Boot

Flußtour 2019 – Tag 6

Genau wie die letzten Tage auch, wache ich heute wieder als erste auf.
Ich drehe mich noch einmal im Schlafsack herum und horche genau in mich herein. Bin ich ausgeschlafen? Ja.
Also stehe ich auf.

Ich ziehe mich an und versuche dabei so kuschlige Waerme wie moeglich aus dem Schlafsack in meine Kleidung zu retten. Das ist nur gar nicht so einfach bei ordentlichen Minusgraden.

Als Naechstes mache ich ein ordentliches Feuer. Zum einen kann ich daran meine Finger waermen, zum anderen essen Tyrel und ich auf dem Fluss gern ein warmes Fruehstueck. Das hilft uns, in die Gaenge zu kommen. Im Alltag fruehstuecke ich ueberhaupt nicht und esse erst gegen Mittag meine erste Mahlzeit. Aber hier brauche ich was im Bauch. Unser Mittagessen auf dem Fluss ist auch eher ein kleiner Snack.

Ich koche Wasser, bespasse Arma, erledige meine Morgentoilette.
Und warte.

Tyrel wacht schliesslich auf.
„Es ist 6 Uhr in der Früh! Warum sitzt du da rum in voller Montur?!“

Oh.
Das erklaert dann auch, warum die Daemmerung immer noch nicht eingesetzt hat.

Ungefaehr 20 min später sehe ich ein dass es doch ein wenig arg frueh ist um auf den Tagesanbruch zu warten, ziehe mich wieder aus und gehe schlafen. Kann sogar nochmal gut träumen.

Ein paar Stunden spaeter (oder auch am echten Tagesbeginn).
Wie immer zieht Joe als Erster los. Seine Morgenroutine ist so eingespielt, dass er mit ein paar Handgriffen eingepackt hat. Warmes Wasser fuer Kaffee und Fruehstueck hat er immer schon vom Vorabend bereit.

Wir lassen uns wieder Zeit (ist ja auch unser wohlverdienter Urlaub) und frühstücken. Mittlerweile ist es auch gar nicht mehr frostig, ein Südwind weht und die Sonne scheint.

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Ein sonniges Flussufer mit entspanntem Hund.

Doch am südlichen Horizont ziehen Wolken auf, die immer dunkler werden. Uns bleibt eh nichts anderes uebrig als zu packen und loszuziehen, wie jeden Morgen. Also tun wir genau das.

Nach einiger Zeit auf dem Wasser beginnt leichter Regen.
Der Regen wird stärker.
Wir legen am Ufer an,  um unsere Regensachen anzuziehen.
Doch der Regen hört nicht auf.

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Grau-nasse Aussichten, am Himmel ist kein blauer Fleck mehr auszumachen.

Schliesslich stossen wir auf Joe. Wir sagen ihm, dass wir lieber Strecke machen wollen um in circa zwei Tagen zu Hause zu sein.
Doch Joe moechte noch laenger auf dem Fluss bleiben.

Wir verabschieden uns vorsorglich. Arma versteht nicht, warum wir ihren liebsten Spielkameraden Joe zurücklassen. Mir fällt es auch schwer, aber schlimmer wäre es, das Fleisch verderben zu lassen. Und durch das wechselhafte Wetter wird dieser Fall immer wahrscheinlicher, je mehr Tage ins Land ziehen. Immerhin haben wir den Baeren an Tag 1 erlegt. Heute ist schon Tag 6.
Bärenfleisch muss man laut Gesetz im Gegensatz zu z.B. Elchfleisch zwar nicht verwerten, doch für uns ist es wertvoller als der Pelz.

Im Regen ziehen wir weiter.

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Am nassen Ufer sind Ueberbleibsel einer kleinen Holzhuette der Goldrauschzeit zu sehen.

Was habe ich früher eigentlich bei Regen gemacht, ueberlege ich mir.
Durchgefroren und nass war ich doch eher selten.

Ich habe bei Regenwetter viel Fernsehen geguckt.
Erst am elterlichen Kamin, dann mit Freunden und Bier, später mit Whiskey allein Zuhaus.

Manchmal war ich doch draussen. Mit Oma und Opa in der Laube. Oder ich habe mich beim Zelten im Garten vom Regenprasseln in den Schlaf singen lassen.

Kälte schält sich mittlerweile zwischen alle Lagen Kleidung.
Ich bekomme kalte Zähne und eine taube Nase.

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Die Regenwolken haengen tief in den Bergen und goennen uns eine kalte Dusche.

