Gestern dann, am zweitkuerzesten Tag des Jahres, habe ich mich nochmal aufgemacht. Zwar nicht zur malerischen Aussicht im Nirgendwo sondern vom Industrie- ins Wohngebiet und wieder zurueck.
Trotzdem war ich draussen und trotzdem war es schoen.
Wobei ich nicht viele Leute kenne, die einen Lauf bei -26 °C als schoen bezeichnen wuerden. Aber vereinzelt gibt es sie, die Gleichgesinnten.
Landschaft in weiss-blau-flieder.
„Wie gut, dass ich laufe.“, denke ich mir, waehrend ich mir meinen Gesichtsschutz mit behandschuhten Fingern ueber die Nase ziehe. „Anstonsten wuerde mir noch kalt werden!“
Der fliederfarbende Streifen durchzieht die blaue Stunde und sinkt tiefer und tiefer, immer dem Horizont entgegen.
Mond, Strassenlaternen, Winterfarben.
Ich laufe den Berg hinauf. Einerseits um meine Kondition zu verbessern, andererseits um meiner Freundin, die auf dem Berg wohnt, etwas zu ueberreichen.
Dort angekommen verquatsche ich mich ein bisschen im warmen Haus. Die Eiskristalle auf meiner Kleidung schmelzen, machen nass und kalt. Keine gute Kombination bei dem Wetter, aber ich kann mich ganz gut einschaetzen und weiss, dass ich den Berg nur einmal runter- und wieder hinauflaufen muss um wieder Betriebstemperatur erreicht zu haben.
Das Morgenflieder hinterlegt schon die Berge am Horizont.Irgendwann verwandelt sich das Flieder in Terracotta.
Dann wird es hell im Osten.
Direkt angestrahlte Wolken leuchten bevor die Sonne strahlt.
Schliesslich kommt meine liebste Winterdekoration zum Vorschein.
Die ersten, roten Sonnenstrahlen lassen Fichtenwipfel erstrahlen.
Ich muss noch zwei weitere Kilometer laufen, bis auch ich von den Strahlen erfasst werde.
Winterfarben: Weiss, blau, gold, orangerot.
Kurz vor 12 Uhr mittags zaubert mir die Morgensonne einen rosigen Teint aufs Gesicht.
Ich, frostig-rosig mit Kinn-Eiszapfen.
Wieder im Buero angekommen frage ich meine Kollegin, was ihre Plaene fuer die Feiertage sind.
„Mich entspannen und zunehmen.“
Das finde ich genial – die Kombination scheint erreichbar und am Ende hadert man nicht mit den kneifenden Hosen. Es war schliesslich so geplant!
Essbare Blueten in Garten: Kornblumen, Veilchen, Stiefmuetterchen, Katzenminze.Mein Rucola blueht und ich finde die weissen Blueten so wunderschoen.Reiche Ernte: laenglich-blaue haskap berries oder Honigbeeren.Selbst die Bergziege im Tiergehege zieht das Winterfell aus.Malen mit Filzstiften: Der Takhini River.Mein Gemuesegarten samt Regenbogen.Im Ueberfluss wachsende highbush cranberries, eine Art des Schneeballs.Auf der Hauptstrasse in Whitehorse: Fussgaengerueberweg in deutschen Nationalfarben.Ich versuche mich an Stand Up Paddling – Paddeln im Stehen.Arma, guter Laune beim Spaziergang.Senfblueten in meinem Feld.Fireweed (Weidenroeschen) in meinem Haferfeld.Sahne schlagen ohne Strom mit Akkubohrmaschine.Das Ergebnis: Haskap-Mohn-Eiscreme, selbstgemacht.Selbstgegrillte Pizza mit Salami, Zwiebeln, Kaese, eingelegten Gurken, eingelegten Pfefferschoten und Dill.Ich, bemehlt, beim Pizza backen.Arma und ich machen Pause vom Wandern auf einer Steilwand.Lohnende Aussicht mit Berg und Tal.
Das Jahr 2020 neigt sich dem Ende zu. One for the books – Eins fuer die Geschichtsbuecher, merkte meine Freundin an. Viele Plaene hat es durchkreuzt, aber doch auch viele Chancen gegeben, Chancen sich selbst nochmal neu kennenzulernen und auszurichten. Sich zu ueberlegen, was wirklich wichtig ist im Leben. Ob man vielleicht etwas anders ausrichten sollte.
Mein 2020 fing sehr hoffnungsvoll an. Ich wollte einen Marathon laufen, das Feld bestellen und Huehner halten. Das mit den Huehnern hat geklappt und macht mir nach wie vor viel Freude. Das Feld ist nicht bestellt, aber schon gut vorbereitet fuer 2021. Einen Marathon bin ich dieses Jahr nicht gelaufen, dafuer insgesamt ueber 1000 km. Kleinvieh macht auch Mist. Wenn man gelaufene, geradelte und Ski gelaufene Kilometer zusammenzaehlt, komme ich sogar auf ueber 2000 km und 255 Stunden Ausdauersport. So aktiv war ich noch nie, trotzdem fuehle ich mich selbst nicht sportlich. Vielleicht liegt das daran, dass ich in meiner Kindheit und Jugend so sehr unsportlich war. Oder kann man in das sportliche Gefuehl noch reinwachsen?
Auch gab es viel Streit in meiner Ehe in 2020. Wie geht man mit der Pandemie um, wer erledigt welche Arbeiten, wie soll die Zukunft aussehen? Was fuer ein Kraftakt! Doch wenn was schwelt, soll es auch rausgelassen werden. Und in den letzten Wochen haben wir wieder einen guten Weg miteinander gefunden. Mir ist klar geworden, dass das ein Muster ist in meinem Leben, das ich gern ablegen wuerde. In einer Beziehung bin ich in den ersten Jahren oft zu angepasst, beziehungsweise so verliebt, dass ich meine eigenen Beduerfnisse fast vergesse. Dann wache ich auf nach ein paar Jahren, schaue mich um und bemerke, dass mir der Schuh nicht passt. Da ich nicht sehr (bzw. ueberhaupt nicht) diplomatisch bin, bedeutet das dann schnell Kopf durch die Wand und Eskalation. In der Hinsicht moechte ich gern an mir arbeiten. Lernen, in jeder Situation bei mir zu bleiben, meine Beduerfnisse zu kennen und zu kommunizieren. Ansonsten trag ich das noch ein ganzes Leben mit mir rum!
Daraus leitet sich mein Wunsch fuer 2021 ab. Ich moechte ganz bei mir bleiben, dabei aber offen und flexibel fuer alle Chancen, die sich bieten. Nachdem sich 2020 fuer mich oft nach Stillstand und Ausharren angefuehlt hat, wird 2021 vielleicht wild und voller Umbrueche. Ausserdem moechte ich gerne Kunst schaffen. Manchmal habe ich das Gefuehl, dass ich ein Kuenstler bin, der im Ingenieurskoerper gefangen ist. Und 2021 moechte ich einen Kanal finden, mich auszudruecken. Etwas zu schaffen, das es vorher in dieser Welt noch nicht gab. Wie genau das aussehen wird, weiss ich noch nicht. Toepfern wuerde ich gern mal ausprobieren. Und einen eigenen, kreativen Raum haette ich gern. Ein Leinenzelt im Feld. Wo nicht, wie in unserem Haus, alles praktisch sein muss. Sondern wo ich mich mit Farben und Formen umgeben kann, die mir gerade besonders gefallen.
