Ich liebe die Zeit der kurzen Tage und langen Naechte.
Draussen geht nicht mehr allzu viel – es ist kalt und dunkel. Der Garten schlaeft, der Fluss erstarrt, der Schnee macht sogar das Wandern muehsehlig.
Es ist eine Zeit, die zur Einkehr und Langsamkeit anregt und manchmal sogar zwingt.
Mit der Sommersonnenwende und kurz darauf dem neuen Kalenderjahr beginnt wieder ein neuer Abschnitt. Die Tage werden wieder laenger. In ca. fuenfeinhalb Monaten wird auch der Schnee schmelzen.
Doch zunaechst ist noch Zeit zum einfach nur Sein.
Arma macht vor, wie man lange Winternaechte verbringt: Ausgestreckt auf dem Sofa bei einem Feuer und nicht zu grellem Licht.
Anfang Januar 2022 wusste ich schon, dass etwas mit meiner Schilddruese nicht stimmt und mir eine ungewisse Gesundheitsreise bevorsteht. Das Thema Gesundheit hat sich durch ganz 2022 gezogen und ist immer noch nicht ganz abgeschlossen. Aber es geht mir bedeutend besser und ich habe das Gefuehl, dass sich das Thema bald ganz in den Hintergrund rutschen darf.
Leider musste ich meinen ganz grossen Traum fuer 2022, den 80 km Berglauf, im Zuge der Gesundheitsthemen an den Nagel haengen. Das hat mich sehr traurig gemacht, da ich seit August 2020 jede Woche stundenlang dafuer trainiert hatte. Auch die Tatsache, dass ich vorerst nicht mehr laufen konnte, war sehr hart fuer mich. Laufen verband ich immer noch mit den Worten anstrengend und schwierig, aber gleichzeitig hatte es mir viel Energie und Lebensfreude spendiert.
Trotzdem stecken ja in den meisten Herausforderungen, die das Leben so mit sich bringt, immer Chancen. Wenn ich jetzt zurueckblicke, fallen mir spontan drei Dinge ein, die ohne Laufpause nicht geschehen waeren.
Zum einen hat es mich dazu gebracht, seit Juli mindestens zweimal woechentlich ins Fitnesscenter zu gehen und schwere Gewichte zu stemmen. Vor Jahren habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder ins Fitnesscenter gehe. Mir gefaellt Sport, den ich alleine und draussen ausueben kann. Dreimal habe ich in meinem Leben schon ein Abo fuers Fitnesscenter abgeschlossen und bin dann nach kurzer Zeit nicht mehr hingegangen. Diesen Fehler wollte ich nicht ein viertes Mal begehen.
Doch dann bezahlte ich meinem Physiotherapeuten viel Geld dafuer, dass er mir mit meiner Schienbeinproblematik hilft. Und er riet mir dringend dazu, schwere Gewichte im Fitnesscenter zu stemmen. Ich hatte zwar zwei- bis dreimal pro Woche Kraftsport Zuhause oder im Buero gemacht, doch angeblich muesse man andere Saiten aufziehen, um mehr Muskelmasse aufzubauen.
Also brach ich mein Versprechen mir gegenueber, nicht mehr ins Fitnesscenter zu gehen. Nachdem ich fuenf Monate lang regelmaessig hinging und mehrere Zehnerkarten verbriet, holte ich mir sogar wieder eine Mitgliedschaft.
Meinen Schienbeinen geht es bedeutend besser. Jedoch weiss ich nicht, ob das jetzt am Gewichteheben liegt oder daran, dass einiges an Zeit vergangen ist. Aber ich merke andere Verbesserungen. Mein Ruecken ist so beschwerdearm wie seit Jahren nicht, meine Bewegung und Haltung verbessern sich und ich kann saemtliche schwere Alltagsaufgaben selbst erledigen, die ich sonst gern Tyrel ueberliess. Zum Beispiel einen vollen 20 Liter Wasserkanister ueber Kopf heben und oben ins Regal stellen. Das wiederum macht mich stolz – ich bin gerne stark! 🙂
Bei unter -40 Grad Aussentemperatur sammelt sich Wasser auch gern an Fensterscheiben im Haus. Statt schoenen Eisblumen hier zu sehen im Stil eines unleserliches Logos einer Black Metal Band.
Die zweite Sache, die mit unternehmungslustigeren Beinen 2022 wohl nicht passiert waere, ist mein Gartenhuettenausbau. Wobei da zwei Faktoren zusammenkamen, um genuegend Motivation zu buendeln: Kaputte Beine und ein anstehender Besuch von Freunden aus Deutschland, die auch tatsaechlich darin uebernachten wollten.
Huetteninnenausbau – noch nicht ganz fertig, aber gemuetlich.
Der Ausbau und vor allem der Einbau der Feuerstelle samt Frischluftzufuhr und Kamin hat mich ganz schoen Zeit und Nerven gekostet. Aber es hat sich wirklich gelohnt: Ich habe viel gelernt, Erfahrung gesammelt und mir selbst meinen ganz eigenen Rueckzugsort geschaffen.
Der letzte Aspekt des letzten Jahres, der ohne schmerzende Beine so nicht stattgefunden haette, sind meine Wasseraktivitaeten, das Rafting.
Vor grossen Wassermengen habe ich gehoerigen Respekt. Bis vor kurzem waren sie mir sogar noch unheimlich. Diese unvorstellbaren Kraefte, die im Fluss walten und manchmal ganz geraeuschlos an einem vorbeigleiten. Wenn man die Augen schliesst, koennte ich nicht erahnen, was fuer eine Naturgewalt genau vor mir fliesst und seit Tausenden Jahren Leben spendet und Landschaften formt.
Ruhiger Fluss bei strahlendem Sonnenschein.
Das tiefe Wasser im Laufe des Jahres seine Bedeutung fuer mich veraendert. Am Tag des Raftingtrips mit meinen Freunden, als wir mit dem grossen Raft absichtlich gekentert sind und ich danach noch zweimal freiwillig in den Wildwasserfluss sprang, da habe ich es gefuehlt.
Das Wasser will mir nichts Boeses. Es wartet nicht auf eine Gelegenheit, mich heimtueckisch zum Ertrinken zu bringen. Es ist einfach, buchstaeblich, im Fluss und weiss ganz ohne Nachzudenken, wo es hinwill.
Ob ich mit meinem Gummiboot obendrauf schwimme, oder mit Trockenanzug und Helm durch die Stroemung purzle, es macht fuer das Wasser keinen Unterschied.
Es hat sich fuer mich angefuehlt wie der Lebensstrom, das Universum. Wir koennen uns noch so wichtig nehmen mit unserem Leben, unserem freien Willen und unserer Selbstbestimmtheit. Manche Dinge passieren einfach. Und oft lenken sie uns auf eine Bahn, die letztendlich zu unserem Wachstum fuehrt.
In diesem Sommer moechte ich mehr Zeit am Wasser verbringen. Ich moechte lernen, die Stroemung und eventuelle Gefahren besser einschaetzen zu koennen. Ich glaube, die Zeit am Wasser in der Natur hilft mir, meinen eigenen Lebensstrom besser nachzufuehlen.
Mein Boot und ich – einfach mal treiben lassen.
Doch es wird noch eine Weile dauern, bis der das Eis und der Schnee auch nur daran denken, sich zu verfluessigen. Solange geniesse ich das Wasser in seiner festen Form, laufe Ski und erfreue mich an den schoenen Aussichten, die sich mir bieten.
Geheimnisvolle Dezembersonne.Frostige Baeume in der Stadt Whitehorse.Rosige Stimmung vor dem Sonnenaufgang der Wintersonnenwende.Arma, frostig-vergnuegt.
Ich wuensche euch allen ein gutes Jahr 2023 mit vielen lichten Momenten!
Lang ist’s schon wieder her, dass meine Freunde Anke und Jens zu Besuch waren. Doch mit den Wochen ist die Hektik des Sommers und des Herbstes den langen, kalten Winternaechten gewichen.
Zeit fuer ein Update. Und wo koennte man besser ansetzen als da, wo man aufgehoert hat?
Anke war so lieb und hat zusammengefasst, wie sie ihren Urlaub im Yukon empfunden hat.
Wie heißt es so schön: Wenn einer eine Reise tut, kann er was erleben
Das können wir dieses Jahr gerne so unterschreiben.
Nach einem aufregenden Hinflug, der, wie für viele Reisende in diesem Jahr, eine Flugverspätung für uns im Gepäck hatte, eine ungeplante Übernachtung in Vancouver und einen Extra-Flugticket-Kauf, sind wir in einem wunderschönen Kanadaherbst gelandet. Leider hat uns diese extratour eine Nacht in Deiner tollen Guestcabin gekostet – aber das holen wir auf jeden Fall nochmal nach
Flug ueber eisige Welten.Gartenhuette – bereit fuer den Uebernachtungsbesuch!
Das Wetter meinte es die ganze Zeit wieder super gut mit uns, es war ein Herbst wie aus dem Bilderbuch. Da wir dieses Mal ja auch nicht so lange da waren, war es doppelt schön, dass wir die Tage auch alle richtig schön draußen auskosten konnten!
Wir haben wieder ganz entspannt unsere Wander- und Trödelrunden gedreht, die Sonne und die Ausblicke genossen.
Sonne, Berge, See – was will man mehr?
Dabei haben wir einige Punkte besucht, die wir vom letzten Mal schon kannten, die uns aber gut gefallen haben und einen zweiten Besuch verdient haben.
Dazu gehörten unter anderem:
Ein Besuch im Wildife Preserve – der uns dieses Mal sogar mit einem Blick auf die Luchse verwöhnt hat
Pinselohriger Luchs im Wildtiergehege.
Eine Auszeit in den Hotsprings – die echt mega schön geworden sind nach dem Umbau
Ein Tag in Carcross – mein persönlicher Seelenstreicheltag! Ein Tag mit Sonne, Aussicht auf Berge mit leicht verzuckerten Spitzen und einem Spaziergang am Strand. Mehr geht nicht!
Sandstrand nahe Carcross.
Eine Runde direkt am Yukon über den Miles Canyon, Bilder wie aus einem Werbefilm für den wilden Westen
Der junge, flaschengruene Yukon River bei Miles Canyon.
Neue Ziele und Entdeckungen:
Ganz vorne die Raftingtour mit Euch auf dem Tatshenshini! Für einen Wasseranfänger wie mich genau die richtige Mischung aus Sightseeing, sportlicher Aktivität und kalkulierten „Gefahren“! Jetzt kenne ich Rafting-Yoga (blöde Wetsuits …), kann auf Kommando durch Stromschnellen paddeln und einen Banana-Flip von einem Flip-over unterscheiden und bin mal wieder Stolz auf mich etwas Neues gemacht zu haben…
Spassige Paddeltruppe im Raft.Trotz den Wetsuits fanden die Wellen einen Weg in unsere langen Unterhosen.
Ein Kulturfest in Whitehorse besucht mit tollen musikalischen Eindrücken von Native Americans und einer Taiko-Gruppe (was uns besonders gefreut hat).