Der Regen verwandelt sich in Schneeregen während wir unser Lager aufschlagen. Heute spannen wir zwei Planen, die sich gegenueberstehen wie ein A, nur mit einer Luecke im Giebel. Die Luecke, damit wir ein Feuer machen koennen und uns keine Gedanken ueber Rauchabzug oder brennende Planen machen muessen. Die zweite Plane, damit wir dort unser ganzen Sachen auslegen und trocknen können.

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Tyrel waermt sich am Feuer zwischen unseren gespannten Planen.

Falls das Wetter nicht besser wird, bleiben wir doch einen Tag laenger hier.

Armas Appetit ist wiederhergestellt. Das hat nach dem Baerenlebervorfall nur fuenf Tage gedauert. Ich freue mich sehr.

Auch wir schlingen Unmengen von Spaghetti mit Speck und Möhren hinunter. Mein hungriges Gehirn hat mir dringend empfohlen, ein ganzes Kilo ungekochte Spaghetti zuzubereiten. Gekocht sieht das dann doch uebertrieben aus. Aber nach dem Abendessen zeichnet sich ab, das es aufgewaermt gerade so zum Fruehstueck reichen wird.

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Ich arbeite mich langsam durch den Haufen vor Fett triefenden Nudeln durch. Mein Koerper giert geradezu danach.

 

 

Nach getaner Arbeit und im molligen Schlafsack wirkt das Sauwetter gar nicht mehr so unwillkommen.

Schnee-Regen-Graupel singen mich leise auf der Plane knuspernd in den Schlaf, während ich mich der Stroemung des Universums einfach füge.

Flusstrip 2018: Tag 6

Geweckt werde ich diese Nacht erst wie gewohnt von tanzenden Maeusen auf unserer Plane und spaeter nochmal durch Niederschlag auf die Plane ueber uns. Vielleicht war es doch keine allzu gute Idee, die Plane mit den Brandloechern ueber uns zu spannen, denke ich mich noch; gestern Abend war kein Woelkchen am Himmel. Es gelingt mir trotzdem, beide Augen nochmal zuzudruecken und zu schlummern, bis ich Joe in der Daemmerung herumwuseln hoere. Zum Glueck herrscht kein Niederschlag mehr, vereinzelt sind Graupel zu finden.

Normalerweise halte ich nachts das Feuer am Leben. Heute Nacht jedoch haben wir eine Schutzwand aus Holz auf unserer Seite errichtet, damit der Funkenflug nachts unsere teuren Daunenschlafsaecke nicht bedroht. Durch die Wand konnte ich das Feuer dann aber nicht mehr sehen und somit nicht instandhalten ohne aus dem warmen Schlafsack zu kriechen, was ich bald eingesehen habe.

Obwohl heute wohl keine zweistelligen Minusgrade herrschen, ist uns kalt. Ein frischer Wind weht und irgendwie fuehlt es sich klamm an, obwohl der Boden auf den ausgetretenen Pfaden im Lager staubt.

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Mit ein paar letzten Handgriffen wird unser Lager wieder zurueckverwandelt in eine Uferlichtung am Yukon River – nur mit einem Haufen zusaetzlichem Feuerholz.

Bald schon sitzen wir dick eingemummelt im Boot und fahren dahin. Einzelne Schneeflocken segeln auf uns herab und laden uns ein zu malerischen Winterlandschaften in nur wenigen Wochen. Noch sieht alles so nach Herbst aus, als ob der Winter noch weit weg waere und vielleicht dieses Jahr eher nass-trueb werden koennte.

Zum ersten Mal beschliessen wir, heute zum Mittag ein Feuer zu machen um uns aufzuwaermen. Joe zaubert etliche Beutel mit Tassensuppen hervor und bald schon waermen wir Finger an Schuesseln und fuellen Maegen mit suesslichen Pulver-Tomatensuppen. Ich gehe zum Boot, um zu sehen, wie sich unsere Galleonsfigur Pusheen macht bei diesem Wetter, doch ihr scheint es wirklich nichts auszumachen.

Am fruehen Nachmittag machen wir wieder Halt. Hier waere die letzte sinnvolle Moeglichkeit eines weiteren Lagers. Weiter flussabwaerts sind sie meisten Gebiete in Privatbesitz oder anderweitig geschuetzt, sodass dort nicht gejagt werden darf. Es ist noch frueh genug am Tag, dass wir unseren Endpunkt Carmacks heute erreichen koennten. Hier muessen wir uns entscheiden.

