Monat: Januar 2023

Sinnieren

Ich liebe die Zeit der kurzen Tage und langen Naechte.

Draussen geht nicht mehr allzu viel – es ist kalt und dunkel. Der Garten schlaeft, der Fluss erstarrt, der Schnee macht sogar das Wandern muehsehlig.

Es ist eine Zeit, die zur Einkehr und Langsamkeit anregt und manchmal sogar zwingt.

Mit der Sommersonnenwende und kurz darauf dem neuen Kalenderjahr beginnt wieder ein neuer Abschnitt. Die Tage werden wieder laenger. In ca. fuenfeinhalb Monaten wird auch der Schnee schmelzen.

Doch zunaechst ist noch Zeit zum einfach nur Sein.

Arma macht vor, wie man lange Winternaechte verbringt: Ausgestreckt auf dem Sofa bei einem Feuer und nicht zu grellem Licht.

Anfang Januar 2022 wusste ich schon, dass etwas mit meiner Schilddruese nicht stimmt und mir eine ungewisse Gesundheitsreise bevorsteht. Das Thema Gesundheit hat sich durch ganz 2022 gezogen und ist immer noch nicht ganz abgeschlossen. Aber es geht mir bedeutend besser und ich habe das Gefuehl, dass sich das Thema bald ganz in den Hintergrund rutschen darf.

Leider musste ich meinen ganz grossen Traum fuer 2022, den 80 km Berglauf, im Zuge der Gesundheitsthemen an den Nagel haengen. Das hat mich sehr traurig gemacht, da ich seit August 2020 jede Woche stundenlang dafuer trainiert hatte. Auch die Tatsache, dass ich vorerst nicht mehr laufen konnte, war sehr hart fuer mich. Laufen verband ich immer noch mit den Worten anstrengend und schwierig, aber gleichzeitig hatte es mir viel Energie und Lebensfreude spendiert.

Trotzdem stecken ja in den meisten Herausforderungen, die das Leben so mit sich bringt, immer Chancen. Wenn ich jetzt zurueckblicke, fallen mir spontan drei Dinge ein, die ohne Laufpause nicht geschehen waeren.

Zum einen hat es mich dazu gebracht, seit Juli mindestens zweimal woechentlich ins Fitnesscenter zu gehen und schwere Gewichte zu stemmen. Vor Jahren habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder ins Fitnesscenter gehe. Mir gefaellt Sport, den ich alleine und draussen ausueben kann. Dreimal habe ich in meinem Leben schon ein Abo fuers Fitnesscenter abgeschlossen und bin dann nach kurzer Zeit nicht mehr hingegangen. Diesen Fehler wollte ich nicht ein viertes Mal begehen.

Doch dann bezahlte ich meinem Physiotherapeuten viel Geld dafuer, dass er mir mit meiner Schienbeinproblematik hilft. Und er riet mir dringend dazu, schwere Gewichte im Fitnesscenter zu stemmen. Ich hatte zwar zwei- bis dreimal pro Woche Kraftsport Zuhause oder im Buero gemacht, doch angeblich muesse man andere Saiten aufziehen, um mehr Muskelmasse aufzubauen.

Also brach ich mein Versprechen mir gegenueber, nicht mehr ins Fitnesscenter zu gehen. Nachdem ich fuenf Monate lang regelmaessig hinging und mehrere Zehnerkarten verbriet, holte ich mir sogar wieder eine Mitgliedschaft.

Meinen Schienbeinen geht es bedeutend besser. Jedoch weiss ich nicht, ob das jetzt am Gewichteheben liegt oder daran, dass einiges an Zeit vergangen ist. Aber ich merke andere Verbesserungen. Mein Ruecken ist so beschwerdearm wie seit Jahren nicht, meine Bewegung und Haltung verbessern sich und ich kann saemtliche schwere Alltagsaufgaben selbst erledigen, die ich sonst gern Tyrel ueberliess. Zum Beispiel einen vollen 20 Liter Wasserkanister ueber Kopf heben und oben ins Regal stellen. Das wiederum macht mich stolz – ich bin gerne stark! 🙂

Bei unter -40 Grad Aussentemperatur sammelt sich Wasser auch gern an Fensterscheiben im Haus. Statt schoenen Eisblumen hier zu sehen im Stil eines unleserliches Logos einer Black Metal Band.