Weiterhin moechte ich immer noch einen Marathon laufen. Und das Feld bestellen!
Kommen wir zu meinem Bild des Jahres.
Junghenne Icicle nach ihrem ersten Sprung auf meine Schulter.
Definitiv ein Huehnerbild. Die lieben Huehner haben mir so viel Freude bereitet in einem Jahr, das manchmal schwierig war. Dafuer bin ich sehr dankbar!
Die Sprungfreude der Huehner ist auch weiterhin gegeben.
Leider ist gestern ein Huhn ploetzlich gestorben. Das hat mich traurig gemacht. Henne Moonlight, mit der ich ein ambivalentes Verhaeltnis hatte, gibt es nicht mehr. Sie hatte keine Wunden, Parasiten oder sonst etwas, was ihren Tod haette erklaeren koennen. Genuegend Futter und frisches Wasser ist natuerlich vorhanden. Und Krankheitsanzeichen hatte sie auch nicht, sie war munter wie die anderen.
Machs gut, Moonlight, du huebscheste Henne!
Ich habe mit anderen Huehnerbesitzern gesprochen und auch im Internet gesucht. Aber anscheinend kommt es hin und wieder vor, dass ein sonst gesundes Huhn ploetzlich stirbt. Manche Huehner erleiden einen Herzinfarkt oder bei manchen Hennen bleibt ein Ei stecken. Und dann war’s das.
Dem Tod von Moonlight sind ein paar Unruhen in der Huehnerschar vorausgegangen. Zunaechst gab es Anzeichen, dass Brave und Warrior von anderen Huehnern angepickt wurden. An den Huehnerhaelsen fehlten ein paar Federn, Ersatz wuchs aber schon wieder nach. Erstaunt war ich vor allem bei Warrior, ist sie doch die beste Freundin von Moonlight, die normalerweise andere Huehner piesackt. Brave und Warrior habe ich dann mit einem bitteren Anti-Pick-Spray behandelt, woraufhin keine weiteren Federn abhanden gekommen sind. Doch nachts, wenn normalerweise Moonlight alleine auf einer Seite des Stalls schlief, manchmal gemeinsam mit Warrior, da hatte sich das Blatt gewendet. Ploetzlich schlief Warrior allein und Moonlight schlief zusammen mit den anderen Huehnern und Hahn Daisy auf der anderen Seite. Und dann war Moonlight tot.
Bei dem stark ausgepraegten Sozialgefuege habe ich mich schon gefragt, ob Warriors fehlende Federn und ploetzliches Allein-Schlafen im Stall daher kommt, dass Moonlight sie ausgestossen hat, um wieder bei den restlichen Huehnern anzubaendeln. Und dann Moonlights ploetzlicher Tod. Aber wie gesagt, ein Huehnermord mit den ueblichen Waffen konnte ausgeschlossen werden.
Als ich am Abend aufschreiben wollte, wofuer ich an dem Tag dankbar bin, musste ich trotzdem nicht lang ueberlegen. Ich war dankbar, noch acht gesunde Huehner zu haben. Und dafuer, dass ich Ski laufen war. Dass mein Koerper dazu faehig ist, dass ich die Zeit und das Geld dafuer habe und dass ich inmitten einer wunderschoenen Landschaft leben darf.
Boreale Nadelbaeumchen, Loipe und Schnee.Abfahrt in das zugefrorene Sumpfgebiet.Im Sommer wuerde man hier im Morast versinken, im Winter gleitet man obenauf.Die Sonne versinkt hinter den Bergen.
Vor allem versuche ich zu dieser Zeit die kurzen Tage und langen Naechte zu geniessen. Die ausgedehnten, dramatischen Sonnenauf- und -untergaenge. Das Alpengluehen. Den Sternenhimmel.
Gluehende Bergspitzen am Mittwintermorgen.Schneelandschaft zur blauen Stunde.Die Magie des ersten Sonnenlichts.Schneebaeume vor Goldsonne hinter Winterberg.
Die Zeit um die Wintersonnenwende stimmt mich hier im Norden sehr besinnlich. Aehnlich muessen es unsere Ahnen erlebt haben, die noch verbundener und abhaengiger von der Natur und ihren Jahreszeiten waren. Die langen Naechte, eine wertvolle Gelegenheit zum Innehalten, zur Besinnung. Und auch zum Dankbarsein, zum Schenken. Die Weih-Nacht.
Wie schon die letzten vier Jahre hier hatten wir an Heiligabend ein Lagerfeuer zum Wuerstegrillen. Anschliessend gab es dann ebendiese Wuerste samt Kartoffelsalat zum Abendessen, dann jedoch im Haus.
Tyrel und das Tonnenfeuer.Auf meiner heissen Schokolade schwimmen Marshmallows… Mhhh…
Am ersten Weihnachtsfeiertag besuchten wir unsere Freunde James und Joe. Danach war Ausspannen angesagt.
Ich habe ganz viele liebe Weihnachtsemails bekommen, denen ich noch Antworten schuldig bin. Doch ich beantworte schonmal die beiden meistgestellten Fragen. Ja ich hatte ein schoenes Weihnachtsfest. Nein, das Paket ist noch nicht angekommen, die kanadische Post ist extra schnarchnasig dieses Jahr. Dafuer kommt es bestimmt puenktlich zu meinem Geburtstag – ich melde mich spaetestens, wenn es da ist. 🙂
Vielen Dank fuer ein weiteres Jahr, in dem ihr euch fuer das interessiert, was ich schreibe. Danke fuer die vielen Kommentare, lieben Worte, Witze und guten Ideen! Ich hoffe auch ihr konntet einen Sinn in eurem Jahr 2020 sehen und habt gute Wuensche fuer 2021.
Den Sommer habe ich dafuer genutzt, zu ueberlegen. Was mich aus der Bahn geworfen hat. Ja, vielleicht Corona. Aber genau was an Corona? Und was kann ich machen um mich in dem Leben, das ich gestalten kann, wieder in Balance zu bringen?
Ich glaube es war mein Thema mit der Freiheit. Ich liebe das Gefuehl von Freiheit, von Moeglichkeiten und Selbstbestimmtheit. Das ist uns in den letzten Monaten allen ein wenig abhanden gekommen. Auch wenn es vorher vielleicht nur eine Illusion war, denn wie viele der scheinbar unbegrenzten Moeglichkeiten hat man denn tatsaechlich ausgekostet? Und vieles ist doch noch machbar, wenn auch vielleicht anders als gewohnt.
Also was kann ich tun um mich wieder frei zu fuehlen?