Rising Sun Singers, drei First Nations Frauen mit traditionellen Trommeln und Rasseln.Die japanischen Yukon Taiko Drummers trommeln mit vollem Einsatz.
Neue schöne Wanderrouten entdeckt u.a. den Sam McGee – Trail (hier nochmal ein extra Danke schön für die versteckten Möglichkeiten zum Verschnaufen! Ich bin froh das dort so viele unbekannte Pilze wachsen )
Verschnaufpause auf dem Weg zum Gipfel.Grandioser Ausblick auf den Tagish Lake mit alten Minenhinterlassenschaften im Vordergrund.
Was noch auf die „Sehr-Schön-Liste“ kommt:
Der tolle Tag mit Euch beim Grillen und mit Tyrel, der uns so einen spannenden Nachmittag auf der „Shootingrange“ bereitet hat und der Übernachtung in der von Dir so liebevoll gestalteten Hütte! Beim nächsten Mal bleiben wir länger
Jens hat das Ziel im Visier.
Die gechillte Bootstour ganz spontan am Nachmittag.
Ganz entspannt auf dem Takhini River.
Der kleine Gastkater der uns eine Nacht Gesellschaft geleistet hat.
Verschmuster Gastkater.
Die vielen netten Leute die wir in der Zeit kennengelernt oder getroffen haben und die damit verbundenen interessanten Gespräche!
Wie beim letzten Mal kann ich nur sagen: Es war wunderschön, erholend und erhellend und, so es klappt, sicher nicht der letzte Besuch bei Euch!
Vielen Dank Anke fuer diesen Rueckblick auf die schoene, gemeinsame Zeit!
Auch wir hatten viel Spass mit euch und freuen uns, dass wir nach all den Jahren immer noch im regen Austausch miteinander sind.
Fuer den naechsten Beitrag werde ich jedoch ein paar Winterbilder schiessen muessen – immerhin steht der erste Advent schon wieder vor der Tuer. 😉
Das oertliche College bietet Gartenhuetten zum Verkauf an. Die Huetten wurden als Lernobjekt von angehenden Zimmermannazubis errichtet und jetzt sollen sie an den Meistbietenden verkauft werden um die Materialkosten wieder reinzuholen.
Das Mindestgebot ist niedrig – wahrscheinlich beziehen sich die Materialkosten auf Preise vor 2020. Eventuell noch abschreckend ist die Tatsache, dass die Huette innerhalb von 72 Stunden nach Auktionsende vom Gelaende selbst abzutransportieren ist.
Tyrel und ich beschliessen, ein niedriges Gebot fuer jeweils eine Huette abzugeben – hoffentlich bekommen wir eine von beiden!
Huette 1: Satteldach, Tuer und Fenster auf gegenueberliegender Seite.Huette 2: Pultdach und Scheunentor.
Wir bekamen beide.
Die Kreditkarten gluehten. Doch wir waren uns einig, dass es eine sinnvolle Investition ist, die wir da taetigen. Ein wenig Ausweichraum ist vielleicht gar nicht schlecht, wenn man seit gut zwei Jahren mit Hund zusammen auf ca. 12 Quadratmetern lebt. Und so haette jeder seinen eigenen Raum, der je nach Belieben gestaltet werden kann. Tyrel schwebte ein Werkzeugraum mit Werkbank vor. Mir eher eine Art Studio mit Holzofen.
Der Umzug gestaltete sich abenteuerlich. Wir liehen uns einen geeigneten Anhaenger samt Truck. Dann mussten die Huetten per Winde knirschend auf den Haenger gezerrt und festgezurrt werden.
Der Schotter knirscht und die Huette naehert sich dem Anhaenger.
Wieder Zuhause angekommen stellte sich die Frage, wie Huette Nummer 1 vom Haenger runtergezogen wird. Es war nichts in der Naehe, woran man eine Winde befestigen koennte.
„Komm, wir machen es wie die Rednecks!“, schlug ich vor. Und gesagt getan, unser Truck wurde als Zugpferd eingespannt und zog die Huette vom Anhaenger. Dabei mussten wir uns beeilen, da es zu regnen anfing und wir uns nicht festfahren wollten, daher gibt es keine Bilder von der Aktion.
Ausserdem gab es noch die zweite Huette zu transportieren und es wurde bereits Abend.
Schliesslich war es stockdunkel, als wir mit Huette Nummer 2 Zuhause ankamen. Dieses Mal funktionierte meine Idee mit dem Truck nicht, da nicht genuegend Platz vorhanden war.
„Wie bekommen wir diese Huette jetzt vom Haenger?“, fragte ich Tyrel.
„Ganz einfach: So, wie die alten Aegypter es damals gemacht haben!“, antwortete er ganz selbstverstaendlich.
Nun dachte ich eigentlich, dass ich in der Schule ganz gut aufgepasst hatte, wenn wir im Geschichtsunterricht mal wieder das alte Aegypten besprachen. Aber wie die alten Aegypter damals Gartenhuetten vom Anhaenger runterbekommen haben, das wollte mir einfach nicht einfallen.
Waehrend ich meinen Kopf kratzte, zersaegte Tyrel einen Besenstiel in mehrere Rundhoelzer. Dann zauberte er eine riesige Brechstange hervor und hob die Huette damit an waehrend ich die Rundhoelzer vorsichtig unter die Huette plazierte. Tyrel sorgte mit der Brechstange fuer Anschub, bis der bewegliche Teil des Anhaengers kippte und die Huette die schiefe Ebene runterrollte. Die Huette stand nun mit einer Kante auf dem Feld und mit dem Rest noch auf dem gekippten Haenger.
Da wechselten wir unsere Strategie von „Aegypter“ zu „Magier“ und zogen den Anhaenger geschwind unter der Huette weg.
Umzug vollendet.
Tyrels Huettenausbau war einfach: Werkbank rein, Werkzeuge rein, Schloss vor, fertig.
Ich begann damit, Isolierung in die Waende zu stecken.
Huette von innen, Glasfaserisolierung wird zugeschnitten und an die Holzstaenderzwischenraeume angepasst.
Doch dann waren es ploetzlich -25 Grad und in unbeheizten Raeumen zu arbeiten machte wenig Spass.
Dann versank alles im tiefen Schnee.
Dann verbrachte ich jede freie Minute damit, fuer den Ultramarathon zu trainieren.
Dann war klar, dass ich den Ultramarathon nicht laufen koennen werde und ich versuchte den Sommer so gut wie moeglich zu geniessen.
Und dann… Dann war es Anfang August und ich schrieb mit meinen lieben Freunden Anke und Jens, die mich aus Deutschland besuchen kommen in weniger als einem Monat. Zweimal werden sie bei uns uebernachten.
Hmm…
Fuer sie waere es auch okay, im Zelt zu schlafen. Aber ich weiss: Wenn ich die Huette nicht vor ihrer Ankunft winterfertig kriege, dann steht sie einen weiteren Winter ungenutzt herum und ich aergere mich sieben Monate lang darueber, dass ich sie nicht rechtzeitig ausgebaut habe.
Also, vier Wochen lang Arschbacken zusammenkneifen und zimmern bis der Arzt kommt und sehr gestresst sein? Oder vier Wochen lang den kurzen Sommer geniessen und dann im Winter die Entscheidung bereuen?
Der geneigte Leser wird ahnen, dass ich mich fuer die stressige Variante entschieden habe. Wenn ich zwischen Stress/Erschoepfung und Reue waehlen muss, dann waehle ich Stress/Erschoepfung. „Was waere, wenn…“ oder „Haette ich doch mal…“, damit kann ich schlecht umgehen. Dann lieber mit nem Flachkoepper in das naechste Wahnsinnsprojekt.
Wobei diese Dinge immer in folgenden Phasen in meinem Kopf ablaufen:
Soo schwer kann das doch gar nicht sein. Ich muss doch keinen Raketenantrieb konstruieren. Dem Inschenoer ist nichts zu schwoer.
Ich eigne mir die Theorie an und fuchse mich ins Thema ein. Dabei habe ich einige Aha-Momente und alles klingt gut, logisch und machbar.
In der Praxis ist letztendlich doch alles ganz anders und einige Dinge gehen auch gruendlich schief. Hier verzweifele ich gern und moechte eigentlich alles hinschmeissen.
Ich bin komplett gestresst aber bin zu stur um tatsaechlich aufzugeben. Damit muesste ich mir naemlich eingestehen, dass Phase 1 nicht der Wahrheit entspricht.
Irgendwie kriege ich es tatsaechlich hin und verdraenge Phasen 3 und 4 nach einigen Wochen. Was in Erinnerung bleibt, sind Phasen 1, 2 und 5. Was mich in der Zukunft wieder dazu verleitet, Phase 1 einzulaeuten.
Gerade bin ich in Phase 4. Mein Koerper droht mir schon mit einer bevorstehenden Erkaeltung, falls ich mein Pensum nicht zurueckschraube. Aber ich versuche zu vertroesten: Bitte, bitte, halte noch ein paar Tage durch. Ich trinke auch ganz viel Tee!
Was in den letzten drei Wochen geschah, folgt in einer Bilderschau.
Waende fertig isoliert, das zukuenftige Schornsteinloch eingerahmt und das Dach mit Styroformplatten vorisoliert.Das Dach mit Glasfaser fertig isoliert, Dampfsperre eingebaut.Dampfsperre abgeklebt.Waende und Decke mit Sperrholz verkleidet.Decke und drei von vier Waenden gestrichen, Eine Box mit Lueftungsschacht gebaut, auf der irgendwann der Holzofen stehen soll.Ofenunterlage vorbereitet um eine Betonschicht draufzugiessen.Ofenunterlage samt Betonschicht stehen.Fliesen sind auf der Ofenbox verlegt, hier noch ohne Moertel.Fliesen auf Ofenbox sind verfugt, letzte Wand ist gestrichen (ein bisschen mehr als ich dachte) und Hitzeschutzschild zurechtgeschnitten und lackiert.Feuerschutzbox fuer die Ofenrohrinstallation ist drin und ein Loch ist im Dach an passender Stelle. Befestigung fuer Hitzeschutzblech angebracht.Selfie im nigelnagelneu installierten Schornstein.Schornstein mit saemtlichen Schutzblechen. Sieht im Bild schief aus, ist er aber nicht.Huette mit Schornstein und rauchig posierender Wolkenformation.Schornsteininstallation von innen, links unten im Bild Frischluftzugang.Hitzeschutzblech installiert, Decke um den Schornstein isoliert und verkleidet, Ofen samt Box auf Schornstein ausgerichtet, Bodenbelag angefangen zu verlegen.
Jetzt sind noch ganze zwei Tage uebrig, bis meine Freunde ankommen und in der Huette naechtigen. Meine Prognose ist, dass die Huette bis dahin schlafbar ist, das Grundstueck und unser Haus aber aussehen, als wenn ne Bombe eingeschlagen hat. Naja, man muss eben Priotitaeten setzen.
Blick vom Dach: Hier ist die Welt noch in Ordnung.