Ich freue mich einerseits auf eine Nacht ohne Maeseschuhplattler neben meinen Ohren, andererseits vermisse ich die Zivilisation nun wirklich noch nicht und wir haben noch Zeit, bis wir wieder arbeiten muessen. Allerdings sind die Chancen auf Jagdglueck durch eine weitere Nacht nicht unermesslich hoeher; wir schippern den gleichen Weg entlang, nur zu einer anderen Uhrzeit. Ausserdem haette das letzte Lager jetzt auch einen Beigeschmack nach Abschied. Die dicker werdende Wolkendecke scheint uns fast zur Abreise ueberreden zu wollen. Tyrel will nach Hause. Also fahren wir.

Schliesslich sehen wir die Bruecke von Carmacks. Wir sind vor ein paar Tagen an der ersten Bruecke gestartet und steigen nach einigen hundert Kilometern an der zweiten Bruecke wieder aus.

In der Zivilisation. Es scheint noch grob alles so zu funktionieren wie vor einer Woche. Komischerweise habe ich keinen speziellen Heisshunger und frage daher Tyrel, ob er auf etwas Spezielles Lust haette. Pizza! Es werden zwei Tiefkuehl-Pizzas gekauft, natuerlich aus Deutschland importiert wie fast alle Pizzas hier.

Joe wuerde eigentlich von James abgeholt werden, der erstmal fuer drei Stunden hierher fahren muesste. Natuerlich fahren wir ihn nach Hause, auch wenn wir dafuer gute zwei Stunden laenger unterwegs sein werden. Nach kurzer Fahrt kommen wir in ein Unwetter von Eisregen, was die naechsten hunderte Kilometer anhalten wird, bis wir Joe abliefern. Mittlerweile sind wir beide so gierig nach Pizza, dass wir auf dem Weg nach Hause online riesige Pizzas bestellen und dann in der Stadt abholen. Zu Hause angekommen koennen wir uns so motivieren, bei Eisregen schnell den ganzen Truck auszuraeumen und unsere Ausruestung ins Haus zu schaffen. Denn anschliessend goennen wir uns unsere Pizzaberge, bevor wir gegen 2 Uhr morgens ins Bett fallen.

Am naechsten Morgen sehen wir den ersten Gruss vom Winter. Er hat uns vermisst und ist froh, dass wir wieder da sind. Daher hat er angefangen, die Landschaft herauszuputzen.

Wir holen unser Auto vom Startpunkt ab und essen dort im Restaurant eine leckere Suppe mit frischem Brot. In der Stadt waschen wir drei grosse Saecke Waesche und kaufen ein.

Und am naechsten Tag veranstalten wir einen Waffelabend mit Joe und James und verspeisen Tuerme von Waffeln mit Bratapfelmarmelade, roter Gruetze, Eis, Schokosauce, Ahornsirup und Apfelmus und lachen dabei aus tiefstem Herzen.

Wie ein bisschen Reduktion so gluecklich machen kann.

Flusstrip 2018: Tag 4

Heute morgen zeigt das Thermometer nur -8 Grad an. Durch eine frische Brise fuehlt es sich jedoch um einiges kaelter an. Ich misstraue dem Messergebnis und stelle das Thermometer auf einen etwas abgelegenen Baumstumpf, auf den die Waerme des Feuers mit Sicherheit nicht strahlt. Das hat wohl auch geklappt. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, da ich das Thermometer nicht wiedergefunden habe. Es wird jetzt wohl den ganzen Winter fleissig messen und Ende Juni 2019 die ersten Touristen verwundern.

Dann wieder packen, fruehstuecken, los. Nicht nur ein Thermometer lassen wir zurueck, sondern auch wieder Berge an Feuerholz. Man weiss nie, wer als naechstes an diesen Platz kommen wird; ob er oder sie vielleicht durchnaesst oder kalt ist. Fest steht, dass die wenigsten Flussbesucher eine Kettensaege im Gepaeck haben.

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Mit dem Holzhaufen, den wir zuruecklassen, koennen mehrere Lagerfeuer entzuendet werden.

Auf dem Fluss gilt es nach Tieren Ausschau zu halten. Sich anhand der Karte zu orientieren und Notizen zu machen. Die Umgebung einzusaugen und versuchen so viel wie moeglich zu speichern von der Gelassenheit. Was hier passiert, passiert einfach. Und dann wird besonnen darauf reagiert. Ich merke, wie meine Bewegungen gleichfoermiger geworden sind. Die Schritte sind langsamer, aber sicherer.

Es gibt hier keine Termine, keine Hast. Denn durch Eile geschehen Fehler, die man sich hier nicht leisten kann.