Fuer mich lautet der Weg: Eigenverantwortung uebernehmen und so viel wie moeglich selbst machen. Auch wenn ich es gut finde, dass Tyrel und ich uns gut ergaenzen in der Partnerschaft, verleitete es mich dazu, manche Dinge nicht mehr selbst zu machen. Weil er schneller/geschickter/besser ist in einigen Dingen. Doch das fuehrte unbemerkt zu einer gewissen Abhaengigkeit, da ich ihn ja oefter darum bitten musste, gewisse Dinge zu tun. Dass er fuer zwei Monate auch am Wochenende gearbeitet hat, hat die Situation natuerlich nicht entspannt. Also Aermel hochkrempeln und selbst ist die Frau.
Einige kleinere Bauprojekte wurden von mir geplant und durchgefuehrt, ganz alleine. Normalerweise halte ich wenigstens Ruecksprache mit Tyrel, weil er mehr Erfahrung in den Dingen hat. Aber alles hat auch so geklappt.
Mit Freunden habe ich eine Zeltgarage aufgebaut, in der ich meine Sachen lagere, sowie alles was zu Huehnern und Landwirtschaft gehoert. Ausserdem habe ich dort eine kleine Werkbank, mit der ich wetterunabhaengig werkeln kann.
Fuer vier Tage habe ich eine viertaegige Kanutour mit Freunden gemacht und ganz ohne Tyrel geplant, gepackt, gepaddelt und gelagert. Er musste arbeiten und hat sich um die Huehner gekuemmert.
Und was mir mit Abstand am schwersten fiel:
Ich habe Hahn Jumanji gekoepft und zu Suppe verarbeitet.
Fuenf Haehne hatte ich insgesamt. Einen habe ich behalten, drei habe ich zu neuen Huehnerharems vermitteln koennen. Doch Jumanji… er hat Klumpfuesse bekommen, was immer ausgepraegter wurde je schwerer er wurde. Am Ende konnte er weder scharren noch in den Stall huepfen ohne regelmaessig umzufallen. Auf eine Sitzstange fuer die Nacht fliegen klappte auch nicht. Ich wusste nicht, ob ihm die Fussfehlstellung Schmerzen bereitet hat. Aber in der letzten Woche seines Lebens wurde er richtig fies zu seinen Mithuehnern und auch zu mir und griff gerne an, wenn man in seine Naehe kam. Ich koennte jetzt einen Vergleich ziehen zu einem Propagandaminister mit Klumpfuss, aber lasse es lieber.
Ihn zu schlachten, was in der Theorie logisch klang, war nicht mehr so einfach als er vor mir lag und mich ansah, waehrend ich das Beil ansetzte. Doch eine Alternative sah ich nicht.
Jemand anders fragen, die Handlung fuer mich zu erledigen?
Nicht selbstverantwortlich.
Ihn leben lassen?
Nicht verantwortungsvoll ihm gegenueber (wobei ich mir bewusst bin, dass es dazu andere Meinungen gibt).
Ihn beerdigen?
Nicht fair gegenueber all den anonymen Lebewesen, die ich bisher in meinem Leben gegessen habe. Die waren genauso am Leben wie Jumanji, nur dass sie keinen Namen hatten, nicht mit ihnen gekuschelt wurde, sie weder gekannt noch geliebt wurden.
Waere es besser, wenn er nach dem Schluepfen direkt geschreddert worden waere, wie es zu Millionen geschieht?
Waere es besser, sich mit Fleischkomsum nicht naeher zu befassen und einfach im Supermarkt zu kaufen, was sauber abgepackt im grell beleuchteten Regal steht?
Waere es besser, vegan zu leben?
Viele Fragen auf die nur jeder selbst eine Antwort finden kann.
Fuer mich ist es okay Tiere zu essen, wenn ich mich aktiv damit auseinandersetze und daran teilhabe. Daher jage ich, arbeite ich in der Fleischerei und esse meine Huehner, wenn ich keine andere Moeglichkeit sehe, sie ein glueckliches Leben fuehren zu lassen.
Trotzdem:
Tut mir leid, Jumanji.
Danke Jumanji.
Ich hab dich gern Jumanji!
Nun ist Hahn Daisy der Chef in der Gruppe. Seine Zehen sind zwar auch nicht perfekt gerade, aber das ist nur ein Schoenheitsfehler – er kann scharren, springen und laufen ohne Probleme.
Aber die letzten Wochen waren nicht nur schwer und wegweisend. Sie waren auch voller schoener Momente, Lachen und Bewunderung fuer die Natur.
Zum Beispiel habe ich endlich das perfekte Dankeschoen Geschenk fuer meine Freunde gefunden, die die Kueken in den ersten Wochen grossgezogen haben: Kissen, die mit einem Bild ihres Lieblingshuhns bedruckt wurden.
Ich freue mich ueber die zwei Kissen mit Huhn Icicle. Der rechte Hintergrund ist das Weltall, und der linke Hintergrund eine Strasse in Tokyo.
Natuerlich gab es auch viele schoene Momente mit den Huehnern.
Alles in allem ein schoener, wenn auch verregneter Sommer. Morgen hole ich die letzte Gemuesekiste der Saison ab. Und dann geht es in grossen Schritten auf den Winter zu.
Danke an die treuen Seelen, die trotz der Inaktivitaet hier trotzdem regelmaessig reinschauen. Das motiviert mich immer wieder, mich trotz Unlust doch zum Schreiben aufzuraffen!
Das Gleiche gilt natuerlich fuer die Wachruettelversuche per Email. ^^
Habt ihr die Krise auch als Anlass genommen, mehr selbst taetig zu werden und was zu machen, was ihr sonst nicht getan haettet? Und hilft euch das so wie mir? Wuerde mich ja interessieren. 🙂
Heute mal ein Alltagsbeitrag von mir – genau so wie es mein Bruder Johannes gern liest. 🙂
Mein Lieblingstag in der Woche ist zur Zeit der Donnerstag. Da ich nur noch 30 Stunden bei der Airline arbeite, arbeite ich meist montags bis mittwochs je acht und dann donnerstags nur schlappe sechs Stunden. Freitag ist dann Fleischtag, aber der kurze Donnerstag hat es mir angetan. Es folgt mein Donnerstagsbericht, am Beispiel des Donnerstags letzter Woche.
Der Wecker klingelt um 5:06 Uhr. Die Sonne scheint noch nicht, dafuer ist die Sommersonnenwende schon zu lange her. Doch es ist angenehm-blau-daemmrig im sonst so roten Zelt.
Blick an die Zeltdecke, getaucht in ein samtig-blaues Licht.
Leise faengt es an zu nieseln und ich strecke mich noch ein wenig. Nieselregen auf dem Zelt, das loest bei mir ein ganz wohliges Gefuehl aus. Ich bleibe noch etwas laenger liegen und lese ein wenig auf meinem Handy.
Als ich mich schliesslich aus dem Schlafsack pelle, haben sich die feinen Sprenkel auf der Plane in ein rhythmisches Trommeln verwandelt. Zum Glueck habe ich meinen Hut mit ins Zelt genommen!