Wenn ich den Beitrag so schreibe, merke ich erst, dass ich doch ne ganze Menge geschafft habe. Gar nicht schlecht, dafuer dass ich alles ganz alleine geplant und ausgefuehrt habe. So neben Arbeit, Sport, Japanischkurs und sonst allem. Es war aber ne schwere Geburt – vor allem die Schornsteininstallation so als Hoehenaengstler. Ausserdem wurde ein wichtiges Teil, das ich online bestellt habe, in falscher Groesse geliefert. Da musste ich mir was anderes einfallen lassen und habe in der Stadt Sonderteile anfertigen lassen, damit es doch weitergehen kann. Meist gibt es ja doch ne Loesung, wenn man fleissig sucht.
Vorgestern ging es mit Hahn Daisy steil bergab. Sein gesundes Bein schien eine Infektion bekommen zu haben, sodass er nur noch mit grosser Muehe aufstehen konnte. Ich habe ihm einen weiteren Tag Gnadenfrist gegeben, aber quaelen soll er sich ja nicht. Gestern war es unveraendert. Da hiess es Abschied nehmen.
Danke Daisy, fuer die schoene Zeit! Du warst ein toller Hahn zu deinen Hennen und nie gemein zu Menschen. Es tut mir Leid, dass ich es nicht geschafft habe, dich gesund zu pflegen. Ich werde dich immer als stolzen, schwarzen Gockel in Erinnerung behalten!
Hahn Daisy auf letzter Fahrt.
Da wir mit dem Huehnerblut nicht unnoetig Kojoten und Nachbarshunde zum Huehnerstall locken wollten, hat Daisy eine erste und letzte Quadfahrt in die Wildnis gemacht. Dort fand er ein schnelles Ende im Stil der franzoesischen Revolution.
Der ein oder andere mag sich jetzt fragen, warum ich einen Blogbeitrag schreibe statt den Bodenbelag in der Huette zuende zu verlegen. Hierfuer gibt es mehrere Gruende:
Seit meinem letzten Beitrag ist schon wieder viel Zeit vergangen,
In dieser Zeit habe ich es wieder kaum bis gar nicht geschafft, Emails zu beantworten,
Somit wollte ich ein Lebenszeichen senden und bestaetigen, dass es mir gut geht (wenn auch leicht gestresst),
Ausserdem werde ich in den naechsten Wochen wieder nicht dazu kommen einen Beitrag zu schreiben,
Weil in den Wochen wieder viel geplant ist,
Sodass ich vom Huettenausbau vielleicht gar nicht berichten wuerde
Und dann waeren die Erinnerungen floeten gegangen, obwohl sie doch vielleicht interessant sind (jedenfalls fuer mich).
Was mir in diesen Tagen besonders viel Freude bereitet, sind die Mohnblumen, die ich in einem meiner Beete ausgesaeht habe. Eigentlich war ich kein grosser Mohnfan. Er ist halt rot und welkt schnell. Aber diesen Sommer hat er mich in seinen Bann gezogen. Seht selbst!
Morgensonnenmohn.Nur vier Bluetenblaetter und doch so viel Ausdruck!Frisch erwacht und noch ein wenig zerknittert.Vielfalt in Farbe und Form.Bluetenblaetter wie aus feinstem Seidenpapier.
Trotz allem Stress, dem man sich so macht, lohnt es sich immer, kurz anzuhalten und zu staunen. 🙂
Es folgt ein Lebensupdate, geordnet nach Themenbereichen.
Schilddruese
Mit einer geringen Dosis Schilddruesenhemmer landete ich innerhalb von wenigen Monaten in einer Schilddruesenunterfunktion. Auf die rasante Gewichtszunahme und ausbleibende Periode haette ich verzichten koennen, doch im direkten Vergleich bevorzuge ich die Schilddruesenunterfunktion gegenueber der -ueberfunktion. Wenigstens fuehlt man sich nicht mehr Tag und Nacht, als ob man kurz vorm Herzinfarkt steht.
Jetzt nehme ich eine noch geringere Dosis an Schilddruesenhemmern ein und wandele an der unteren Grenze des Normalbereichs an Schilddruesenhormonen. Ich bin also guter Hoffnung, dass die Dosis bald weiterhin reduziert oder ausgeschlichen werden kann.
Schienbeine
Es laeuft nicht, aber es geht. (Haha.)
Woechentlich besuchte ich meinen Physiotherapeuten, den man hier uebrigens aus eigener Tasche bezahlt. Zusammen versuchten wir die richtige Mischung aus Ruhe und Belastung zu finden, denn einerseits moechte man die Beinchen nicht weiter stressen, andererseits brauchen sie Stress um Muskeln und Knochendichte aufzubauen.
Nach Monaten der Wanderung auf dem Grat zwischen Be- und Entlastung haben wir heute entschieden, die Beine nicht mehr zu belasten mit Treppensteigen, Spruengen und anderem, sondern komplett ausheilen zu lassen, bis sich mein ganzes System beruhigt hat.
Weiterhin bleibt es fuer mich ein Sommer ohne Laufen und ohne grossartige Wanderungen. Das ist ab und an noch schwierig fuer mich.
Berg, von unten statt von oben fotografiert.
Doch mein Physiotherapeut riet mir, im Fitnesscenter schwere Gewichte zu stemmen, um Muskeln aufzubauen, die die Knochen unterstuetzen. Naja… Bislang habe ich in meinem Leben mir ganze drei Mal einen Knebelvertrag im Fitnesscenter angelacht und bin nach zwei Monaten nicht mehr hingegangen, das letzte Mal vor ca. 10 Jahren. Dann habe ich mir selbst versprochen, das nie wieder zu versuchen, da es einfach nicht klappt. Was mich dazu motiviert, Sport zu treiben ist erstens das Draussensein und zweitens, die Sportart alleine ausueben zu koennen – ohne jemand anderes zu sehen. Klappt beides nicht im Fitnesscenter.
Trotzdem gehe ich jetzt zweimal woechentlich genau dorthin und stemme schwere Eisen. Geaendert hat sich meine Einstellung zum Thema Motivation. Ich bin nicht motiviert, dorthin zu gehen. Aber ich weiss, dass es gut fuer mich und meinen Koerper ist. Daher mache ich es einfach. Bislang, seit fuenf Wochen, klappt es – trotzdem habe ich eine Zehnerkarte statt einem Jahresvertrag. 😉
Ausserdem mache ich eine Einheit Krafttraining Zuhause am Wochenende und dreimal in der Woche meine Physiouebungen. Einmal in der Woche ging ich die Endlosstreppe hoch- und runter, doch das lasse ich bis auf Weiteres sein. Alles, was darueber hinausgeht an sportlicher Betaetigung ist Bonus und nur aus Spass an der Freude zu verrichten. 🙂
Treppe, immer noch scheinbar endlos im Sommer.
Sprachen
Was ich hier bislang noch nicht erwaehnt habe: Seit Dezember lerne ich nebenbei noch Japanisch. Weil ich anscheinend nicht genug ausgelastet bin in meinem Leben. 😀 Nein, eigentlich stand das schon lange auf meiner Liste an Dingen, die ich gerne machen wuerde. Und dann hat mir ein Freund Ende letzten Jahres erzaehlt, dass der Japanisch-Kanadische Verein im Yukon online Japanischunterricht anbietet und bald ein neuer Anfaengerkurs beginnt. Also habe ich mich einfach dafuer angemeldet, zusammen mit vier anderen Personen. Irgendwann wuerde ich gern Japan bereisen, am liebsten mit dem Rad. Und dann moechte ich mich wenigstens ein bisschen verstaendigen koennen. Das wuerde ich sonst so schade finden, in einem fremden Land zu sein und keine echte Verbindung mit der Bevoelkerung aufbauen zu koennen – ja nicht einmal nach dem Weg fragen zu koennen. Ich weiss, man kann auch in sein Handy quatschen und das automatisch uebersetzen lassen. Aber fuer mich waere es wichtig, eine persoenliche, direkte Verbindung herzustellen mit meinem Gespraechspartner. Vor allem, wenn man abseits der touristischen Gebiete unterwegs sein moechte, kommt man mit Englisch nicht weiter.
Habe ich nicht Franzoesisch gelernt? Stimmt. Jedoch wurde mein zweiter Kurs wegen der ersten Covidwelle nach der Haelfte abgebrochen, woraufhin die frankokanadische Vereinigung eine Rueckerstattung oder Gutschrift versprach. In meinem Abschlusszeugnis stand dann auch, dass ich den Kurs wiederholen muesste, da nur die Haelfte stattfand. Macht Sinn.
Als es wieder moeglich war, sich in Kurse einzuschreiben, fragte ich an, wie es mit einer (teilweisen) Gutschrift aussaehe, da ich ungern den vollen Preis des Kurses zweimal bezahlen moechte. Vor allem vor dem Hintergrund, dass auch dieser Kurs jederzeit wieder abgeblasen werden koennte. Die Antwort lautete, dass man es sich anders ueberlegt haette und es keinerlei Gutschriften oder Rueckerstattungen gaebe.
Diese Haltung kann sich die Vereinigung deshalb erlauben, da ca. 90% der Teilnehmer im oeffentlichen Dienst taetig sind und die Regierung den Kurs direkt bezahlt. Ich als blechende Minderheit zaehlte nicht. Und als Konsequenz zahlte ich nicht mehr.
Je garde mon argent – Ich behalte mein Geld. Soviel steht fest.
Irgendwann wuerde ich meine Franzoesischkenntnisse gern weiter ausbauen, aber nicht mehr mit der Vereinigung. Und erstmal steht Japanisch auf der Speisekarte.
Der Kurs laeuft gut – abgesehen von der Tatsache, dass die anderen vier Teilnehmer mittlerweile alle das Handtuch geworfen haben. xD Mein Lehrer hat sich aber dazu bereiterklaert, mich auch alleine weiter zu unterrichten, wofuer ich sehr dankbar bin.
Es ist ein ganz schoener Batzen, das zu lernen, das stimmt. Und es wird wahrscheinlich viele Jahre dauern, bis ich genuegend Schriftzeichen lesen kann oder mich in einem Gespraech nicht voellig blamieren werde. Aber das ist fuer mich kein Grund, es nicht zu tun. Solange ich am Tag noch 30 Minuten uebrig habe um am Handy rumzudaddeln oder mir ne Dokumentation auf Youtube anzugucken, habe ich auch Zeit, 30 Minuten lang japanische Grammatik, Schriftzeichen und Vokabeln zu lernen.
Der Japantrip steht auch noch in den Sternen, eigentlich wollte ich schon im Sommer 2011 dort hin. Irgendwann wird es schon klappen. Und bis dahin bin ich gespannt, wie weit mich 30 Minuten am Tag bringen werden. 🙂
Arma findet, dass 30 Minuten taeglich immer uebrig sind – vor allem zum Spielen!
Landwirtschaft
Den Huehnern geht es soweit gut, nur Hahn Daisy ist derzeit in Einzelhaft. Er rannte wahnsinnig schnell hinter einer Henne her und verletzte sich dabei am Bein, wobei nichts gebrochen zu sein scheint. Seitdem faellt es ihm schwer, zu gehen. Er sitzt also in einem Kaefig im Stall in der Hoffnung, dass das Bein genug ruhen kann um zu heilen. Einmal am Tag nehme ich ihn nach draussen, zur Physiotherapie. Und eigentlich hat er vorsichtige Fortschritte gemacht – nur heute morgen schien er wieder weniger belastbar. Hmm… Seine Gnadenfrist ist noch nicht abgelaufen.