Wir haben schon drei noch warme Feuerstellen in Ufernaehe schwelen gesehen. Weitere Jaeger muessen uns ein bisschen voraus sein. Ansonsten seit zwei Tagen keinen anderen Menschen gesehen. Wenn ein Krieg, eine Wirtschaftskrise oder die Pest ausgebrochen ist, wir wissen es nicht. Fuer uns zaehlen andere Dinge. Wie frisch sind die Schwarzbaerenspuren am Ufer? Sind die Wolken am Horizont so leicht wie sie aussehen oder bringen sie Schnee? Sind die Wellen vor uns aufgebracht durch grosse Felsen im Flussbett oder ist das Wasser dort einfach seichter?

Waehrend ich nach Bewegungen Ausschau halte, verfalle ich in suesse Tagtraeume. Ich betrachte mein Leben moeglichst neutral und frage mich, was ich noch verbessern kann. Eine Sache faellt mir ein, ich sollte mich mehr dehnen. Erste Erfolge konnte ich bereits erzielen durch regelmaessige Dehnuebungen, doch dann fing ich mit dem Laufen an und alles wurde wieder unbeweglicher. Voll egal, dann fang ich einfach nochmal von vorne an.

Am Ende des Tages erreichen wir Hootalinqua, wo die Fluesse Yukon und Teslin ineinanderfliessen. Das transparente Wasser des Teslin weicht dem tuerkis-flaschengruen des Yukon und ich fuehle mich durch diese besondere Farbe schon sehr heimisch. Zur Goldrauschzeit vor einem guten Jahrhundert war hier ein wichtiger Handelsstuetzpunkt und eine Polizeistation. Goldgraeber kamen von weit her, um ihre Claims zu registrieren und Trapper tauschten Felle gegen Gebrauchsgegenstaende. Da in heutiger Zeit die Stelle sehr beliebt zum Lagern ist, gibt es so gut wie kein Feuerholz mehr in der Umgebung. Wir haben bei der letzten Flussbiegung Halt gemacht und uns genuegend Holz fuer die Nacht und den Morgen mitgebracht.

Zum Abendessen gibt uns Joe jedem ein Grizzly Chilli Wuerstchen ab. Zum Nachtisch gibt es noch eine Scheibe Christstollen. Das Leben ist gut. 🙂

Flusstrip 2018: Tag 2

Die erste Nacht ausserhalb der Zivilisation. Unbedingt wollte ich Sterne gucken, der Himmel war nicht bewoelkt. Das fuehrte allerdings auch dazu, dass keine waermende Wolkendecke vorhanden war. Somit war meine Brille bald voller Kondenswasser vom Atmen, sowie Eiszapfen an den Fusseln meiner Muetze.

Geschlafen habe ich trotzdem gut. Ich wurde nur zweimal wach, weil Maeuse ueber unsere Plane gelaufen sind. Das Geraeusch bin ich zum Glueck nicht gewohnt von zu Hause.

Aus dem Schlafsack geschaelt ueberpruefe ich als erstes das Thermometer. Wie kalt ist dieser frische Morgen?

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Minus 12 Grad zeigt das Thermometer am fruehen Morgen.

Joe ist schon vor uns wach geworden und hat ein Feuer gemacht. Das restliche Wasser von gestern in unseren Toepfen ist natuerlich komplett gefroren und braucht einige Zeit, bis es kocht. Inzwischen stopfen wir Schlafsaecke und Zubehoer wieder in Stausaecke und Kisten. Wenn wir in Bewegung bleiben, wird uns auch schoen warm.

Zum Fruehstueck goenne ich mir Kaesenudeln. In diesem Jahr habe ich ja eine groessere Auswahl mitgenommen, was das Essen anbelangt. Da habe ich wenig Bedenken, dass mir die Nudeln morgen schon zum Hals raushaengen werden.

Nach dem Fruehstueck tragen wir Ausruestung herunter zum Fluss, um das Boot zu beladen. Eine wunderschoene Morgenstimmung erwartet mich.

Ein schwarzer Fleck ist irgendwie in meine Kamera gekommen und bereichert jetzt meine Bilder. Mal sehen, ob ich das zu Hause irgendwie beheben kann.

Als der Nebel sich etwas lichtet, fahren wir los mit dem Boot. Joe laesst uns einen guten Vorsprung. Falls der Motor aufgeben sollte, sagt er. Gut mitgedacht, wir hoffen aber, aus eigener Kraft zum Ziel zu kommen.

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Die Sonne scheint und vertreibt langsam den Nebel.

Der Motor merkt anscheinend, dass ihm nicht ganz vertraut wird. Eine Stunde lang treibt er das Boot zwar an, macht dabei aber merkwuerdig unbestaendige Geraeusche. Ploetzlich aber laeuft er astrein. Wir freuen uns, wahrscheinlich hat sich etwas geloest, freigebrannt oder sonst was. Dann nichts mehr. „Jetzt ist das Benzin alle.“ stellt Tyrel fest. Doch Benzin und Oel ist ausreichend vorhanden. Der Motor springt nicht wieder an, wir paddeln zum Ufer. Tyrel moechte den Vergaser reinigen, das hat schon einmal geholfen.