Draussen lass ich als erstes die Huehner aus dem Stall. Wenigstens moechte ich ihnen die Moeglichkeit geben, ein- und auszukehren wie es ihnen beliebt. Wie jeden Morgen stroemen die Huehner in den Auslauf. Doch heute flattern sie nicht mit den Fluegeln, sondern sie schuetteln sich. Ich wuensche einen guten Morgen und ziehe weiter.
Ein Outhouse steht im Walde, ganz still und stumm.
Dann geht es weiter aufs Plumpsklo, oder Outhouse. Dank der transparenten Kunststoff-Wellplatten als Dach ist es drin genauso hell wie draussen. Ausserdem verstopft es nie und eine Klobuerste ist auch nicht notwendig.
Schliesslich mache ich mich im Tiny House fertig fuer den Tag und fahre gen Arbeit. Auf halber Strecke zeichnen sich auch endlich die Berge hinter den Wolken ab, die normalerweise das Panorama unseres Feldes bilden.
Bergkulisse hinter Regen, Highway und gerissener Windschutzscheibe.
In meinem Buero angekommen giesse ich meine Tomatenpflanzen und bin anschliessend fuer ein paar Stunden produktiv. Bis ich meine verlaengerte Mittagspause nehme und aus dem Buero laufe, zu den nahegelegenen Mountainbiketrails. Auf halber Strecke treffe ich meine Freundin und wir laufen eine gute Strecke zusammen ueber Stock und Stein. Normalerweise stolpere und falle ich oefters, doch heute nicht – obwohl es immer noch regnet. Dafuer werden wir beide von einer Wespe gestochen.
Durch die Feuchtigkeit leuchten die Farben im Wald und alles duftet herrlich. Meine Freundin und ich fuehlen uns gluecklich und sind dankbar, dass wir diese schoene Gegend an einem Donnerstagvormittag nutzen koennen, ohne dafuer extra irgendwo hinfahren zu muessen!
Zurueck im Buero ist kaum noch etwas von meinen Wochenstunden uebrig. Ich arbeite waehrend ich mein mitgebrachtes Mittagessen verspeise (zwei Schraubglaeser mit ueber Nacht eingeweichten Haferflocken, Nuessen und Beeren und ein Stueck Kaese). Dann packe ich schon bald zusammen und duese in Richtung Stadt, denn donnerstags besuche ich meine Freunde im Kaeseladen!
Zwar ist mein Portemonnaie nach dem Besuch im Kaeseladen leichter, doch meine Schritte sind es auch. Und dass, obwohl ich eine schwere Tuete trage.
Der naechste Stopp ist der Bauernmarkt, der donnerstags ab 15 Uhr stattfindet. Besucher des Marktes stehen in Schlangen und muessen sich vor Eintritt die Haende desinfizieren. Doch die Stimmung ist gut – der Markt gehoert hier zum Sommer dazu und findet nur ca. vier Monate lang statt im Jahr. Ausserdem hat es aufgehoert zu regnen!
Ich umgehe die lange Schlange des Standes „meiner“ Biofarm und stelle mich von der anderen Seite an. Waehrend ich mich nach dem Wohlbefinden von Hahn Clover erkundige (blendend) wird mein gruener Einkaufskorb beladen mit den Leckereien dieser Woche und einem Flugblatt; dann bin ich schon wieder auf dem Weg. Bezahlt habe ich fuer die ganze Saison im Vorraus im Fruehjahr. Aussuchen, was ich bekomme, kann ich mir nicht. Jeder bekommt das Gleiche. Eine prima Gelegenheit, neue Rezepte auszuprobieren mit Gemuesesorten, die sonst nicht im Einkaufswagen landen wuerden.
Skeptisch sehe ich auf das riesige Buendel Mangold. Zusammen mit meiner Schwester und Cousine habe ich mir frueher haarstraeubende Gute-Nacht-Geschichten ausgedacht. Eine Geschichte, die sich ueber mehrere Abende erstreckte, handelte vom Sandmaennchen, der auf dem Mond riesige Tanks voller Mangold-Erbrochenem lagerte. Gekauft habe ich Mangold daher selbst noch nie. Doch zum Glueck schlaegt das beiliegende Rezept der Woche etwas mit Mangold vor – ich muss mir also keine Gedanken machen.
Ich schlendere noch eine Runde ueber den Markt (wegen der Sicherheitsvorkehrungen nur im Uhrzeigersinn erlaubt), kaufe noch ein, zwei Leckereien und schiesse ein Foto fuer euch.
Gemuesiger Einkauskorb vor Marktszene. Orangene Pylone zeigen den korrekten Abstand beim Schlangestehen an den jeweiligen Staenden an.
Auf dem Parkplatz im Auto nasche ich ein Eis, das den Weg in meinen Einkaufkorb gefunden hat. Dann fahre ich nach Hause.
Dort werde ich begruesst von Arma, die umgehend das Baeuchlein zum sofortigen Streicheln freigibt und bewirbt. Dem kann ich natuerlich nicht widerstehen. Die Einkaeufe werden grob verstaut und Arma und ich schauen nach den Huehnern.
Nach Regen lieben es die Huehner, den Erdboden aufzukratzen und sich ausgiebig zu waelzen. Es macht grossen Spass, sie zu beobachten!
Doch Arma und ich gehen eine Runde durch das Feld und spielen ausgiebig „Hol das Stoeckchen“.
Arma beim aufgeregten Apportieren. Mein Vater findet, die sieht Knecht Ruprecht von den Simpsons aehnlich. Nach diesem Bild gibt es keinen Widerspruch mehr – sogar die Comicaugen sind vorhanden.
Anschliessend schluepfe ich in Gummistiefel und bewaffne mich mit Schaufel, Besen und Schubkarre. Donnerstags wird der Huehnerstall ausgemistet.
Huehnerstall vorher und nachher. Bis auf die fehlenden Federn im Stroh kein grosser optischer Unterschied, doch der frische Stall duftet herrlich.
Nach der Stallsaeuberung verbringe ich noch etwas Zeit mit meinen fedrigen Freunden.
Irgendwann grummelt mein Bauch; ich folge dem Ruf und bereite das Abendessen im Haus zu. Es gibt herzhafte Mangold-Muffins, wie das Rezept der Woche meiner Gemuesekiste vorschlaegt. Waehrenddessen lerne ich eine neue, englische Vokabel. Das Rezept verlangt nach der Haelfte des beiliegenden „summer savory“ Buendels. Ein Kraut, sieht so aehnlich aus wie Rosmarin aber kann ich nicht direkt zuordnen.
Das Internet loest auf: Es ist Bohnenkraut! Das habe ich in Deutschland geliebt, aber nur getrocknet gekannt.
Waehrend der Zubereitung fragt mich Tyrel fuenf Mal aufgeregt, ob ich wirklich herzhafte Muffins zubereite. Ich mache eine mentale Notiz, dass ich ihm damit anscheinend eine Freude machen kann.