Hahn Daisy, in Schieflage.
Mein Gemuesegarten waechst und gedeiht. Meine Top 3 vom letzten Jahr, Gruenkohl, Dill und Moehren, habe ich besonders reichlich ausgesaeht. Derzeit essen wir fast taeglich einen Trog voller Mikro-Moehren plus Moehrengruen, denn die Moehrchen muessen dringend vereinzelt werden. Ich verschenke auch viel Gruenfutter an Freunde, das macht mir besonders viel Spass, die strahlenden Gesichter zu sehen! 🙂
Huehner, futtern ausgeduennte Radieschen (links/mittig) und tarnen sich im Sandbad (rechts).
Doch die Moehren muessen dringend noch schneller verwertet werden. Vielleicht mache ich eine Grossaktion am Wochenende und verarbeite sie eimerweise zu Pesto. Das koennte ich einfrieren und haette auch im Winter noch was davon!
Selbst gezogene Mohnbluete nach einem Regenschauer.
Wellness
Nach drei Jahren Bauzeit haben die heissen Quellen im Yukon ihre neue Anlage geoeffnet! Statt der schimmligen Umkleide und dem Betonrechteckpool oeffnete im Mai eine Wellnessanlage mit mehreren Becken, Ruheraeumen, Saunas und allem Pi Pa Po. Die oeffentliche Meinung zu dem Projekt war eher abgeneigt – vor allem, als verkuendet wurde, dass die Anlage nur fuer Erwachsene zugaenglich ist um eine entspannende Atmosphaere zu gewaehrleisten.
Doch jeder, mit dem ich gesprochen habe, fand es gut, nachdem man es selbst erlebt hat. Man fuehlt einfach, wie viel Herzblut in dem Projekt steckt. Eine echt tolle Anlage, die sich auch im internationalen Vergleich nicht verstecken braucht.
Postkartenansicht von einer kleinen Wanderung: Berge, Seen, Tannen, Wolken.
Bei meinem zweiten Besuch im Mai fragte ich die asiatisch aussehende Mitarbeiterin am Empfang nach ihrem Namen. Der klang wiederum Japanisch. Ich fasste mir also ein Herz:
„日本人ですか?“ (Bist du Japanerin?)
”はい、日本人です…” (Ja, bin ich…)
“日本語を勉強します!“ (Ich lerne Japanisch!)
„Wow, dein Japanisch ist voll gut!“
„Dankeschoen!“
„Die Person hinter dir in der Schlange ist auch Japanerin!“
„初めまして!よろしくお願いいたします!“ (Freut mich, euch kennenzulernen. Bitte seid nett zu mir! [Ungefaehre Uebersetzung – unbedingt noetig zu sagen, wenn man sich im Japanischen vorstellt])
Natuerlich habe ich mich bei der letzten Einlage verbeugt und bin dann mit rotem Kopf zur Dusche geeilt. Ausserhalb meines Kurses habe ich mein Japanisch noch nie versucht bei Muttersprachlern anzuwenden. Trotzdem bin ich froh, es versucht zu haben!
Nach der Dusche ging es fuer mich zum langsamen Garen in den Pool und dann noch in die Holzofensauna, dort schwitze schon eine weitere Person.
Und diese Person fing auf einmal an zu reden.
„Wie lange lernst du denn schon Japanisch?“
Oh, es war die Person, die in der Schlange hinter mir stand! Wir sprachen also und hatten eine angeregte und interessante Unterhaltung, bis ich dringend nach Hause musste. Handynummern wurden vorher noch ausgetauscht.
Was seitdem geschah: 絵里 (uebertragen Eri, aber ausgesprochen eher wie Ellie) und ich sind mittlerweile gute Freunde und einen Tag nach unserem Treffen in der Sauna ist ebendiese abgebrannt. Verletzt wurde niemand, mittlerweile haben die heissen Quellen auch wieder geoeffnet, nur eben ohne Saunas. Die muessen erst wiedererrichtet werden – dieses Mal mit korrekter Kamininstallation.
Spanferkel, gegrillt beim Mittsommerfest der Nachbarn (nicht im Saunafeuer).
Sommer
Wie jedes Jahr sind die Naechte kurz bis nicht vorhanden, genauso verhaelt es sich mit dem Schlaf, da man ALLES machen moechte, was man sich im Winter ertraeumt hat. Und nebenbei hat man ja auch noch zwei Jobs und nen Kuebel voller Hobbies, siehe oben. Ach und dann moechte ich ja auch noch auf alle Emails zeitnah antworten und diesen Blog fuehren… *schwitz*
Einfach mal unerreichbar sein – Tyrel fuehrt das Boot aus.
Etliche Emailantworten bin ich schuldig, das tut mir auch leid. Da dachte ich mir jetzt, ich schreibe mal wieder eine superlange Blogemail an alle, die es interessiert. Dann schaffe ich es vielleicht auch wieder, mein Postfach aufzuraeumen, weil dies die Einzelemailantwort erheblich verkuerzen sollte. Es besteht also noch Hoffnung. 🙂
In der Zwischenzeit: Ich habe mich sehr ueber deine Email gefreut und ich mag dich immer noch supergerne und denke oft an dich!! Ungelogen – das gilt auch fuer viele liebe Freunde, die mir keine Emails schreiben! 😀
Eine wilde Orchidee, die ich am Wegesrand fand.
Also, was mache ich denn so, wenn ich nicht arbeite, Sport treibe, Arzttermine wahrnehme, Japanisch lerne, im Garten arbeite, stricke oder in heissen Quellen rumduemple?!
Packrafting
Eigentlich stehe ich nicht so sehr auf Anglizismen, ich rede so schon den ganzen Tag nur Englisch. Daher versuche ich moeglichst, deutsche Woerter zu benutzen, wenn ich Deutsch rede oder schreibe. Aber Packrafting? Hmm…
Ein Packraft ist ein leichtes, aber stabiles und robustes Schlauchboot, das zusammengerollt wenig Gewicht und Packmass aufweist. Somit ist es gut geeignet fuer alle Wasseraktivitaeten, bei denen es eher unhandlich ist, ein grosses Boot oder Surfbrett mitzubringen. Ich liebaeugle schon seit zwei Jahren mit der Idee, mir ein Packraft zu bestellen. Leider sind diese Boote aber recht teuer und haben auch lange Lieferzeiten, sodass ich es mir immer ausgeredet habe.
Doch Anfang Februar fasste ich mir ein Herz und etliche Dollar und klickte meine Bestellung zusammen. Ende Juni wurde das gute Stueck endlich geliefert.
Packraft, tarngruen.
Mein erstes kleines Abenteuer startete direkt von meiner Haustuer aus. Ich wanderte mit Tyrel und Arma ein paar Kilometer zum nahegelegenen Fluss, pumpte das Boot mit dem dazugehoerigen Luftsack auf und liess mich treiben.
Besonders freute ich mich auf eine bestimmten Streckenabschnitt, den ich gerne mit dem Rad aufsuche und von dort auf den Fluss starre. So war die Aussicht am Tag zuvor mit dem Rad:
Ein schmaler Weg auf einem Grat zur Aussichtsplattform.Aussicht auf Fluss und Fahrrad.Ein Gewitter ist im Anflug.
Vom Fluss aus bo(o)t sich folgende Ansicht am Folgetag:
Weniger spektakulaer, aber immer noch schoen.
Um mehr Sicherheit auf dem Wasser zu haben, meldete ich mich zu einem viertaegigen Packraftingkurs an. Bei unserem ersten geplanten Treffen entschloss sich Eri spontan dazu, sich auch zum Kurs anzumelden! Darueber habe ich mich sehr gefreut – so schnell kann es manchmal passieren, dass Fremde zu Freunden werden. 🙂
Eri und ich beim Packraftingkurs.
Leider gibt es vom Kurs selbst keine Bilder. Wir waren damit beschaeftigt, nicht zu ertrinken und wollten ungern unsere Handykamera beim naechsten Badegang Koenig Triton weihen. Aber wir haben viel gelernt und unsere Grenzen ausgelotet. Letztes Wochenende ging es dann zur Bewaehrungsprobe und wir unternahmen einen gemeinsamen Packraftingtrip zusammen mit Paddelnovizen Tyrel und Bella. Das war eine wirklich schoene Erfahrung und alle sind erfolgreich durch die Wildwasserpassage der Schwierigkeitsstufe II bis III gepaddelt.
Bella mit Packrafts vor dem Beginn unserer Tour.Ich, paddelnd.Eri, fast am Ende des Trips.
Und sonst so?
Ja weiss ich auch nicht. Hab ich was vergessen? Bestimmt.
Macht nichts, jetzt habt ihr ne ungefaehre Idee davon, was ich so treibe.
Mein Schienbein tut weh. Erst links, dann auch rechts.
Ein scharfer Schmerz, nicht das wohlbekannte dumpfe Ziehen von beanspruchten Muskeln.
Ich hoere auf zu laufen um mich nicht ernsthaft zu verletzen.
Stattdessen mache ich einen Termin beim oertlichen Ultralauf-Physio-Spezialisten. Ich hoffe, dass er mir sagt, ich habe ein typisches Schienbeinkantensyndrom. Und dass ich fuer ein paar Wochen radfahre oder sonst was mache und dann wieder voll durchstarten kann, puenktlich zum Lauf, fuer den ich jetzt seit 10 Monaten wirklich hart trainiere.
Aber er sagt mir, dass meine Muskulatur nicht betroffen ist und meine schmerzhaften Stellen sich direkt auf meinem Knochen befinden, wo keine Sehnen oder Baender verankert sind.
Wir reden ueber meinen sonstigen Gesundheitszustand und er fragt, wie lange ich eine Schilddruesenueberfunktion hatte, bevor sie behandelt wurde.
„So ca. 4 bis 18 Jahre lang.“
„Dein Trainingsprogramm ist ausgewogen, das sollte dich eigentlich unverletzt zum Ziel bringen. Ausserdem sind deine Beschwerden in einer Entlastungswoche aufgetreten, das ist sehr untypisch fuer eine Ueberlastungsverletzung. Aber eine Schilddruesenueberfunktion fuehrt zum Abbau der Knochendichte. Vor allem, wenn sie ueber laengere Zeit unbehandelt blieb. Das kann dazu fuehren, dass Stressfrakturen auftreten.“
„…und was ist mit meinem Lauf?“
*trommelt verlegen auf den Behandlungstisch* „…sieht derzeit eher schlecht aus. Tut mir Leid, dass ich dir das sagen muss.“
Zurueck im Auto heule ich Rotz und Wasser. Ich weiss, das ist wirklich nicht das Ende der Welt. Was fuer ein Luxusproblem: Ich kann an dem wahnwitzigen Lauf nicht teilnehmen, bei dem mir schon bei der Anmeldung klar war, dass der meilenweit ausserhalb meiner Komfortzone liegt und es eine Million Gruende gibt, warum es nicht klappen koennte. Jetzt ist halt einer davon eingetreten. Und ich bin traurig und enttaeuscht. Und das ist okay.