Bald schon schliesst Joe zu uns auf. Zusammen entfache ich mit ihm ein Feuer, damit Tyrel seine Haende waermen kann waehrend der Reparatur. Es ist schliesslich unter Null und ein bisschen windig.

Nach der Saeuberung des Vergasers machen wir uns wieder auf den Weg. Joe wartet lieber am Feuer, jetzt erst recht. Der Motor laeuft prima, wir hoffen, dass es jetzt auch so weiterlaeuft.

Doch die Hoffnung waehrt nur ungefaehr eine Stunde. Dann proeppelt es wieder hinter dem Boot. Bis das Geraeusch ganz aufhoert. Tyrel gleicht die Stille mit wilden Fluechen aus. Ich bin ganz gelassen. Wir sind hier draussen, wir haben einen Freund hinter uns auf dem Fluss, es koennte doch echt schlimmer sein. Wir holen unsere Paddel raus und verbrennen reichlich Kalorien, waehrend wir unseren naechsten Lagerplatz anpeilen. Joe laesst sich nicht blicken, vielleicht hat er heute eher sein Lager aufgeschlangen oder gar Jagderfolg gehabt.

Einige Zeit spaeter hoeren wir leises Motorgeraeusch hinter uns und koennen dazu einen orangenen Fleck erkennen. Das muss Joe sein. Wir halten den Daumen aus dem Boot, wollen jetzt gern per Anhalter fahren. Natuerlich hilft er uns gern aus der Patsche. Wir werfen ihm unser Tau zu und er schleppt uns fuer die restliche Stunde des Tages ab.

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Joe’s 5 PS Motor zieht jetzt sein Gummiboot und unser Aluminiumboot.

Ein bisschen albern komme ich mir schon vor, so abgeschleppt zu werden. Letztes Jahr haben wir doch den ganzen Fluss nur mit Muskelkraft bepaddelt. Allerdings war das im Kanu auch viel einfacher als im Aluboot. Tyrel kommt sich glaube ich noch dooefer vor und schimpft. Da gebe ich mich lieber meinen Tagtraeumereien hin, heute denke ich schon den ganzen Tag an Suppe. Wie lecker, wie waermend und schmackhaft, vor allem im Winter. Zu Hause werde ich viel schoene Suppen kochen, das habe ich mir fest vorgenommen. Habt ihr ein tolles Rezept fuer mich? 🙂

Heute kommen wir alle zusammen am Lagerplatz an, daher sichern wir uns ein Plaetzchen am Feuer. Eine Plane wird schraeg gespannt um Niederschlag abzuhalten und eventuell sogar etwas Waerme zu fangen in den Nacht. Vielleicht ist meine Nase dann nicht so kalt, wenn ich morgen frueh aufwache.

Von unseren Essensvorraeten ist Joe alles andere als begeistert – er hat schliesslich Koch gelernt und spaeter 20 Sommer lang Kanutouren im Yukon gefuehrt und bekocht. Wir haben vor allem Fertigzeug mit, bis auf die selbstgemachten Muesliriegel. Zur Ehrenrettung habe ich ihm heute morgen davon schon eine Ration mitgegeben. Doch er behauptet, da gabs ein grosses Problem mit den Riegeln: Sie waren zu schnell alle! Schnell fasse ich den Entschluss, auf dieser Reise vor allem Joe mit den Riegeln zu versorgen. Als Dankeschoen fuer die viele Hilfe. Doch auch wir muessen heute nicht darben. Joe laedt uns zum Essen ein, er bringt immer viel zu viel mit, behauptet er. Heute gibt es also ganz dekadent in Kaese erstickte Gnocci zu Elchwuerstchen.

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Elchwuerstchen, Gnocci, Kaese und Pfeffer – die Zutaten zur Glueckseligkeit an diesem Tag.

Wie meine Freundin Anna jetzt sagen wuerde: Mir ist, als ob mir Englein in den Mund pinkeln! Wie kann ich denn am zweiten Tag der Tour schon so voller Glueck sein ob der unerwarteten Leckerei? Vielleicht, weil ich Fertiggerichte nicht gewohnt bin. Oder, weil man ja eigentlich immer die Moeglichkeit hat, sich was Leckeres zu essen zu beschaffen. Im schlimmsten Fall muss man ein paar Stunden warten. Doch hier gibt es diese Moeglichkeit nicht. Alles, was uns zur Verfuegung steht, ist in unserem Boot.