Die Muffins sind superlecker, genau wie der Burrata-Kaese, der das Abendessen abschliesst. Ich verbringe noch Zeit mit Tyrel, wir tauschen uns ueber unseren jeweiligen Tag aus und schauen gemeinsam lustige Bilder im Internet an.
Schlussendlich liege ich wieder im Zelt. Die Sonne scheint noch, die Stimmung ist eine andere als noch heute Morgen. Ich schliesse meine Augen und versuche das Zappen des elektrischen Zauns zu zaehlen aber komme nicht weit, bis ich einschlafe.
Zelt am Abend. Mein Innenschlafsack haengt noch an der Lampe zum Lueften.
Habe schon laenger nicht mehr gebloggt und schreibe daher heute ein Update zu mehreren Themen.
Arbeit
Tyrel hat eine neue Arbeitsstelle gefunden, weg vom Tourismus und mit Instandhaltung von Maschinen, was ihn interessiert. Zunaechst einmal bedeutet das natuerlich einen Einschnitt im Gehalt, aber ich bin froh, dass er endlich auf den Karrierepfad geraten ist, der ihn erfuellt und den er langfristig ausfuehren moechte. College ist zunaechst nicht mehr auf dem Plan fuer den Herbst aber die neue Firma scheint auch Moeglichkeiten zur Weiterentwicklung zu bieten, wenn man sich gut macht.
Ich arbeite noch fuer die Fluggesellschaft. Allerdings wurden meine Wochenstunden auf 30 reduziert. Als dies verkuendet wurde, wusste ich sofort, dass ich einen Minijob haben moechte fuer einen Tag in der Woche. Mal wieder was Neues lernen und machen, das war sowieso ueberfaellig.
Also habe ich mir Gedanken gemacht, was ich am liebsten machen wuerde, wenn ich es mir aussuchen koennte. Die Antwort darauf war relativ schnell klar: Ich wuerde gern in einer Fleischerei arbeiten. Nein, nicht bei Toennies. Sondern in meiner Lieblingsfleischerei, die ausschliesslich Fleisch von Tieren aus der unmittelbaren Umgebung verarbeitet und anbietet.
Beim naechsten Einkauf ein paar Tage spaeter habe ich meine Arbeitsabsicht kundgetan und sollte direkt den kommenden Freitag anfangen. Gesagt, getan. Seitdem arbeite ich freitags in der Fleischerei. Ich zerteile Organe, schneide Aufschnitt, poekel Speck, mache Wurst, raeuchere, verpacke und einiges mehr. Die Familie, die die Fleischerei betreibt, ist sehr lieb und die Arbeit macht Spass. Ausserdem lerne ich eine ganze Menge, das gefaellt mir immer gut.
Ich habe Spass mit dem hydraulischen Wurstfueller. Heute in der Herstellung: Boerenworst nach suedafrikanischem Rezept.
Huehner
Die Huehner sind gross, keine Anzeichen mehr von Kuekenzeit oder Halbstarken. Derzeit sind fuenf Haehne klar zu identifizieren – ich finde das reicht auch. Bleiben immer noch acht Hennen. Ein Hahn ist bereits umgezogen und lebt nun auf einem Biohof mit einem Harem Legehennen auf einer gruenen Wiese.
Ein letztes Kuscheln mit Hahn Clover.
Der Hahn im Korb. Hahn Clover mit ca. 30 Hennen.
Der Hahn, den ich gern behalten haette, hat mit der Zeit schiefe Zehen und somit Gleichgewichtsprobleme bekommen. So gern ich ihn habe, er wird zum Suppenhuhn werden. Schade drum. Aber es scheint ein genetisches Problem zu sein, da kein anderes Huhn aehnliche Probleme hat. Ich habe ueberlegt, ihn zu beerdigen, aber das fuehlt sich nach Verschwendung an. Wenn er gegessen wird, hat sein Leben beziehungsweise sein Tod mehr Sinn, wie ich finde.
Hahn Jumanji mit schiefen Zehen.
Huehner Jumanji und Brave helfen mir, Huehnerartikel von meinen Eltern zu praesentieren.
Auch sonst sind die Huehner munter und nach wie vor sehr menschenbezogen.
Huehner liegem gemuetlich vor dem ehemaligen Hundehaus, jetzt Huehnerbadehaus.Morgendliches Geflatter im Auslauf nach Toroeffnung.Der Klassiker: Verruecktes Huhn auf Schulter.
Laufen
Leider bin ich nicht wie geplant schon einen Marathon gelaufen.
Das Rennen hat ohne mich stattgefunden, trotzd der Pandemie. Die Regeln wurden stark veraendert um die Abstands- und Hygienevorgaben einzuhalten. Das hat dazu gefuehrt, dass es sich fuer mich nicht mehr nach Spass angehoert hat. Und Tyrel, mein Staffelpartner, wollte waehrend einer Pandemie nicht an einer Gruppenveranstaltung teilnehmen.
Ausserdem hatte ich eine gereizte Sehne im Fuss und habe ein paar Wochen vorher pausieren muessen. Nun ist alles wie neu und ich trainiere fuer meinen Bergmarathon 2021!
In diesem Sommer oder Herbst will ich trotzdem noch einen Marathon oder aehnliches laufen, wenn auch nicht ueber Berge. So weiss ich wenigstens, dass ich die Distanz stemmen kann und habe eine mentale Blockade weniger.
Da ich Ende April 80 km in einer Woche gelaufen bin, denke ich, dass es im Bereich des Moeglichen liegt.
Abschlussbild einer 80 km Laufwoche im April mit Arma und mir (daher der Schnee im Hintergrund).
Derzeit laufe ich ein- bis dreimal in der Woche, fahre aber viel Rad. Wenn es wieder kaelter wird, werde ich das Radeln wahrscheinlich wieder lassen – mit Fahrtwind ist es mir dann doch zu kalt.
Mein liebes Rad und ich halten eine Rast.
Arma
Leider hat Arma eine Autoimmunerkrankung entwickelt, die zu einer chronischen Entzuendung und Pigmentierung der Augenhornhaut fuehrt. Jetzt sind lebenslaenglich Augentropfen angesagt. Allerdings macht das die Augen empfindlicher fuer Verletzungen. Wir haben also eine schneidige Schutzausruesting besorgt.
Nasser Hund mit Schutzbrille wartet auf das Werfen eines Stoeckchens.
Um Arma mit auf ausgedehntere Wanderungen nehmen zu koennen, gewoehnen wir sie ausserdem an einen Hunderucksack.
Lasthund vor Bergkulisse.
Und sonst so
In der letzten Zeit ist mir klargeworden, dass die ganze Pandemie doch nicht spurlos an mir vorbeigegangen ist, sondern mich etwas aus der Bahn warf. Ohne, dass ich das zunaechst gespuert habe.
Jetzt habe ich es erkannt und bin dabei, meine Balance wieder herzustellen.
Dazu gehoert, dass ich mir mehr Zeit nehme, den Sommer zu geniessen, statt ausschliesslich schier endlosen Projekten nachzulaufen. Ich treffe mich mehr mit Freunden, gehe mehr wandern, zelte bei den Huehnern, lese ein spannendes Buch (Danke, Anke!). Ich rede darueber, was nicht rund laeuft und merke, wie viele Leute in meinem Bekanntenkreis aehnlich fuehlen.