Ich heule also meinen Weg zurueck ins Buero. Die Kollegen sollen sich nicht dran gewoehnen, dass ich immer gut drauf bin! Verquollen gehe ich ins Buero meiner Kollegin, deren Vater heute Todestag hat.
„Komm mit, wir fahren zur Dairy Queen!“
Dairy Queen (zu deutsch Molkereikoenigin) ist ein vor ein paar Wochen hier neu eroeffnetes Restaurant einer amerikanischen Fastfoodkette. Die sich ums Gebaeude wickelnde Autowarteschlange war mir seit Eroeffnung deutlich zu lang um mich einzureihen. Doch heute haben wir Glueck, heute warten wir nur ein paar Minuten. Genau lang genug um meiner Arbeitskollegin zu erklaeren, warum ich immer noch heule und mich dann fuer eine Eiscremesorte zu entscheiden. Ein Softeis mit allem moeglichen Kram eingeruehrt – in meinem Fall Reese’s Pieces (Schoko-Erdnussbutterlinsen), Erdnussbutter und Keksteig. Erhaeltlich in den Groessen mini, klein, mittel und gross. Ich hatte schon Mittag gegessen und entscheide mich fuer ein kleines Eis. Bekomme dann aber einen 500 ml Kuebel ueberreicht. Achja, ich vergass. Amerika.
Zwei Tage lang heule ich immer mal wieder, doch am dritten Tag wird mir das zu lahm und ich mache mich an die Wiederauferstehung.
Bestandsaufnahme. Was habe ich und was geht noch? Ich habe ne ganz ordentliche Grundfitness und zwei Fahrraeder, die ich straeflich vernachlaessigt habe ich den letzten 10 Monaten. Und laut meinem Physiotherapeuten kann ich radfahren, „bis die Kuehe heimkommen.“ Wieder mal eine neue Redewendung gelernt. Wann genau die Kuehe heimkommen, weiss ich nicht. Abends? Oder im Herbst? Jedenfalls sind die doch den ganzen Tag ueber draussen, wenn man sie laesst. Also kann ich radfahren.
Ich radle und melde mich zu einem lustig klingenden Gravel Race an (Radrennen auf Schotterpisten) in 1,5 Wochen.
Auf einer windigen Testfahrt bemerke ich, dass meine normale Brille keinen Schutz vor Wind bietet und kehre mit gefriergetrockneten Augaepfeln heim. Eine weitere windige Ausfahrt unternehme ich mit Kontaktlinsen und meiner Sonnenbrille, die jedoch staendig von innen beschlaegt, dank der nun vor Anstrengung schwitzenden und schlecht ventilierten Augaepfel.
Schneidiges Rad vor gefrorenem See und Bergen.
Also fahre ich ins Radgeschaeft und kaufe mir eine Astronautenbrille, die mich schneller aussehen laesst, als ich bin. Ausserdem eine kleine Lenkertasche fuer Baerenabwehrspray. Nach einer groesseren Tasche fuer eine Schrotflinte frage ich lieber nicht.
So ausgeruestet kann doch gar nichts mehr schief gehen und beim Rennen wird niemand bemerken, dass ich nicht dazu gehoere, oder?
Am Tag vor dem Rennen wird eine Email an die Teilnehmer verschickt: Aufgrund der schmelzenden Schneemassen und des weichen Bodens werden Teile des Kurses auf einspurige Mountainbikestrecken verlegt. Man soll jederzeit bereit sein, abzusteigen und sein Rad zu tragen und ausserdem solle man sein Rad mit den duennsten Reifen lieber Zuhause lassen.
Ich starre auf meine zwei Raeder, eins mit duennen und eins mit ueberdimensional dicken Reifen. Ich habe wenig Lust darauf, im Schlamm festzustecken oder ueber Wurzeln und Steine zu fliegen und die angeknacksten Haxen durchzubrechen. Also sind dicke Reifen angesagt: Jegliche Gefahr wird ueberrollt.
Ich, dicke Reifen und dicke Brille.
Mit meinem ungewoehnlichen Gefaehrt, der vollgestopften Laeuferweste und der fehlenden Lycrakleidung steche ich trotz schneidiger Brille aus der Teilnehmerreihe heraus. Macht nichts, im Ueberholtwerden bin ich eh am besten. Und die 40 km Strecke, die ich gewaehlt habe, ist anspruchsvoll aber gut markiert und das Wetter spielt mit. Ich habe Spass und erhalte im Anschluss sogar ein paar anerkennende Kommentare.
Teilnehmerfeld mit einem Paar Monsterreifen.Zielgerade nach 40 km: Immerhin so schnell, dass ich nicht umkippe.
Mittlerweile sind die Ergebnisse der Roentgenaufnahmen von meinen Schienbeinen da: Nichts zu sehen, jedoch nicht ungewoehnlich fuer Stressfrakturen. Ein MRT wuerde Gewissheit liefern, jedoch liegt die Wartezeit fuer nicht dringende Faelle bei ueber einem Jahr. Bis dahin moechte ich eigentlich schon wieder verheilt sein.
Es ist wie es ist. Das mit dem Lauf wird nichts dieses Jahr. Gestern habe ich meine Anmeldung annulliert.
Spaeter im Sommer hatte ich mich noch fuer einen Halbmarathon angemeldet. Was bis dahin ist, steht noch in den Sternen aber wenn alles ordnungsgemaess verheilt, koennte ich mit dabei sein.
Und bis dahin werde ich schon noch ein paar weitere Abenteuer aus dem Sommer herauskitzeln. Ich bin schon gespannt, in welche Richtung die Wellen des Universums mich dieses Mal tragen! 🙂
Wenn ich Besuch von Freunden aus Deutschland hatte, fragte ich regelmäßig, ob der Besuch einen Gastbeitrag aus deren Perspektive verfassen will.
Jetzt hatte ich schon länger keinen Besuch, aber meine Freundin und Nachbarin Berenike beschloss, in ihr Heimatland Deutschland zurückzukehren. Sie hat tatsächlich zugestimmt, einen Beitrag zu verfassen. Ganz lieben Dank dafür!
Wir hatten eine schöne Zeit gemeinsam im Yukon, seht selbst wie wir uns über meinen Monster-Osterzopf gefreut haben.
Berenike, ein monströses Hefegebäck und ich.
Während ich weiterhin sehr glücklich bin, hier zu sein, führte sie ihr nächster Schritt zurück über den Atlantik. Ihre Entscheidung finde ich sehr mutig und ich wünsche ihr vom Herzen alles Gute.
Am besten lest ihr aus ihrer Feder:
Seit genau vier Wochen bin ich nun wieder in Deutschland, nach dreieinhalb Jahren in denen mein Leben im Yukon statt fand. Dort lebte ich auf einem benachbarten Grundstück von Luisa, ebenfalls im Tiny House gemeinsam mit Partner, Hund und Ziege.
Das letzte Jahr über merkte ich, wie sehr ich meine Familie in Deutschland vermisse, gerade da meine Schwester einen Sohn bekam und meine Verwandten dadurch noch mehr zusammen wuchsen. Ich hatte richtiges Heimweh (es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich dieses Gefühl so deutlich spürte, davor war ich immer die „Nestflüchterin“ und war schon als junges Kind viel unterwegs). Durch den Corona Virus und die Reiseeinschränkungen war es unabsehbar wann ich (wie so viele andere) wieder in die Heimat reisen kann. Im August war dann ein Besuch möglich, doch das Heimweh wurde dadurch nicht gestillt, sondern zu meinem Erschrecken gestärkt. Zurück in Kanada gab mein Herz mir ziemlich deutlich den Weg vor, den es zu gehen galt und trotz sehr schmerzlichen Abschieds ging es wenige Wochen später zurück nach Deutschland- dieses Mal mit gepackten Koffern.
Im Flieger über nordwestamerikanischen Bergketten.
Seit dem Moment in dem ich in meinem Geburtsort ankam, empfingen mich offene Arme, Herzen und Haustüren. Es erfüllte mein Herz mit tiefer Dankbarkeit und Liebe zu sehen, wie viele Menschen sich freuen, dass ich wieder in der Nähe lebe. Allen voran meine drei Patenkinder, mit denen ich nun viel Zeit verbringen darf, nachdem ich drei Jahre in ihren kurzen Leben verpasst hatte.
Entspannen im Kajak.
Ich bin sehr dankbar für die wundervolle Lebenszeit, die ich im Yukon verbracht habe und für die tiefen Verbindungen zu Menschen, Tieren und der atemberaubenden Landschaft.
Reiten im deutschen Wald.
Falls ihr euch irgendwo hingezogen fühlt, sei es ein Land, eine Person, ein Abenteuer, ist mein größter Rat einen Schritt darauf zu zugehen. Ich habe gelernt, dass meine Intuition der beste Kompass ist und mein Gefühl mir ziemlich genau sagt, was nun dran ist.
Essbare Blueten in Garten: Kornblumen, Veilchen, Stiefmuetterchen, Katzenminze.Mein Rucola blueht und ich finde die weissen Blueten so wunderschoen.Reiche Ernte: laenglich-blaue haskap berries oder Honigbeeren.Selbst die Bergziege im Tiergehege zieht das Winterfell aus.Malen mit Filzstiften: Der Takhini River.Mein Gemuesegarten samt Regenbogen.Im Ueberfluss wachsende highbush cranberries, eine Art des Schneeballs.Auf der Hauptstrasse in Whitehorse: Fussgaengerueberweg in deutschen Nationalfarben.Ich versuche mich an Stand Up Paddling – Paddeln im Stehen.Arma, guter Laune beim Spaziergang.Senfblueten in meinem Feld.Fireweed (Weidenroeschen) in meinem Haferfeld.Sahne schlagen ohne Strom mit Akkubohrmaschine.Das Ergebnis: Haskap-Mohn-Eiscreme, selbstgemacht.Selbstgegrillte Pizza mit Salami, Zwiebeln, Kaese, eingelegten Gurken, eingelegten Pfefferschoten und Dill.Ich, bemehlt, beim Pizza backen.Arma und ich machen Pause vom Wandern auf einer Steilwand.Lohnende Aussicht mit Berg und Tal.
Schliesslich war es soweit, der Tag meines Laufes.
Da 2020 der Sommer im Yukon ausgefallen ist, war es mit 27 °C der heisseste Tag in zwei Jahren. Dafuer konnte niemand trainieren, man musste es einfach so hinnehmen.
Am Vortag des Laufes hiess es Startnummern abholen und zwei Haftungsausschluesse unterzeichnen. Anschliessend versuchen zu schlafen.
Tyrel’s Wecker klingelt. Sein Startschuss ist um 6 Uhr morgens, da er den ersten Teil des Laufes uebernimmt. Ich raufe mir die Haare, waehrend er schliesslich um 5:38 Uhr das Haus verlaesst und noch ne ganze Ecke zu fahren hat. Aber auch nach 6 Uhr bekomme ich weder Nachricht noch Anruf von ihm, daher gehe ich davon aus, dass er gerade noch rechtzeitig angekommen ist.
