Monat: März 2022

Eine Woche Sport

Seit dem letzten Beitrag ist erneut Zeit vergangen. Waere auch merkwuerdig, wenn sie in der Zwischenzeit stehengeblieben waere. Die Schilddrüsenwerte sind mit den Medikamenten fürs Erste im ausgewiesenen Normalbereich. Wieder abwarten.

Da habe ich mich gefragt: Was mache ich eigentlich so, neben den zwei Jobs und dem Haushalt und den Hühnern und allem, was sonst so zu tun ist? Da sollte doch noch massig viel Zeit über sein fürs Bloggen! Ist es aber irgendwie nicht. Kann daran liegen, dass ich relativ viel Sport treibe.

Da würde es sich eigentlich anbieten, davon zu berichten, oder?

Eigentlich ja. Aber ich habe keine Lust auf einen „OooOoh, guckt mal alle her wie spochtlich ich bin!“-Beitrag. Deswegen hab ich es lange nicht gemacht.

Jedoch ist das derzeit einfach mein Alltag. Egal wie das rüberkommt. Also raus damit.

Montag

Laut Trainingsplan habe ich heute die Wahl: 5 km gehen, 5 – 8 km laufen oder eine Stunde Skilanglauf.

Wann immer es mir moeglich ist, waehle ich die Option Skilanglauf. Immerhin habe ich diese Saison neue Skis und einen Saisonpass fuer das Loipensystem in der Stadt. Heute stelle ich mich auf eine langsame Tour ein, denn es schneit mal wieder und laut Webseite wurden die Loipen Samstagabend das letzte Mal gespurt.

Aber was solls. Gegen 10 h ziehe ich mich auf dem Arbeitsklo um, befreie mein Auto vom Schnee und fahre ca. 5 Minuten zu einer Einstiegsstelle. Motor aus, Ski an, los.

Meine Erwartungen bestaetigen sich: Ich komme nur langsam voran. Das liegt zum einen daran, dass meine Fortbewegungsenergie zum Schneeplattdruecken statt Vorwaertsgleiten verwendet wird. Zum anderen sind meine Beine noch etwas steif von den Laeufen am Wochenende. Immerhin sind es nur -6 Grad, da reicht meine duenne Regenjacke ueber dem langaermligen Kunstfaserpulli aus. Und eine Stunde vergeht so oder so, egal ob ich wie vor zwei Wochen 7 km oder wie heute nur 5.6 km in der Zeit skilaufe.

Meine Ski bahnen sich einen Weg durch den Schnee.

Dienstag

Um 5:59 h in der Frueh rolle ich im Buero meine Yogamatte aus, denn heute steht zuerst Krafttraining auf dem Plan. Mein Gehirn ist unheimlich kreativ darin, Ausreden zu erfinden warum ich heute kein Krafttraining machen kann. Zuhause ist wenig Platz, eigentlich haette ich nur den Flur zur Verfuegung. Aber Tyrel muss auch von A nach B gehen um sich morgens fertig zu machen. Im Buero ist mehr Platz. Also mache ich meine Uebungen hier. Und zwar bevor mein Hirn vollstaendig wach ist und mir erklaert, warum ich heute leider nicht trainieren kann.

Mein Krafttraining besteht aus acht verschiedenen Uebungen, die jeweils in Paerchen unterteilt sind. Ich mache also alle Wiederholungen von Uebung A, dann alle von Uebung B, dann gibt es 30 bis 40 Sekunden Pause. Das wiederholt sich noch zweimal, dann fahre ich mit Uebungen C und D fort, und so weiter. Ich arbeite mit Eigengewicht und mit Fitnessbaendern, ab und an brauche ich auch eine Hantel oder einen Stuhl. Aber keine Mitgliedschaft im Fitnesscenter, da wuerde ich eh nicht hingehen.

Schwitzen im Buero vor meinen Chilipflanzen und dem gerade erst ausgesaeten Basilikum.

Das heutige Programm beschaeftigt mich 32 Minuten lang, danach ist wieder Umziehen angesagt. Wie schoen es immer wieder ist, in eine trockene Unterhose zu schluepfen!

Ich sitze laengst am Arbeitsplatz bevor mein erster Kollege das Gebaeude betritt.


Gegen 11 h geht es weiter im Programm: Ein 5 km Lauf ist angesagt, bei dem ich die benoetigte Zeit notieren soll. Wahrscheinlich als Fitnessvergleich ueber die Dauer meines Trainingsplans gedacht, aber ich versuche bei diesen Laeufen, mich wirklich anzustrengen und vielleicht ein bisschen schneller als beim letzten Mal zu laufen.

Den Morgen ueber hat es wieder geschneit, heute ca. 4 cm. Die kleinen Wege fallen also flach, ich laufe stattdessen hin und her auf Nebenstrassen. Auf Strassen laufen, mehrmals die Richtung wechseln, sich verausgaben: Drei Dinge die ich am Laufen nicht mag. Zudem sind die Beine immer noch ziemlich schwer, wenn auch nicht so schwer wie gestern. Aber die Sonne scheint und wenn man besser werden will, dann muss man auch Sachen machen, die einem nicht so leicht fallen. Wenn man immer nur das Gleiche macht, dann wird man automatisch langsamer. Ich moechte jedoch etwas schneller werden!