Auch wenn ich die ganze Krise oft gern abschuetteln und belaecheln wuerde – das macht es nicht besser.
Stattdessen kann ich mir viele Fragen stellen. Wer bin ich, was ist mir wichtig, wohin geht die Reise derzeit, wofuer und wie kaempfe ich?
Alles wichtig, um nicht irgendwann aufzuwachen und zu bereuen. Und Reue-Minimierung ist meine erklaerte Lebensmaxime. Von daher bin ich dankbar, dass mir die Krise diese Chance zum Innehalten gegeben hat.
Meine erste Fahrt in einem Kajak. Hat viel Spass gemacht.Der Weg ist das Ziel – vor allem in alpinen Hoehen.Freie Sicht oberhalb der Baumgrenze auf ca. 1300 Hoehenmetern.
Ich glaube, das musste ich erst fuer mich klaeren, bevor ich diesen Blogeintrag schreiben konnte. Also danke fuer die Geduld!
Dass WordPress den Editor komplett geaendert hat und immer noch aendert, hat auch nicht unbedingt die Schreiblaune gefoerdert. Aber jetzt hab ichs ja geschafft.
Im Januar 2018 betrat ich den hiesigen Kaeseladen.
Mein erster Impuls: „Ich will ALLE Kaesesorten essen!!!“
Mein zweiter Impuls: „Wie kann ich dieses Ziel tatsaechlich erreichen und wie werde ich wissen, dass ich es erreicht habe?“
Mein dritter Impuls: „Ich fuehre eine alphabetische Liste der Kaesesorten, die ich in diesem Laden gekauft und dann verkoestigt habe. Mit einer kurzen Bemerkung, wie sie mir gefallen haben, damit ich weiss ob ich sie im Angebot wieder kaufen sollte. Damit ich nicht im Schuldturm ende, ist mein woechentlichs Kaesebudget mein errechneter Brutto-Stundenlohn.“
26 Monate spaeter.
Ich bin auf Reihe, habe das letzte Stueck Kaese erworben, das noch nicht in meiner Liste aufgefuehrt war. Jetzt umfasst diese Liste 315 alphabetisch geordnete Sorten Kaese mit jeweils einer kurzen, subjektiven Bewertung meinerseits.
Die Verkaeufer im Kaeseladen sind zu guten Freunden geworden. Freunde, die besorgt sind, was denn jetzt geschieht, wenn ich mein Ziel erreicht habe. Ob es mir langweilig wuerde, denn erst in drei Wochen kommt eine Lieferung mit neuen Sorten.
Freunde, denen ich augenzwinkernd antworte, dass ich nun endlich diejenigen Kaesesorten essen kann, die mir gut geschmeckt haben.
Seit einem Monat laufe ich in meiner Mittagspause woechentlich die knapp fuenf Kilometer in die Innenstadt in meiner Mittagspause. Dort lasse ich mich mit Bagels und Kaese beladen und laufe zurueck ins Buero. Zurueck zum Buero geht es stetig bergauf, so spare ich mir die Anschaffung einer Bleiweste zu Trainingszwecken. Fresswesten sind viel praktischer.
Die Eigentuemerin des Kaeseladens bestueckt meine Laufweste mit leckerem Kaese.
Fuer mich ist dieses Verhalten logisch. Ich moechte alle Kaesesorten gegessen haben um die bestmoegliche Kaufentscheidung treffen zu koennen. Dann erstelle ich einen Plan, wie ich dieses Ziel sinnvoll erreichen kann. Und anschliessend befolge ich den Plan ohne gross drueber nachzudenken. Ob das jetzt zwei Monate oder 87 dauert, ist dabei egal, denn ich bin auf Kurs.
Dennoch sorgt mein Vorgehen oft fuer Erstaunen. Scheint es etwas zu stringent oder obsessiv? Wuerde ich es nicht mehr geniessen, wenn ich einfach die Kaesesorten kaufen wuerde, nach denen mir gerade der Sinn steht?
Noe.
Ich bin schon gespannt, was ich als naechstes Ziel auserwaehlen werde… erst nach meinem Berglauf-Marathon Ende Juni hoffentlich. Denn zur Zeit bin ich voll ausgelastet mit der Befolgung meines Trainingsplans. Diese Woche werde ich insgesamt 61 Kilometer laufen. Das ist schon mehr als doppelt soviel wie die Wochenleistung, ueber die ich vor 2,5 Monaten noch schwer gestoehnt habe.
Eine tolle Erfahrung die zeigt, wie anpassungs- und steigerungsfaehig der Koerper doch ist, wenn man ihn regelmaessig fordert. Mein armer Koerper, den ich jahrzehntelang als Mittel zum Zweck angesehen habe. Jetzt moechte ich ihn gern artgerechter bewegen und auslasten. Es haengt doch alles zusammen: Koerper, Geist und Seele.
Und Kaese haelt alles zusammen. 🙂
Kurz vor Sonnenuntergang faerben die letzten Strahlen den Schnee gold.
Die dicken Eiszapfen an meinen Wimpern behindern die Sicht.
Auf dem Weg zurueck ins Buero.
Die tief stehende Sonne wirft lange Schatten in den Schnee.
Meine schwarze Muetze wurde durch eine dicke Schicht Eiskristalle ganz weiss.
Genau wie die letzten Tage auch, wache ich heute wieder als erste auf.
Ich drehe mich noch einmal im Schlafsack herum und horche genau in mich herein. Bin ich ausgeschlafen? Ja.
Also stehe ich auf.
Ich ziehe mich an und versuche dabei so kuschlige Waerme wie moeglich aus dem Schlafsack in meine Kleidung zu retten. Das ist nur gar nicht so einfach bei ordentlichen Minusgraden.
Als Naechstes mache ich ein ordentliches Feuer. Zum einen kann ich daran meine Finger waermen, zum anderen essen Tyrel und ich auf dem Fluss gern ein warmes Fruehstueck. Das hilft uns, in die Gaenge zu kommen. Im Alltag fruehstuecke ich ueberhaupt nicht und esse erst gegen Mittag meine erste Mahlzeit. Aber hier brauche ich was im Bauch. Unser Mittagessen auf dem Fluss ist auch eher ein kleiner Snack.
Ich koche Wasser, bespasse Arma, erledige meine Morgentoilette.
Und warte.
Tyrel wacht schliesslich auf. „Es ist 6 Uhr in der Früh! Warum sitzt du da rum in voller Montur?!“
Oh. Das erklaert dann auch, warum die Daemmerung immer noch nicht eingesetzt hat.
Ungefaehr 20 min später sehe ich ein dass es doch ein wenig arg frueh ist um auf den Tagesanbruch zu warten, ziehe mich wieder aus und gehe schlafen. Kann sogar nochmal gut träumen.
Ein paar Stunden spaeter (oder auch am echten Tagesbeginn).