Heute bin ich sehr dankbar. Ich hoffe, dass ich diese eigentlich kleinen Umstaende in meinem Alltag in Zukunft auch zu wuerdigen weiss und freue mich schon auf die naechsten Tage. 🙂

 

Flusstrip 2018: Mehr Vorbereitungen und Tag 1

Der letzte Beitrag mit etwas chaotischen Vorbereitungen endete mit dem Dienstag vor der Abreise. Es folgen die weiteren Vorbereitungen bis zum Abreisetag, sowie der erste Tag auf dem Fluss.

Vorbereitungen:

Mittwoch: Wir haben Besuch und essen Baerenbraten; Tyrel repariert hustend den Motor und ist sich sicher, dass er jetzt gut funktioniert.

Donnerstag: Tyrel wird kraenker. Ich verweigere, den Motor auf dem See zu testen und koche stattdessen ueber Nacht im Slow Cooker eine Huehnersuppe.

Freitag: Nach einer nahezu schlaflosen Nacht fiebert Tyrel und ist elend. Ich floesse ihm Suppe und Tee ein.

Samstag: Irgendwann abends mobilisiert Tyrel ausreichend Kraefte, sodass wir unseren Truck zum Zielort Carmacks fahren koennen. Auf der Rueckfahrt verlangt er erst nach Orangensaft und schlaeft dann fuer den Rest. Eigentlich wollten wir heute abend schon zum Startpunkt fahren und dort eine Nacht schlafen, aber das koennen wir knicken.

Sonntag: Tyrel fiebert nicht mehr aber hustet ganz schlimm, sobald er sich bewegt. Wir beschliessen, heute noch auszuruhen. Auf dem Fluss gibt es naemlich keine Hilfe, falls irgendwas schlimmer wird. Das Auto ist gepackt und wartet auf Tyrels Genesung. Nachmittags probieren wir dann doch den Motor auf dem See aus, klappt super! 🙂

Tag 1 auf dem Fluss:

Eigentlich wollten wir um 6 Uhr morgens losfahren, Tyrel hat einen dementsprechenden, naechtllichen Wecker gestellt. Als dieser jedoch klingelt, wird er ausgestellt ohne dass Tyrel sich zum Aufstehen bewegen kann. Ich protestiere jedenfalls nicht, predige ich ihm doch immer noch, dass er Ruhe braucht und sich kaum welche goennt.

Ca. 2,5 Stunden spaeter als geplant verlassen wir schliesslich das Haus. Das Auto ist ja schon gepackt, wir praktisch! Leider konnten wir unsere Leinenueberzuege fuer unsere Schlafsaecke nicht finden. Die sind aber wichtig, falls wir in der Naehe eines Feuers schlafen, denn ansonsten sind die teuren Schlafsaecke durch Funkenflug schnell ruiniert. Ich ueberzeuge Tyrel, in der Stadt Leinenstoff zu kaufen, damit ich die Ueberzuege auf der Autofahrt zusammennaehen kann. Er ist nicht ueberzeugt, dass das klappen wird, kauft den Stoff aber trotzdem.

Bei mir stellt sich eine Gier nach Burgern ein. Ich halte es fuer wichtig, dass eventuelle Gelueste noch vor einem mehrtaegigen Wildnistrip gestillt werden. Tut man das nicht, kann das Verlangen unertraeglich werden. Jedenfalls, wenn man so gerne isst wie ich. Tyrel ist einigermassen ueberzeugt von meinen Argumenten und ich senke meine Zaehne noch ein letztes Mal in einen Burger ohne Broetchen aber dafuer mit Salat umwickelt. Das kann man hier ohne Aufpreis dazubestellen, Burgerbroetchen fand ich schon immer zu pappig und suess.

Eine grosse Pulle Hustensaft wandert noch ins Auto, sowie zwei Karibu (Rentier) Abschussgenehmigungen. Unser Freund Joe kam erst von seiner Flusstour zurueck und hat gesehen, dass jemand ein Karibu geschossen hat. Fuer den Fall, dass statt Elch ein Karibu unsere Schusslinie kreuzt, wollen wir natuerlich vorbereitet sein.

Schliesslich geht es auf die Fahrt nach Johnson’s Crossing, unseren Startpunkt und Einstieg in den Teslin River. Waehrend ich fleissig Leinenbezuege naehe, fragt Tyrel, ob ich das nicht lieber spaeter im Camp machen moechte. Noe, sage ich, und naehe froehlich weiter. So lange brauche ich auch gar nicht, als ich fertig bin muessen wir noch ein ganzes Stueckchen fahren. Ungefaehr 30 Minuten vor unserem Zielort kommt uns James entgegengefahren in Joes Truck samt Anhaenger. Das heisst Joe hat sich wahrscheinlich gerade von James absetzen lassen und ist auf dem Fluss! Mal sehen, ob wir ihn treffen. Kommt auf seine und unsere Strategie an, die meisten wollen am ersten Tag ordentlich Kilometer machen, um alle Tages- und Wochenendjaeger hinter sich zu lassen, die zum Ausgangspunkt zurueckkehren.

