooking! Also kochen im Gefrierbeutel. Vor Tourbeginn fuellt man einen wiederverschliessbaren Gefrierbeutel mit getrockneten Zutaten, zu denen man im Camp nur noch kochendes Wasser hinzufuegen muss. Kurz warten, fertig. Kein Abwasch ist noetig, man kann gleich aus dem Beutel essen und den Rest des kochenden Wassers gleich noch in die Thermoskanne fuellen.

Zum Abendessen gab es also Spezialkartoffelbrei aus dem Gefrierbeutel. Man nehme getrocknete Kartoffelflocken, Milchpulver, etwas Schmalz, Pfeffer und Salz, braunen Zucker und Senfpulver. Um die Konsistenz noch interessanter zu machen, habe ich noch stuffing hinzugefuegt. Das sind getrocknete, gewuerzte Brotwuerfel, mit denen man hierzulande gerne einen Truthahn zu Thanksgiving ausstopft, bevor er in den Ofen wandert.

Noch zu Hause habe ich einige Zusammenstellungen aus dem Gefrierbeutel ausprobiert. Besonders gut eignet sich Kartoffelbrei, 5 Minuten Reis (anscheinend schon vorgekocht und dann getrocknet), Couscous und gespaltene Linsen. Viel guenstiger als gekaufte Campinggerichte und man weiss ausserdem, was drin ist.

Nach einer langen, dunklen Nacht meldet sich am Morgen als erstes die Blase. Der Schlafsack hat trotz den -7 Grad ganze Arbeit geleistet und man ist kuschlig warm… kann es nur nicht geniessen, weil der unangenehme Teil unausweichlich bevorsteht. Warum ist die Plane eigentlich so kuschlig an mich herangerueckt? Ein Blick auf die Feuerstelle verraet den Grund: In der Nacht hat es ein bisschen geschneit.

Doch auch wenn ich raus aus dem Schlafsack muss: Die Umgebung entschaedigt mich umgehend dafuer mit einem wunderschoenen Sonnenaufgang im Nirgendwo.

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Die Sonne ist noch nicht ganz ueber die Berge geklettert. Dennoch leuchtet sie die Wolken orange-rot an und taucht alles in ein wunderschoenes Licht.

Befluegelt von Mutter Natur versuche ich gleich, den naechsten Outdoor-Tipp umzusetzen, den ich gelesen habe: Zusammengedrueckte Schneebaelle sollen sich hervorragend als Klopapier nach dem morgendlichen Faekalienabwurf eignen. Fazit: Zuerst wird die Rosette taub, dann die Finger. Wer soll das denn bitte unter Kontrolle haben?! Da lob ich mir den Zellstoff.

Unseren zweiten Tag verbringen wir weiterhin mit durch-die-Gegend-Stapfen. Auf dem Schneemobilpfad mit Schlitten, zum Spaehen im knietiefen Schnee. Wenn ich vom Schlitten ziehen muede werde, stelle ich mir vor, ich sei ein kleines, hochmotiviertes Yak. Keine Ahnung warum, aber die Vorstellung hilft. Die ziehen doch gerne Schlitten, oder?

Am spaeten Nachmittag des zweiten Tages  beschliessen wir, das Lager abzubrechen und nach Hause zu fahren. Wenn wir jetzt noch ein Bison sehen wuerden, haetten wir keine Zeit mehr, es zu zerlegen und nach Hause zu bringen, bevor Tyrel wieder arbeiten muss. Ausserdem hat Tyrel mir gesagt, dass wir doch morgen in die Stadt fahren um einen schoenen saftigen Burger zu geniessen. Ich fuerchte, das war das ueberzeugende Argument. Nach einigen Stunden haben wir alles zusammengepackt und sind mit den Schlitten am Truck angelangt, um die Heimreise anzutreten.

Als wir an dem Oertchen Braeburn vorbeifahren, ist es schon ca. 20 Uhr. Tyrel fragt mich, ob ich am Truckstop halten moechte. Immerhin ist der Ort fuer seine Zimtschnecken bekannt. Nein danke, sage ich. Schon verlockend aber wir wollen doch nach Hause… Tyrel setzt den Blinker und wir halten vor dem Truckstop. Anscheinend sind meine Englischkenntnisse immer noch nicht die besten. Oder sein Gehirn kann das Wort Nein nicht ausreichend verarbeiten.

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Die riesige Zimtschnecke ist mehr als 20 cm im Durchmesser und mit Zuckerguss verziert! Wer kann da widerstehen?

Jedenfalls steigen wir nach kurzer Zeit wieder in den Truck, mit zwei $10 Zimtschneckchen. Eine essen wir auf der Fahrt, die naechste gibt es den naechsten Morgen zum Fruehstueck, bevor wir uns aufmachen in Richtung Stadt. Erst baden wir in den heissen Quellen und anschliessend gibt es meinen Motivationsburger. Besser gehts nicht!

Ein paar Mal habe ich mich auf der Tour gefragt, warum ich das eigentlich mache. Aber ich koennte schon wieder. 🙂

Unschoenster Moment: Raus aus dem muckeligen Schlafsack, rein in die steifgefrorenen Socken.

Schoenster Moment: Elche aus der Naehe, Sonnenaufgang und die himmlische Stille.

Wiederholungsgefahr: Sehr hoch!

 

Uebrigens: Heute ist der Starttag des Yukon Quest, dem haertesten Hundeschlittenrennen der Welt. 1600 Kilometer fuehren die Musher von Whitehorse nach Fairbanks in Alaska. Auf dem Weg in die Stadt haben wir kurz am Takhini River gehalten und konnten die ersten beiden Starter mit ihren Hundeteams auf ihrem Weg nach Alaska bewundern!