An Schlaf ist fuer mich nicht mehr zu denken. Ich mache langsam, esse mein Standardfruehstueck, das mir noch nie quer im Magen lag: Haferflocken, gefrorene Heidelbeeren, Mandelmuss, Konfituere, 85 %ige Schokolade, gehobelte Mandeln, Apfel, heisses Wasser. Eigentlich gehoert noch kaltgepresstes Oel dazu, aber darauf verzichte ich heute. Seit dem Aufwachen trinke ich Wasser mit Elektrolyttabletten. Bei 27 °C werde ich bestimmt viel schwitzen.
Ich kontrolliere nochmal, ob ich auch alle vorgeschriebenen Gepaeckstuecke mitfuehre und packe mir grosszuegig Essen ein. Die 1,5 Liter Wasser, die ich mitfuehre, enthalten auch Elektrolyte.
Ab ins Auto, zum Staffelwechselpunkt.
Mein Handy klingelt, es ist Tyrel. Er musste aus dem Rennen ausscheiden. Nach dem ersten halsbrecherischen Anstieg ging es nach Kilometer 17 genauso steil wieder bergab. Da entschieden sich seine Beine, den Dienst zu verweigern und nicht mehr mit dem Krampfen aufzuhoeren. Tyrel hievte sich zurueck bergauf zur letzten Verpflegungsstation und wartete auf den Ruecktransport zum Staffelwechselpunkt.
Ich verspuere ein bisschen Genugtuung und Erleichterung. Erleichterung, weil ich meinen Teil noch laufen kann, aber ausserhalb der Wertung und ausserhalb jeglichen Drucks. Genugtuung, weil Tyrel den Lauf nicht richtig ernst nahm und jetzt die Quittung dafuer bekam. Ja, er ist vom Typen her sehr sportlich. Aber wer fuer diese Art von Lauf nicht trainieren und auch waehrend des Laufs Kalorien aufnehmen moechte, der bekommt halt die Quittung dafuer. Trotzdem freue ich mich, dass es fuer ihn ein positives Erlebnis fuer ihn war und es Spass gemacht hat, obwohl er dem ganzen sehr skeptisch gegenueber stand.
Kurz nach 10 Uhr komme ich am Zielort an und schildere die Situation dem Veranstalter. Ja, ich kann meinen Teil noch laufen und ja, ich brauche nicht bis 13:30 h warten. Das ist die Zeit des Massenstarts fuer den zweiten Teil, fuer alle Teilnehmer, deren Staffelpartner es nicht rechtzeitig ins Ziel geschafft hat. Um 11:30 h wuerde eine Laeuferin den zweiten Teil alleine starten, da ihr Staffelpartner krankheitsbedingt den ersten Teil nicht antreten konnte. Bis dahin klatsche ich den eintrudelnden Laeufern Beifall.
Ich, Startnummer 164, vor dem Start.
Gegen 11 Uhr verschwinde ich zum Pinkeln ins Gebuesch und kurz darauf trifft Tyrel staksenderweise ein. Leider hat er seinen Zeitstab, mit dem bei jeder Verpflegungsstation die Zeit festgehalten wird, einem Helfer gegeben, der nicht wieder auftaucht. Um 11:15 h bekomme ich das Okay, dass ich auch ohne Zeitstab starten darf, ist ja eh ausserhalb der Wertung. Die partnerlose Laeuferin steht schon bereit. Ob wir schon jetzt starten wollen? Na klar!
Schnell druecke ich Tyrel meine Wasserflasche in den Hand und einen Kuss auf die Lippen trotz seiner Abneigung gegenueber oeffentlichem Zurschaustellen von Liebkosungen, starte die Strecke auf meiner GPS Uhr und duese los.
Ich auf den ersten Schritten des Laufes.Los geht’s fuer mich mit unerwartetem Elan.
Die ersten 10 Kilometer sind mal steil, mal eben, mal schlammig, aber laufbar. Mir geht es prima, ich kann kaum fassen, dass ich endlich das Rennen laufe, fuer das ich mich im Dezember 2019 eingeschrieben habe! Der erste Teilabschnitt endet mit einer Flussdurchquerung, die Abkuehlung ist wirklich noetig. Auch meine Kopfbedeckung tunke ich in das kuehle Schmelzwasser. Ein Fotograf faengt mich mit seiner grossen Linse ein, ich sehe sein oder ihr Gesicht gar nicht.
Nach der Fluessquerung faellt mir ein, dass ich eigentlich eine Verpflegungsstation davor erwartet hatte aber keine gesehen habe. Sollte ich zurueck gehen? Nein, ich habe noch ausreichend zu essen und trinken.
Anschliessend geht es bergauf, bergauf, bergauf, bis ich mich oberhalb der Baumgrenze auf meinem lieben Hochplateau wiederfinde.
Mein Weg zwischen Weidenbueschen, im Hintergrund Berspitzen.
Ich liebe diese Gegend, trotz der Anstrengung strahle ich weiterhin.
Strahlefrau auf Hochplateau.
Trotz der schoenen Aussicht ist es unglaublich heiss ohne Schatten, der Anstieg zieht sich ewig und ich laufe in einer Wolke Muecken und auch Kriebelmuecken, den black flies. Der Temperatursensor meiner Uhr zeigt auf dieser Strecke 37 °C an. Ich mache langsam, teile mit Kraefte und Wasser ein und schiesse dann und wann ein Bild.
Alpine Seen und schneebefleckte Berge.Die Erschoepfung manifestiert sich in meinen zweifelnden Augenbrauen.
Schliesslich laufe ich ohne Weg in der hochalpinen Landschaft. Zum Glueck ueberholen mich hier relativ viele Laeufer, die den Weg besser kennen als ich. Die pinken oder orangenen Faehnchen der Wegmarkierung sind nicht immer einfach zu erkennen.
Pinkes Faehnchen im Vordergrund, schnellerer Laeufer im Hintergrund.
Endlich, endlich ist der erste Berg ueberwunden und es geht bergab ueber einen beliebten Pferde- und Wanderweg. Leider bin ich nicht allzu trittsicher auf diesem steilen, ausgewaschenen, steinigen Weg und auch viel zu ueberhitzt. Ich konzentriere mich so gut es geht und laufe so schnell es eben geht, was immer noch ziemlich langsam ist.
Am Ende des Abstieges endlich – die Verpflegungsstation. Eine liebe Helferin bittet mich, meine Kappe abzunehmen, damit sie mir eiskaltes Wasser auf den Kopf schuetten kann. Mein Gehirn zieht sich zusammen, das war wirklich noetig. Eine andere Frau fragt mich, ob sie mir eine Banane oder Mandarine schaelen soll. Ich starre sie nur wortlos an und bemuehe mich, meine Wasserflaschen auffuellen zu lassen, Elektrolyttabletten reinzuschmeissen, sie leer zu trinken und wieder aufzufuellen. Am Ende verlasse ich die Station mit zwei Flaschen Wasser/Elektrolyt und einer Flasche zuckrigem Sportgetraenk, sowie einer Banane. Ungeschaelt.
Mir ist ziemlich schlecht, daher gehe ich einfach einen Schritt nach dem anderen. Ein Mitlaeufer bei der Verpflegungsstation musste sich in einen Klappstuhl setzen und ausruhen, seine Beine haben sehr gekrampft. Meine Beine sind noch relativ beschwerdefrei und dass, obwohl meine Zehen heute morgen Zuhause noch, voellig untypisch, gekrampft haben.
Einen Schritt nach dem anderen, vorbei an Badegaesten und Familien am See. Einige jubeln mir zu. Eine junge Mutter fragt, wie es mir geht. „Mir ist speiuebel!“ Sie raet mir, meine Kappe doch nochmal in den See zu tunken, dem Rat folge ich. Obwohl die Schotterstrasse breit ist und nur leicht bergauf geht, gehe ich schnell anstatt zu laufen. Ich kenne das kommende Teilstueck und das ist haarstraeubend steil bergauf! Vor dem Anstieg erhalte ich die Moeglichkeit, mich mit Insektenspray einzunebeln. Eigentlich bin ich in der Hinsicht relativ unempfindlich, doch der fehlende Wind treibt einen in den Wahnsinn. Alle paar Sekunden fliegt mir eine Kriebelmuecke ins Ohr oder setzt zum Kamikazeflug in meine Atemwege an. Das Insektenspray klebt an meiner Haut, aber haelt die weniger mutigen Exemplare auf ein paar Zentimeter Abstand.
Es geht bergauf. So steil, dass ich dankbar bin, wenn ich mal wieder ueberholt werde. So muss ich mir auf dem schmalen Weg eine Moeglichkeit suchen, sicher Platz zu machen und dann zu warten, bis ich ueberholt bin. Dann wird es so steil, dass ich auch ohne Ueberholer Halt machen muss zum Verschnaufen. Nichts geht mehr. Aber die Aussicht auf den See, dessen Wasser laengst wieder aus meiner Kappe verdampft ist, die ist schoen.
Verschnaufpause mit Seeblick.
An mancher Stelle muss ich auf allen Vieren klettern um voranzukommen. Ein Schritt nach dem anderen, ein Handgriff nach dem anderen.
Steilwand und gleichzeitig mein Weg.
Fuer diesen Kilometer Anstieg brauche ich 35 Minuten!
Irgendwann flacht die Strecke ab, verlaeuft aber wieder auf unwegsamen Bergruecken. Langsam kennt man den Drill.
Aussicht auf Whitehorse
Die kommende Verpflegungsstation wird beschallt mit 80er Musik und bedient von zwei gut gelaunten Frauen im Bikini. Endlich kann ich meine Bananenschale loswerden, die ich den ganzen Anstieg hochgetragen habe und frage freundlich danach, ob mir eine Mandarine gepellt werden kann. „Natuerlich!“
Die schlimmsten Anstiege liegen hinter mir, doch vor dem Abstieg heisst es erstmal eine Runde auf einem Bergkamm drehen. Meine Zehen krampfen bei jedem Schritt und versuchen sich zu kruemmen. Ich bin fertig mit der Welt und alles tut weh. Laufen geht beim besten Willen nicht. Also gehe ich schnell. Es liegen noch 27 Kilometer vor mir. Wie ich die bewaeltigen soll, keine Ahnung! Meine schlaue Uhr zeigt mir an, dass ich wahrscheinlich gegen 22:40 Uhr ins Ziel komme. Aber um 21 Uhr ist Ende der Veranstaltung!
Nicht denken, gehen.
Bergkamm mit erkennbarem Weg!Einfach weiter gehen, die Landschaft ist bezaubernd genug.
Eine Oase und Ueberbleibsel des schneereichen Winters – auf der Nordseite des Bergkamms trotzt eine meterhohe Schneebank den sommerlichen Temperaturen. Ich stopfe so viel ich kann in meine Kappe und reibe meine Arme ein, dann geht es weiter.
Schneebank auf dem Weg.
Die Schlaufe ist gelaufen, ich fuelle meinen Wasservorrat bei den Bikinifrauen auf. Mittlerweile sind sie bei den 90ern angekommen, die Spice Girls plaerren aus den Laufsprechern. Weiter geht’s.