Wie immer zieht Joe als Erster los. Seine Morgenroutine ist so eingespielt, dass er mit ein paar Handgriffen eingepackt hat. Warmes Wasser fuer Kaffee und Fruehstueck hat er immer schon vom Vorabend bereit.
Wir lassen uns wieder Zeit (ist ja auch unser wohlverdienter Urlaub) und frühstücken. Mittlerweile ist es auch gar nicht mehr frostig, ein Südwind weht und die Sonne scheint.
Ein sonniges Flussufer mit entspanntem Hund.
Doch am südlichen Horizont ziehen Wolken auf, die immer dunkler werden. Uns bleibt eh nichts anderes uebrig als zu packen und loszuziehen, wie jeden Morgen. Also tun wir genau das.
Nach einiger Zeit auf dem Wasser beginnt leichter Regen.
Der Regen wird stärker.
Wir legen am Ufer an, um unsere Regensachen anzuziehen.
Doch der Regen hört nicht auf.
Grau-nasse Aussichten, am Himmel ist kein blauer Fleck mehr auszumachen.
Schliesslich stossen wir auf Joe. Wir sagen ihm, dass wir lieber Strecke machen wollen um in circa zwei Tagen zu Hause zu sein.
Doch Joe moechte noch laenger auf dem Fluss bleiben.
Wir verabschieden uns vorsorglich. Arma versteht nicht, warum wir ihren liebsten Spielkameraden Joe zurücklassen. Mir fällt es auch schwer, aber schlimmer wäre es, das Fleisch verderben zu lassen. Und durch das wechselhafte Wetter wird dieser Fall immer wahrscheinlicher, je mehr Tage ins Land ziehen. Immerhin haben wir den Baeren an Tag 1 erlegt. Heute ist schon Tag 6.
Bärenfleisch muss man laut Gesetz im Gegensatz zu z.B. Elchfleisch zwar nicht verwerten, doch für uns ist es wertvoller als der Pelz.
Im Regen ziehen wir weiter.
Am nassen Ufer sind Ueberbleibsel einer kleinen Holzhuette der Goldrauschzeit zu sehen.
Was habe ich früher eigentlich bei Regen gemacht, ueberlege ich mir.
Durchgefroren und nass war ich doch eher selten.
Ich habe bei Regenwetter viel Fernsehen geguckt.
Erst am elterlichen Kamin, dann mit Freunden und Bier, später mit Whiskey allein Zuhaus.
Manchmal war ich doch draussen. Mit Oma und Opa in der Laube. Oder ich habe mich beim Zelten im Garten vom Regenprasseln in den Schlaf singen lassen.
Kälte schält sich mittlerweile zwischen alle Lagen Kleidung.
Ich bekomme kalte Zähne und eine taube Nase.
Die Regenwolken haengen tief in den Bergen und goennen uns eine kalte Dusche.
Der Regen verwandelt sich in Schneeregen während wir unser Lager aufschlagen. Heute spannen wir zwei Planen, die sich gegenueberstehen wie ein A, nur mit einer Luecke im Giebel. Die Luecke, damit wir ein Feuer machen koennen und uns keine Gedanken ueber Rauchabzug oder brennende Planen machen muessen. Die zweite Plane, damit wir dort unser ganzen Sachen auslegen und trocknen können.
Tyrel waermt sich am Feuer zwischen unseren gespannten Planen.
Falls das Wetter nicht besser wird, bleiben wir doch einen Tag laenger hier.
Armas Appetit ist wiederhergestellt. Das hat nach dem Baerenlebervorfall nur fuenf Tage gedauert. Ich freue mich sehr.
Auch wir schlingen Unmengen von Spaghetti mit Speck und Möhren hinunter. Mein hungriges Gehirn hat mir dringend empfohlen, ein ganzes Kilo ungekochte Spaghetti zuzubereiten. Gekocht sieht das dann doch uebertrieben aus. Aber nach dem Abendessen zeichnet sich ab, das es aufgewaermt gerade so zum Fruehstueck reichen wird.
Ich arbeite mich langsam durch den Haufen vor Fett triefenden Nudeln durch. Mein Koerper giert geradezu danach.
Nach getaner Arbeit und im molligen Schlafsack wirkt das Sauwetter gar nicht mehr so unwillkommen.
Schnee-Regen-Graupel singen mich leise auf der Plane knuspernd in den Schlaf, während ich mich der Stroemung des Universums einfach füge.
Joe eroeffnet uns heute Morgen, dass er noch eine weitere Nacht hier lagert. Er hat frische Elchspuren erspaeht.
Tyrel moechte, dass ich entscheide ob wir auch bleiben oder weiterziehen.
Ich will weiter, nach meiner Logik verdoppeltet diese Taktik die Chance, einen Elchbullen zu sehen. Nur ein bisschen.
Die Sicht ist schlecht, durch das eisige Wetter und den Temperaturunterschied zum noch nicht gefrorenem Fluss wabert viel Dampf auf dem Wasser und im ganzen Flussbett.
Tyrel in unserer Bootskonstruktion vor stimmungsvoll-nebliger Flusskulisse.
Nach dem Zusammenpacken fahren wir vorsichtig los.
Der erste laut Karte geeignete Lagerplatz gefaellt uns nicht.
Langsam verzieht sich der Nebel vom Fluss
Die Sonne kommt immer mehr durch…
…bis der Himmel strahlend blau ist.
Wir sehen eine Elchkuh, die das Weite sucht. Doch kein Elchmann ist in Sicht.
Der nächste Lagerplatz ist auch wenig geeignet.
Genau wie der uebernächste.
Trotzdem gehen wir haeufig an Land. Suchen nach Spuren, imitieren mehr oder weniger gelungene Elchlaute. Erkunden.
Frische Spuren im sumpfigen Ufer mit verwelkenden Graesern als Farbtupfer.
Wenn wir landen, macht Arma meist einen Strandspaziergang.
Die letzten Wolken verziehen sich hinter die Berge.
Dann schliesslich die Sensation: Ein Boot!!
Nein, drei superschnelle, sauteure Boote.
Und eine Gruppe Kumpels in Tarnkleidung.
Wir fahren mit unseren abgewrackten, zusammengebundenen Kähnen vorbei, da muss ich schon kichern.
„Habt ihr schon Glück gehabt?“, rufe ich zu ihnen herueber, nachdem wir uns schon fuer einige Minuten gegenseitig anstarren waehrend wir naeher kommen.
Wortlos deutet einer direkt neben sich auf einen abgesägten Elchkopf mit gigantischen Schaufeln.
„Wie konntest du das übersehen?!“, zischt Tyrel fassungslos. Ich muss wieder kichern.
„Und ihr?“, hallt es herüber.
„Wir haben nen Grizzlybären!“
„Ein Grizzly, gute Sache!“
Wir schippern weiter, waehrend ich nicht aufhoeren kann zu kichern.
Arma hilft mir beim Ausschau halten.