Zunaechst muessen wir bei dem Motel Bescheid sagen, dass wir unseren Wagen dort fuer ungefaehr eine Woche parken wollen. An der Rezeption lachen Tyrel dann frische Haehnchenfluegel und mich ein riesiger Keks mit Schokostueckchen an, die nehmen wir auch noch mit zur Staerkung bevor wir das Boot zusammenpuzzeln. Obwohl es Montagnachmittag ist, werden etliche Boote ins Wasser gelassen. An der Stelle des Flusses gibt es eine Betonrampe, mit der man seinen Bootsanhaenger direkt ins Wasser fahren kann, um da das Boot ins Wasser zu lassen. Wir mit unserem vollgepackten Kombi, auf dessen blosses Dach ein Aluboot geschnallt wurde, sind hier irgendwie Exoten.

Eine gute Stunde dauert es, bis wir alles ins Boot gestopft haben. Das System entsteht dabei meist in Tyrels Kopf und ich gebe ihm solange verschiedene Kisten und Utensilien, bis er zufrieden ist. Und dann ist es auch schon Zeit um die Annehmlichkeiten der Zivilisation hinter sich zu lassen.

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Ich stehe an unserem Startpunkt vor dem vollgepackten Boot und lasse die imaginaeren Muskeln spielen.

Meine Haare habe ich mir dieses Jahr in viele kleine Zoepfe geflochten. Letztes Jahr hatte ich sie in zwei losen Zoepfen, was mir am Ende eine grosse Filzplatte auf dem Kopf bescherte.

Dieses Jahr fahren wir nicht alleine, wir haben eine Galleonsfigur am Bug angebracht.

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Die Pluesch-Katze Pusheen begleitet uns samt Regenbogen-Maehne und Einhorn.

Tyrel und ich hieven das Boot ins Wasser. Ich setze mich hinein, Tyrel schiebt es noch weiter ins Wasser und kommt nach. Und wir sind unterwegs.

Ich benutze mein Paddel und navigiere uns stormabwaerts und weg vom Ufer. Tyrel laesst den Motor ins Wasser und startet ihn. Wir lassen den Motor warmlaufen, sicher ist sicher und heute ist ein kuehler Tag. Dann legt Tyrel den Gang ein und wir tuckern ganz langsam den Fluss herunter.

Im Kanu letztes Jahr sassen wir hintereinander, dieses Jahr koennen wir nebeneinander sitzen, das ist schoen. Tyrel drueckt mir die Flusskarte in die Hand. „Du navigierst uns dieses Jahr. Zweites Mal auf dem Fluss, mehr Verantwortung!“

„Okay… Immer flussabwarts, bis ich Stopp rufe.“ navigiere ich vor mich hin. Wozu braucht man eigentlich ne Karte, man weiss doch wo der Fluss langfliesst. „Weisst du, wo wir auf der Karte sind?“ fragt Tyrel nach ein paar Minuten. „Hmmm, entweder in dieser oder dieser Biegung…“ „Es ist aber wichtig zu wissen, wo wir sind. Auf der Karte sind flache Stellen und Steine im Fluss eingezeichnet, die einen in ernste Schwierigkeiten bringen koennen. Ausserdem sind die Lagerplaetze verzeichnet, abends sollten wir nicht an unserem naechsten Lagerplatz vorbeifahren. Der naechste koennte weit weg sein.“ erklaert Tyrel.

Fortan suche ich die Umgebung nach Steilhaengen, Felspfeilern und Prallhaengen ab und vergleiche mit der Karte, die sich in einem grossen Gefrierbeutel befindet. Zusaetzlich halte ich natuerlich nach Tieren Ausschau, ueberpruefe die Wassertiefe und schaue, ob vor uns Gefahren im Wasser lauern koennten.

Nach ein paar Stunden auf dem Wasser finden wir beide, dass es Zeit fuer die erste Pause ist. Wir steuern eine Insel an, die wir letztes Jahr ausgiebig erkundet haben. Ich finde es ist Zeit fuer eine Pause, weil ich so endlich den Mittagsproviant probieren kann. Zuhause habe ich backblechweise fleissig gebacken: Zwei Tassen Mandeln, eine Tasse Erdnuesse, eine Tasse Puffreis, einen halben Teeloeffel Salz und eine halbe Tasse Ahornsirup vermengen, auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech geben und bei 160 Grad Celsius ca. 30 bis 40 min backen. Ober- Unterhitze, hier gibts meist kein Umluft und eine Tasse fasst ca. 250 ml. Bessere Riegel hab ich bisher noch nicht gegessen und ich hab schon einige Rezepte selbst ausprobiert.