Es geht eine Weile auf einer losen Schotterstrasse bergab. Der Schotter ist zu lose fuer mich zum Laufen und selbst wenn es sich um Ashalt handeln wuerde, meine Zehen krampfen so sehr, dass ich mir fast eine Bergaufstrecke wuensche. Dann wandelt es sich zur Grasebene, sehr gut.
Das Laecheln sitzt nicht mehr so recht, doch ich bewege mich noch vorwaerts.
Ein Blick auf das Hoehenprofil der Strecke in meiner Uhr zeigt, dass der wirkliche Abstieg bevorsteht.
Der wirkliche Abstieg kommt und er ist grauenhaft. Schlammig, wurzelig, ausgewaschen, steil, direkt am Abhang. Nicht nur meine Zehen krampfen – alle Beinmuskeln stimmen in die Krampfsymphonie ein. Meine Fuesse werden wund, denn sie muessen mein Koerpergewicht immer und immer wieder gegen die Schwerkraft stemmen in nassen, schlammigen Schuhen und Socken.
Stehenbleiben ist keine Option. Wer soll mich hier denn runtertragen? Schritt fuer Schritt, Krampf fuer Krampf geht es weiter. Fotos mache ich keine, denn meine Konzentration ist zu 100% gefordert.
So geht es weiter und weiter, ich weiss nicht wie lange. Alles verschwimmt, es gibt keinen Start und kein Ziel mehr, keine Gruende. Es gibt einzig und allein den naechsten Schritt.
Dann wird der Weg wieder breiter und flacher, dafuer aber moorig.
Schlamm und Wasser, da bleibt kein Fuss trocken.
Nur noch ein paar Kilometer zur naechsten und auch letzten Verpflegungsstation, da wird der Weg wieder zu einer steilen Mountainbikestrecke. Ploetzlich stehe ich vor einem senkrechten Abfall, ca. anderthalb Meter tief.
„ERNSTHAFT?!“, rufe ich in den Wald hinein. Ich suche mir eine Stelle am Rand, damit kein Mountainbike in mich reinbrettert und rutsche auf meinem Hintern hinab. Die Strecke geht so froehlich weiter, bis sie auf eine breite Schotterstrasse muendet.
Dies waere jetzt echt laufbar, aber meine Beine haben laengst aufgegeben. Gehen klappt, also gehe ich. Meine Uhr hat ihre Meinung bezueglich meiner Ankunftszeit geaendert. Wenn ich stramm weiterwandere, koennte ich gegen 20:40 Uhr ins Ziel kommen – 20 Minuten vor Zielschluss!!!
Zwei junge Frauen stehen am Rand der Schotterstrasse und halten ein Schild hoch. Sie sind mit ihren Mountainbikes hier her gefahren um uns Laeufer anzufeuern. Bald erkenne ich auch die Aufschrift des Schildes: Kilometer 69 der Gesamtstrecke! Ich muss lachen.
Schliesslich erreiche ich die letzte Verpflegungsstation. Die freiwilligen Helfer rufen mir zu, wie toll ich aussehe. Dabei fuehle ich, wie mich der Mut laengst verlassen habe, ich stinke und verschlammt bin. Man klatscht mir einen Gefrierbeutel mit Eis in den Nacken, fuellt meine Wasserflaschen nach Wunsch auf (zweimal Wasser mit Elektrolyten, einmal Gatorade), ich bediene mich an Wassermelone, greife mir Mueslibaellchen, Tuetchen mit Gummikram und schaele mir eine Banane. Die Schale lasse ich da. Man reicht mir ein Eis am Stiel und ich ziehe weiter.
Ich kann zwar nicht mehr, aber es waere doch wirklich witzlos, 10 Kilometer vor dem Ziel aufzugeben, nur weil man nicht mehr kann. Ich konnte schon vor 20 Kilometern nicht mehr! Ausserdem wuerde es bestimmt laenger dauern bis ich Zuhause bin, wenn ich hier bleibe. Also weiter, einfach weiter. Der Eisbeutel klebt noch im Nacken, ich disponiere ihn unter meine Muetze, damit er nicht runterfaellt.
Eisbeutel unter der Kappe, Speiseeis im Mund.
Irgendwann zwischen Kilometer 36 und 37 muss ich pinkeln. Das erste Mal seit Beginn des Laufs. Gutes Zeichen, ich bin gerade nicht dehydriert. Aber wie soll ich das anstellen im lichten Wald und mit meinen Beinen im derzeitigen Zustand?
Ich schaue mich um – niemand in Sichtweite. Ich schaffe es einen Meter neben den Weg, ziehe meine Hose runter, kralle mich an einem Baumstamm fest und erlaube mir, in eine 90 ° Hocke zu gehen. Jetzt laufen lassen statt zu laufen, willkommene Abwechslung! Und dann die Schwierigkeit – wieder hochkommen. Ich stemme, ziehe und schreie, bis ich wieder stehe. Dann geht es weiter, einfach weiter.
Die letzten 8,5 Kilometer vergehen nicht. Zum ersten Mal seit dem ersten Anstieg waer der Weg wieder laufbar fuer mich, doch ich pfeife aus dem letzten Loch. Die Uhr zeigt weiterhin 8,5 verbleibende Kilometer an und gefuehlt vergehen Stunden. Ich muss mir etwas anderes anzeigen lassen, sonst werde ich wahnsinnig. Die Navigation! Die zeigt mir an, dass ich in 1,65 Kilometern links abbiegen muss. Und dann in 1,2 Kilometern rechts. In kleinen Schritten geht es voran. Doch langsam verliere ich die Fassung.
Ich, am Ende der Bereifung angekommen.
Beine ausreichend anheben, um nicht ueber die Wurzeln zu stolpern. Bisschen bergauf, bisschen bergab, egal, einfach weiter. Wenn du stehen bleibst, dauert es laenger, bis du Zuhause bist, als wenn du einfach weiter gehst. Guck mal, der Weg ist doch schoen. So wie du eigentlich gerne laeufst.
Schmaler Waldweg, so wie ich ihn gern mag.
Und stell dir erstmal vor, wie es sich anfuehlen wird, wenn du die Bruecke siehst, die die letzten paar Hundert Meter bis zum Ziel ankuendigt.
Jedes Mal, wenn ich mir die Bruecke vorstelle, schiessen mir Traenen in die Augen. Weiter, weiter, fuer dich, fuer deine Freunde, fuer alle, die du lieb hast und die nicht mehr laufen koennen, fuer alle, die dir Glueck gewuenscht haben und an dich denken.
…
Irgendwann ended der schmale Weg, jetzt laufe ich auf einem weiten Weg, der im Winter von Langlaufskifahrern genutzt wird. Ich weiss, jetzt ist es wirklich nicht mehr weit. Ein paar junge, kraeftige Kerle spielen Diskgolf und gruessen. Einer fragt mich, wie lange ich schon gehe. „In etwa die letzten 27 Kilometer.“ „Heilige Scheisse, so ne Strecke wuerde ich mich nur tragen lassen!“
Auf den letzten Metern vor der Bruecke laeuft eine Frau mit tiefer Stimme und taetowierten Beinen an mir vorbei. ICH KANN DIE BRUECKE SEHEN und fange an zu schluchzen und zu heulen.
Ein Veranstalter steht mit Sombrero auf der Bruecke, feuert uns an und gibt unsere Startnummern per SMS an die Leute im Ziel weiter. Auf dem letzten Anstieg geht die Frau nur ein paar Meter vor mir.
Dann ruft uns der Veranstalter zu, dass wir ins Ziel einlaufen sollten.
Fuer mich ganz klar, dass das nicht geht und schon seit 27 Kilometern nicht mehr drin ist.
Doch die taetowierten Beine vor mir fangen wieder an zu laufen und die tiefe Stimme ruft mir zu: „Komm schon Maedchen, lauf – du packst das!“
Mein Koerper stellt die Laufbewegung nach.
Nein, er LAEUFT!
Ich kann es nicht glauben, da ist das Ziel und ich laufe, alle jubeln, ich komme immer naeher, Tyrel ist auch da!!
Mein Zieleinlauf. Laufend.Ich erklaere den Helfern, dass ich keinen Zeitstab habe.
Dann hab ich es geschafft. Ich bin im Ziel. Ich bin fassungslos, weiss nicht, wie ich diese wahnsinnige Strecke habe zuende bringen koennen. Und ich bin stolz und dankbar, dass mein lieber Koerper das einfach so mitgemacht hat.
Ich, angekommen.
Und so war der Lauf in Zahlen:
Laenge: 44,24 km
Hoehenmeter bergauf: 1261 m
Hoehenmeter bergab: 1479 m
Zeit: 9 h 24 min 35 sec
Durchschnittstemperatur: 29,8 °C
Durchschnittliche Herzfrequenz: 173 Schlaege pro Minute
Verbrauchte Kalorien: 4730 kcal
Anzahl der ueberholenden Laeufer: Unzaehlig
Anzahl der ueberholten Laeufer: Null
Habe ich ein Fazit? Ich weiss es gar nicht so recht.
Aber ich weiss: Ich wirklich froh um diese Erfahrung. Es hat mir in der Praxis aufgezeigt, was es heisst Mensch zu sein und was man leisten kann, wenn man wirklich will.
Mein Bergmarathon steht bevor. Oder kann man das ueberhaupt Bergmarathon nennen? Es werden 43,7 Kilometer, bergauf, bergab, teils ohne Weg, auf jeden Fall kraxelnd. Ich stelle mich darauf ein, bergauf zu gehen, Kraxelstrecken zu gehen und zu laufen, wenn mir danach ist und ich kann. Hauptsache vorwaerts. Hauptsache innerhalb der Zeitvorgabe beenden. Denn ansonsten kann ich mir gut vorstellen, dass ich mich einfach wieder anmelde, fuer naechstes Jahr.
Unerledigtes sollte man zu Ende bringen, stimmt mein Hirn zu.
Das Ausspaehen meiner Laufstrecke einen Monat vor Startschuss hat mich nicht unbedingt zuversichtlich gestimmt.
Schotter, Schnee und Schlamm.
Doch immerhin konnte ich Tyrel malerisch in Szene setzen.
Ehemann auf Hochebene vor Bergen.
Kurzum: Die Strecke, die ich in knapp vier Wochen laufen werde, ist noch nicht passierbar. Zum Glueck haben wir noch etwas Zeit fuer Tauwetter. Ausserdem bin ich langsam und kann beim Lauf in etliche Fussstapfen treten, hihi.
Im hinteren Bild schneit es, im vorderen Bild schauen Arma und ich auf die naechste Schneeverwehung, die es zu ueberqueren gilt.
Trotz allem freue ich mich darauf. Darauf, in dieser zauberhaften Landschaft zu sein, die den meisten Touristen verwehrt bleibt, da zu unzugaenglich. Und ich freue mich darauf, an meine Grenzen zu gehen.
Geschlossene Schneedecke auf einer Hochebene.