Die zweite Sache, die mit unternehmungslustigeren Beinen 2022 wohl nicht passiert waere, ist mein Gartenhuettenausbau. Wobei da zwei Faktoren zusammenkamen, um genuegend Motivation zu buendeln: Kaputte Beine und ein anstehender Besuch von Freunden aus Deutschland, die auch tatsaechlich darin uebernachten wollten.

Huetteninnenausbau – noch nicht ganz fertig, aber gemuetlich.

Der Ausbau und vor allem der Einbau der Feuerstelle samt Frischluftzufuhr und Kamin hat mich ganz schoen Zeit und Nerven gekostet. Aber es hat sich wirklich gelohnt: Ich habe viel gelernt, Erfahrung gesammelt und mir selbst meinen ganz eigenen Rueckzugsort geschaffen.

Der letzte Aspekt des letzten Jahres, der ohne schmerzende Beine so nicht stattgefunden haette, sind meine Wasseraktivitaeten, das Rafting.

Vor grossen Wassermengen habe ich gehoerigen Respekt. Bis vor kurzem waren sie mir sogar noch unheimlich. Diese unvorstellbaren Kraefte, die im Fluss walten und manchmal ganz geraeuschlos an einem vorbeigleiten. Wenn man die Augen schliesst, koennte ich nicht erahnen, was fuer eine Naturgewalt genau vor mir fliesst und seit Tausenden Jahren Leben spendet und Landschaften formt.

Das tiefe Wasser im Laufe des Jahres seine Bedeutung fuer mich veraendert. Am Tag des Raftingtrips mit meinen Freunden, als wir mit dem grossen Raft absichtlich gekentert sind und ich danach noch zweimal freiwillig in den Wildwasserfluss sprang, da habe ich es gefuehlt.

Das Wasser will mir nichts Boeses. Es wartet nicht auf eine Gelegenheit, mich heimtueckisch zum Ertrinken zu bringen. Es ist einfach, buchstaeblich, im Fluss und weiss ganz ohne Nachzudenken, wo es hinwill.

Ob ich mit meinem Gummiboot obendrauf schwimme, oder mit Trockenanzug und Helm durch die Stroemung purzle, es macht fuer das Wasser keinen Unterschied.

Es hat sich fuer mich angefuehlt wie der Lebensstrom, das Universum. Wir koennen uns noch so wichtig nehmen mit unserem Leben, unserem freien Willen und unserer Selbstbestimmtheit. Manche Dinge passieren einfach. Und oft lenken sie uns auf eine Bahn, die letztendlich zu unserem Wachstum fuehrt.

In diesem Sommer moechte ich mehr Zeit am Wasser verbringen. Ich moechte lernen, die Stroemung und eventuelle Gefahren besser einschaetzen zu koennen. Ich glaube, die Zeit am Wasser in der Natur hilft mir, meinen eigenen Lebensstrom besser nachzufuehlen.

Mein Boot und ich – einfach mal treiben lassen.

Doch es wird noch eine Weile dauern, bis der das Eis und der Schnee auch nur daran denken, sich zu verfluessigen. Solange geniesse ich das Wasser in seiner festen Form, laufe Ski und erfreue mich an den schoenen Aussichten, die sich mir bieten.

Geheimnisvolle Dezembersonne.
Frostige Baeume in der Stadt Whitehorse.
Rosige Stimmung vor dem Sonnenaufgang der Wintersonnenwende.
Arma, frostig-vergnuegt.

Ich wuensche euch allen ein gutes Jahr 2023 mit vielen lichten Momenten!

Nebensonnen mit 22°-Ring um die Wintersonne.