Weiter gehts auf dem Fluss, wie schoen dass jetzt ein paar schoene Tage vor uns liegen! Mit einem Patpatpat untermalt der Motor unsere Aufbruchstimmung. Komischerweise wird daraus gleich darauf ein proetproetproet und dann Stille. „Kein Problem, das Benzin ist bestimmt leer“ beruhigt Tyrel.

Doch Benzin ist noch genug drin. Oel auch. Tyrel versucht den Motor wieder zu starten und zieht mehrmals heftig an der Starterschnur. Der Motor springt wieder an, die Stimmung ist jedoch gedaempft. „Lass uns bald nach einem Lagerplatz Ausschau halten.“ schlaegt Tyrel vor und ich stimme zu. Nach zwei weiteren Flussbiegungen zeigt die Karte auf der rechten Seite eine Lagermoeglichkeit an. Langsam naehern wir uns und ein orangener Punkt ist entfernt genau dort auszumachen. „Das ist Joe!“ ruft Tyrel ueberzeugt. Ich Maulwurf bin noch nicht ueberzeugt. Wir kommen immer naeher, da kann auch ich ausmachen, dass der orangene Punkt ein Gummiboot ist, wie ich es schon bei Joe gesehen habe. Dass Joe jetzt neben seinem Boot steht, hilft mir bei der Identifizierung ungemein. Wir steuern auf das Ufer zu um zu plaudern.

„Heute hab ich frueh Feierabend gemacht, es ist schon alles bereit und das Feuer brennt. Es ist genug Platz fuer euch, wenn ihr wollt.“ „Nur, wenn es dich nicht stoert!“ „Ach, Quatsch, ich hab eh mein Buch zu Hause vergessen.“

Das Boot am Ufer vertaeut ueberlegen wir, was jetzt in welcher Kiste war und was wir fuer das Lager brauchen. Tyrel schnappt sich die Kettensaege und macht etwas Feuerholz. Joe hatte naemlich kein Benzin mehr in der Kettensaege und wollte mal gucken, ob das bereits Gesaegte vielleicht zum Fruehstueck am Morgen reicht. Waehrenddessen suche ich eine ebene Stelle im Waldboden und beaeuge die umliegenden Baeume. Mit ein paar Bungeeseilen und Gurten spanne ich eine Plane zwischen den Baeumen. Eine Seite ist die tiefste, damit eventueller Niederschlag ablaufen kann. Unter der Plane breite ich eine weitere Plane auf dem Boden, auf der wir schlafen werden. Darauf die Unterlagen, Schlafsaecke im heute morgen genaehten Leinen-Ueberzug und die Innenschlafsaecke. Ich sehe auf mein Werk und bin ganz zufrieden mit mir. Das haette ich letztes Jahr noch nicht ohne Weiteres alleine geschafft.

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Es sieht nur dahingeworfen aus, ist aber eine funktionierende Lagerstaette mit System.

Auch Tyrel ist zufrieden und lobt mich. Am Feuer koennen wir heute nicht schlafen, dafuer reicht der Platz da nicht aus. Aber ich freue mich schon auf die erste Nacht im Freien seit langem.

Als die Sonne untergeht, erhitzen wir Wasser ueber dem Feuer. Wir haben eine ganze Menge Fertiggerichte von Knorr mitgebracht; so erhoffen wir uns mehr Abwechslung als die Kaesenudelodysee von letztem Jahr. Wieder schuetten wir das Fertiggericht in einen Plastikcontainer zusammen mit heissem Wasser und lassen das ganze fuer einige Zeit eingepackt in meiner dicken Jacke quellen. Heute esse ich Honig-Knoblauch-Nudeln und die sind gar nicht mal so schlecht. Noch lange sitzen wir am Feuer und erzaehlen uns gegenseitig ernste und lustige Geschichten aus unseren Leben.

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Ein warmes Feuer vor Baumsilhouetten, Abenddaemmerung und Spiegelungen im Fluss.

Ich reisse mich vom Feuer und der Gesellschaft los und gehe noch einmal hinunter zu den Booten am Fluss. Wie schoen friedlich und einfach diese Welt doch sein kann.

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Grau-orange Abendstimmung am Fluss im Niemandsland.

Heute werde ich bestimmt gut schlafen. 🙂