Genau drei Jahre vor dem bevorstehenden Bergmarathon habe ich angefangen zu laufen. Zu dem Zweck habe ich mir eine „Couch to 5k“ App (Vom Sofa zum 5 km Lauf) heruntergeladen. Die erste Woche bestand aus drei Einheiten, die alle sehr anstrengend fuer mich waren. Zuerst fuenf Minuten schnelles Gehen, dann im Wechsel 60 Sekunden langsam laufen und 90 Sekunden gehen. Die Einheiten steigerten sich langsam, sowohl der Lauf- als auch der Gehanteil wurde laenger. Ein lustiger Zombie sagte mir stets ueber meinen Handylautsprecher, wann ich zu laufen oder zu gehen hatte.
Dann erblickte ich den Plan fuer die dritte Laufeinheit von Woche fuenf des Plans. Hier sollte ich 20 Minuten am Stueck laufen! Fuer mich schien das damals einfach unerreichbar. Fieberhaft lies ich durch Internetforen dieses Laufplans. Hat es tatsaechlich schon jemand geschafft, nach nur vier Wochen diese 20 Minuten Dauerlauf zu knacken?
Arma und ich bahnen uns den Weg durch Weiden und Weite der Tundra.
Ja es ist moeglich. Der Koerper ist vorbereitet. Auch wenn man sich es nicht zutraut, es ist moeglich. Ein Forenbeitrag behauptete sogar, wenn man es schaffte, diese 20 Minuten zu laufen, dann kann man mit Training und Zeit jede Distanz laufen, die man sich vornimmt.
Manch Langstreckenlaeufer glaubt, dass solche Rennen im Kopf und im Magen entschieden werden. Wenn die Beine krampfen und sich die Welt gegen einen vorschworen hat mit dieser unmoeglichen Aufgabe – Setzt man den naechsten Schritt?
In den Bergen gelten andere Gesetze als bei Strassenmarathons. Dabei will ich noch nicht mal von Schnee oder Baeren anfangen, die gibt es hier gratis dazu, wenn man Pech hat. Nein, es ist stimmiger fuer mich. Wenn ich in der Stadt laufe, frage ich mich, warum zum Teufel ich nicht den Bus nehme. Doch wenn ich durch Baeche und ueber Bergruecken stakse, fuehle ich mich verbunden mit der Natur und begreife mein Leben als Teil vom Ganzen. Dann macht auch der Diskomfort sinn. Er hat einem diese wunderbare Landschaft erst erschlossen. Und auch wenn wir ihm so oft wie moeglich aus dem Weg gehen, macht er doch erst Wachstum und Evolution moeglich!
Arma und die Tundra.
Ich weiss nicht, ob ich diesen Lauf beenden kann. Aber es zu versuchen, das reizt mich mehr, als die Unsicherheit abschreckt.
Was aus Hahn Jumanji geworden ist, darauf bin ich im letzten Beitrag eingegangen. Heute möchte ich von den anderen vier Hähnen erzählen.
Küken Clover
Junghahn Clover beim SonnenbadClover, ausgewachsen.
Clover lebt auf einer Biofarm und ist Chef über ca. 30 Hennen. Die Hennen sind fuenf bis sechs Jahre alt, während er jetzt knapp fuenf Monate auf der Welt ist. Das könnte der Grund dafür sein, dass er ein wenig ausgepumpt erscheint. Clover ist ein Copper Maran Hahn und Copper Maran Hennen legen dunkelbraune Eier. Falls ich im nächsten Jahr meine Hühnerhaltung ausweiten möchte, würde ich gern ein paar Nachkommen von Clover darin haben. Über verschiedenfarbige Eier würde ich mich sehr freuen.
Kueken SpeedyJunghahn SpeedySpeedy, ausgewachsen.
Speedy lebt auch auf einer Biofarm, auf der gleichen Schotterstrasse wie Clover. Ich bin mir nicht sicher, welche Art Hahn er ist. Eigentlich muesste er Ameraucana sein, denn er ist aus einem blau-gruenen Ei geschluepft und sein Farbschlag Splash kam auch nur bei Ameraucana Huehnern vor bei dem Zuechter, den ich gewaehlt hatte. Aber fuer einen Ameraucana Hahn ist Speedy zu gross und vor allem fehlt ihm der fedrige Bart. Hmm. Speedy ist wohl einfach Speedy.
Der neue Besitzer von Speedy wollte ihn unbedingt als Hahn fuer seine zukuenftigen Legenhuehner haben. Doch die Legehuehner gibt es noch nicht. Damit Speedy nicht einsam ist, hat er eine Huehnerfreundin. Die beiden sind unzertrennlich, es ist wirklich niedlich anzusehen.
Phoenix ist ein Australorp Hahn und hat ein liebevolles Zuhause bei einer Familie gefunden, die als Hobby Huehner haelt. Ich hatte eine lokale Internetanzeige aufgegeben um fuer ihn ein neues Zuhause zu finden. Statt Bezahlung wollte ich ihn einmal besuchen kommen mit der befreundeten Familie, die die Kueken fuer die ersten Lebenswochen im Wohnzimmer hatten. Das gilt uebrigens auch fuer Clover und Speedy. Letztendlich wurde daraus ein schoener Tag mit fuenf Kindern und zwei Erwachsenen, vier Haehne und ca. 60 Huehner zu bewundern.
Phoenix‘ Besitzer hatten am Tag vor unserem Besuch einen neuen Huehnerstall fertiggestellt und uns um Hilfe beim Huehnerumzug gebeten. Wer koennte dazu nein sagen – niedliche Junghennen und Phoenix nach und nach in ihr neues Heim zu geleiten? Eine schoene Erfahrung.
Kueken DaisyDaisy als JunghahnDaisy, ausgewachsen.Daisy mit zweifelndem Blick.
Bis vor einigen Wochen noch haette ich mich wohl dagegen entschieden, den schwarzen Hahn Daisy zu behalten. Er schien nicht so besonders wie die anderen Haehne. Und da die Farbe schwarz dominant vererbt wird, wird der Grossteil des Nachwuchses auch schwarz werden. Letztendlich habe ich mich trotzdem dafuer entschieden. Clover war der einzige Hahn, an dem die Biofarm interessiert war, deren Gemuese ich kaufe. Jumanji hatte anatomische Probleme. Bleiben Speedy, Phoenix und Daisy. Speedy fand ich manchmal zu aggressiv in seiner Persoenlichkeit. Und bevor die Pubertaet richtig einsetzte, war Daisy deutlich verschmuster als Phoenix. Ausserdem wuerden seine Nachkommen zwar mehrheitlich schwarz sein, aber oft noch ein andersfarbiges, rezessives Farbgen der Mutter tragen. Das wuerde interessante Kreuzungsmoeglichkeiten mit der naechsten Generation geben. Ausserdem sind die schwarzen Huehner auch sehr schoen, die Federn schimmern gruen-lila in der Sonne.
Die Inneneinrichtung des Huehnerstalls ist auch vorerst fertiggestellt. Zwar ist kein Schickimicki dabei, aber ich habe alles ganz alleine geplant und gebaut – meist aus Baumaterialresten.
Hoehergelegenes Nest mit Gardinen aus durchgelaufenen Socken.Blick nach rechts unten: Bodennahe Nester mit Ei-Attrappen-Steinen
Das PVC Rohr im Vordergrund ist uebrigens die austomatisch nachfuellende Futterstation. Oben wird das Futter nachgefuellt und unten kann es herausgepickt werden ohne dass die Huehner das Futter herausscharren, noch es verunreinigen koennen.
Da meine Huehner alles alte Rassen sind und keine Hochleistungs-Leger, werden sie erst mit ca. sechs Monaten anfangen zu legen. Das waere dann Ende Oktober. Aber einen guten Monat vorher alles schon fertig zu haben, damit sich die Huehner langsam an die Nester gewoehnen koennen, das hielt ich fuer eine gute Idee.
Eine sehr gute Idee: Fuenf Tage nach dem Nestbau wurde das erste Ei gelegt – mehr als einen Monat eher als erwartet!
Ei, Wunder der Natur. Etwas kleiner als aus dem Supermarkt gewoehnt, aber genauso wohlgeformt.
Die Frage war natuerlich, welche Henne so eifrig die Produktion hochgeschraubt hatte. Ich setzte mich zu den Huehnern und beobachtete, ob sich eine Henne aufaellig benahm. Tatsaechlich: Coco hatte eine Art waessrigen Durchfall, den ich sonst von den Huehnern nicht kenne. Koennte sie es gewesen sein?
Verdaechtigt: Australorp Henne Coco.
Seitdem schaue ich voller Vorfreude mehrmals am Tag in den Stall um zu sehen, ob mehr Eier gelegt wurden. Doch am dritten Tage nach der Legung war morgens immer noch nichts im Nest. Mittags schaute ich nochmal und siehe da!
Henne Coco hockt im Nest.
Ha!! Hab ich’s mir doch gedacht!
Stoeren wollte ich Coco bei der Eiablage jedoch nicht, also gab ich ihr ein Anstands-halbes-Stuendchen, bevor ich wieder nachsah. Was ich fand, ueberraschte mich schon wieder!
Zwei Eier lagen ploetzlich im Nest!
Zwei Eier, eins noch warm und eins kalt. Das warme Ei sah aus wie das allererste, was mich in meiner Vermutung bestaetigte, dass Coco das erste Ei gelegt hat. Das kalte Ei ist ein Mysterium. Wieder habe ich die Huehner genau beobachtet, doch alle Huehner verhielten sich wie immer und wollten mir das GehEImnis nicht verraten.
Es ist jetzt zwei Tage her, seit ich die zwei Eier gefunden habe. Wird es morgen wieder soweit sein? Und wie viele Eier finde ich dann? Werde ich die msterioese Eierlegerin enttarnen koennen?! Es ist maechtig spannend, zumindestens fuer mich. Ihr muesst da jetzt einfach mit durch. 😀
Und jetzt muss ich nochmal Werbung machen fuer Huehner. Lange habe ich gezoegert, mir meinen Huehnerwunsch zu erfuellen. Oft habe ich mir gesagt, dass die Realitaet bestimmt nicht so toll ist, wie ich sie mir vorstelle. Und dass ich zumindestens warten muss, bis ich ein eigenes Grundstueck besitze und genug Zeit und Geld fuer so ein Hobby habe. Und dann, was soll ich machen, wenn ich in den Urlaub fahre? Huehner scheinten mehr Umstand als Nutzen zu sein.
Jetzt kenne ich die Realitaet. Und ich glaube, ich haette mir schon eher Huehner anschaffen muessen. Die Huehner bereiten mir so viel Freude. Der Umgang mit ihren speziellen Charakteren, dass sie saemtliche Essensreste sinnvoll verwerten und schliesslich noch Eier spendieren… Ich mag die Biester so gerne, das gibt mir richtig viel Energie fuer den Alltag. Nach der Arbeit den Stall ausmisten? Kein Problem. Das Wochenende haemmern und schrauben? Gerne. Anbauten planen, damit auch bei -45 °C genuegend Auslauf bereitgestellt werden kann? Auf jeden Fall!
Sogar Arma ist erstaunt, wieviel Antrieb mir die Huehner verleihen. 😉
Arma auf der Couch, etwas perplex.
Ich wuensche dir, dass du auch ein Projekt findest, das dich beseelt und motiviert. Wie waere es mit ein paar Huehnern? Oder hast du eine andere Idee, was fuer dich klappen koennte? 🙂