In den drei Jahren auf dem Fluss bin ich immer noch keiner Jägerin begegnet, fällt mir auf. Jagen scheint hier eher etwas zu sein, was man mit seinen Kumpels macht. Außerdem würden die meisten Leute ihre zwei Wochen in Mexico ungern gegen zwei Wochen Kälte, Entbehrungen und harter körperlicher Arbeit auf der Jagd tauschen.
Heute Abend halten sich die Entbehrungen im Rahmen. Zum Glueck haben wir Arma, die uns sowohl mit dem Feuerholz, als auch beim Enspannen behilflich ist.
Ein moosiges Plaetzchen in der Sonne laedt Arma zum Doesen ein.
Maulsperre: Arma liebt Stoeckchen werfen, selbst wenn das Stoeckchen ein grosses Stueck Feuerholz ist.
Ich bin dankbar, dass Tyrel keiner ist, der Männerabende hat, Hockey im Fernsehen guckt und auf teure Autos und Markenklamotten steht. Da ist ja überhaupt nichts Schlimmes dran, aber ich persoenlich verstehe den Reiz nicht. In der Zeit und mit dem Geld würde ich viel lieber andere Dinge machen. Ein kleines Haus bauen zum Beispiel. Oder auf eine schöne Wanderung gehen.
Da habe ich es doch ganz passend mit ihm getroffen, freue ich mich während ich das Abendessen in unserem schließlich gefundenen Lager zubereite. Tyrel macht währenddessen an unserem Bootsmotor einen Ölwechsel. Die Frage, warum das in der Wildnis jetzt unbedingt nötig sei, lasse ich kurzerhand fallen und wünsche ihm viel Erfolg.
Die letzten Sonnenstrahlen geniessen wir bei einer Pfanne Gnocchi, Speck und Zwiebeln.
Unser Lager fuer heute Nacht. Zwei Feldbetten unter einer gespannten Plane.
In der Nacht weckt mich Armas Bellen.
Ist da etwas?
Guter Hund!
Sie bellt sehr selten, was ich begruesse. Aber jetzt ist ihr etwas nicht geheuer und sie warnt uns. Tyrel hoert auch Schritte im Unterholz am Ufer. Aber sie entfernen sich bereits. Um uns schwarze Nacht. Ich schlafe wieder ein.
Etwas spaeter (es ist immer noch pechschwarz) werde ich wieder geweckt, dieses Mal von Tyrel.
„Wir müssen packen und los!“
Es ist 7 Uhr morgens.
Na gut, dann stehe ich eben auf. Arma begleitet mich zur Morgenroutine (Pinkeln, Strecken und Feuer machen mit nassem Holz). Wenigstens regnet es gerade nicht. Als das Feuer endlich prasselt, wende ich mich wieder Tyrel zu. Der hat sich nach seinem Weckdrill nicht wieder bewegt und schlaeft felsenfest.
Das heisst dann wohl, dass ich Fruehstueck mache.
Ich lasse mir Zeit. Hier in der Wildnis besitzen Uhren keine Macht. Und ich geniesse den Frieden der Morgenstunden.
Die Wolken haengen tief ueber den Bergen, aber der Tag beginnt trocken und mit einem spiegelglatten Fluss.
Ein paar Stunden nach Tyrels Weckruf muss ich ihn schliesslich wecken. Er geniesst sein Fruehstueck im Schlafsack, es gibt gegrillte Kaesesandwiches mit Chili-Thunfisch. Ich lasse mir nicht nehmen, diesen Umstand zu dokumentieren.
Arma frisst wieder nichts außer ein paar Happen aus Tyrels Hand.
Ich bin etwas besorgt. Aber sie spielt mit Stöcken und rennt umher wie wild. Kann also nicht so schlimm sein.
Der Baer (also das Fell samt Schaedel und Tatzen) sieht beim Zusammenpacken aus, als haette er eine wilde Nacht hinter sich gehabt.
Der Grizzlykopf samt Hintertatze auf einem in der Wildnis herumstehenden Klapptisch.
Als wir alles im Boot verstaut haben, und Arma uns erwartungsvoll anblickt, bin auch ich bereit fuer einen neuen Tag auf dem Fluss.
Hund und Boot sind bereit fuer das Ablegen.
Auch dieses Jahr ist der Flusspegel niedrig. Haeufig muessen wir flache Stellen im Fluss umfahren, was bei unserer Bootskonstruktion gar nicht so einfach ist. Doch Tyrel macht das wirklich prima. Ich throne waehrenddessen auf dem gepolsterten Vordersitz, navigiere nach Karte und halte Ausschau nach Felsen, Wetter und natuerlich Wild.
Das Wetter klart auf – Erste Sonnenstrahlen waermen die Berge und vertreiben die letzten Wolkendecken.
Arma stinkt hin und wieder nach Bärenleber, anscheinend ist ihre Beute noch nicht ganz verdaut. Aber frische Luft gibt es hier im Ueberfluss, daher ziehen auch diese Wolken schnell ab.
Einige Stunden sind wir auf dem Fluß unterwegs, dann sehen wir Joes Boot und landen.
Wir beschließen auch hier zu lagern.
Joe merkt an, dass er den ganzen Tag daran denken musste, dass die Tenderloins (Lendchen?) vom Grizzly vorzüglich schmecken würden zusammen mit seinen Kartoffeln, Karotten und Pilzen… Ich stimme zu und mache mich auf den Weg zum Boot, um die besagten Stueckchen herauszuschneiden.
Zunaechst muss ich den Baerenrumpf im Boot freilegen.
Anschliessend die Tenderloins finden. Es sind zarte Muskelstraenge, die an den Seiten der unteren Wirkelsaeule von innen anliegen.
Die beiden Tenderloins vom Grizzly sind je etwa 20 cm lang und 5 cm breit an der breitesten Stelle.
Ich bereite alles zu, mit ein paar Tipps vom gelernten Koch Joe und füge nach dem Braten und Köcheln noch eine Dose Pilzsuppe hinzu.
Das Resultat ist einfach nur köstlich!
Mit meinem Goeffel verzehre ich den dicken Kartoffel-Moehren-Pilz-Grizzly-Eintopf. Dies ist die erste Portion von vielen an diesem Abend.
Den Abend lang stiehlt sich Arma mehrmals davon, um etwas entfernt einen Baum mit einem Eichhörnchen darauf zu bewachen. Das deute ich als Zeichen, dass es ihr gut geht. Wenigstens frisst sie heute Abend eine winzige Portion ihres Futters.
Wie ich schon in einem vorigen Beitrag erwaehnte, habe ich keine Süßigkeiten mitgenommen, da ich zu viel davon esse und meinem Koerper nicht Unmengen an Zucker auf Dauer antun moechte. Ich dachte hier in der Wildnis kann ich auf Entzug gehen.
Doch Joe bietet belgische Schokolade mit Mandeln und Rosinen an. Tyrel lehnt ab, ich vergesse meine Vorsaetze und schwebe auf einer süßen Schokowolke.
Warum hier draussen alles so viel besser schmeckt, weiss ich nicht. Aber irgendjemand sollte dieses Phaenomen unbedingt wissenschaftlich untersuchen!