Der Plan geht auf und ich erlaufe meinen Schnefaz (schnellsten Fuenfer aller Zeiten) mit 32 Minuten und 23 Sekunden. Ich kenne eigentlich keinen Laeufer, den diese Zeit beeindrucken wuerde. Ausser mich, ich bin ganz stolz! Die Haut und die Muskeln gluehen nach, als ich auf dem Arbeitsklo eine weitere trockene Unterhose anziehe.

Mittwoch

Heute ist der kuerzeste Sporttag der Woche: Nur 40 Minuten stehen auf dem Plan!

Dafuer sind es 40 Minuten lang Treppe hoch- und runtergehen. Und nicht nur irgendeine Treppe, es sind die in Whitehorse beruechtigten Black Street Stairs, also die Treppe an der Black Street (Schwarze Strasse).

Sie ist der einzige Fussgaengerweg, der ueber einen schroffen Abhang von der Stadt hoch zum Flughafen fuehrt. Die Stadt liegt im ehemaligen Ueberflutungsgebiet des Yukon Rivers unterhalb der sogannten Clay Cliffs (Lehmklippen), der Flughafen auf der Hochebene darueber.

Treppe, von unten nach oben.

„Ist das nicht unguenstig, eine Stadt im Ueberflutungsgebiet zu bauen?“, fragt sich der geneigte Leser eventuell. Gar kein Problem – man baut einfach einen grossen Damm flussaufwaerts der Stadt um die Spannung ein wenig zu erhoehen in wasserreichen Zeiten. Da lobe ich mir die alten Aegypter, die die Ueberflutungszonen im fruchtbaren Nildelta zum Ackerbau nutzten… Fragt sich eigentlich noch jemand, warum wir im Geschichtsunterricht gefuehlt vier Halbjahre lang das antike Aegypten, acht Halbjahre lang die deutsche NS-Zeit und den Rest ein bisschen franzoesische Revolution und Prager Fenstersturz durchgenommen haben? Es gibt so viele interessante Dynastien, von denen ich noch nie gehoert habe!

Aber ich schweife ab. Eigentlich wuerde ich lieber „echte“ Haenge hoch- und runtergehen. Aber das existiert derzeit nur im tiefen Schnee oder auf einer Strasse. Dann lieber die Treppe, ganz ohne Autos.

Vor der ersten Treppeneinheit dachte ich, dass es mir bestimmt mental sehr schwer fallen wird. Stumpf ohne Sinn und Verstand hinauf, hinab und wieder hinauf. Doch es macht mir nichts aus, die Zeit vergeht schnell. Mal schiebt jemand sein Fahrrad mit ueberdimensionierten Reifen die Treppe hinauf. Mal startet ein Duesenjet hinter dem Zaun am oberen Ende der Treppe. Und manchmal habe ich sogar ein wenig Gesellschaft und jemand anders begibt sich ins Treppensteig-Fegefeuer.

Boeing 737-500 hinter einem Zaun, kurz vor dem Abheben.

Wenn nichts Interessantes geschieht und mein Gehirn eine Zeit lang auf Autopilot geschaltet ist, ploppen interessante Themen auf. Ca. 15 Minuten lang versuche ich mich zu erinnern, wie Kamelohren aussehen. Sind sie etwas groesser und umklappbar, damit sie verschlossen werden koennen? Oder sind sie winzig klein und haarig? Ich glaube sie waren eher klein. Kann man sie ueberhaupt sehen? Wie sind sie konstruiert, dass Sand auch wieder herausgeschuettelt werden kann? Es waere doch gut, wenn so eine Art Sandstopp eingebaut waere. Aber Moment, so ist unsere Uhrmuschel doch auch aufgebaut, sonst waere sie doch nur trichterfoermig, oder? Warum hat es die Natur nicht eingerichtet, dass man sich mit ein wenig Luft die Ohren selbst freipusten kann? Oder waere das zu laut?

Treppe, von oben nach unten.

Es tut mir wirklich gut, solche Freiraeume von Berieselung zu schaffen. Ansonsten bin ich immer mit irgendetwas beschaeftigt oder schlage die Antwort schnell im Internet nach. Meine Gedanken koennen am besten fliegen und kehren geordnet wieder zurueck, wenn ich mich monoton koerperlich unter freiem Himmel betaetige. Fuer diese Erkenntnis bin ich sehr dankbar.

Schliesslich sind die 40 Minuten um. Ich bin in der Zeit zehnmal die Treppe hoch- und wieder runtergegangen plus ein Drittel wieder hoch. Mit gummiartigen Beinen wackel ich zum Auto und freue mich auf eine heisse Dusche.

Donnerstag

Donnerstag startet wieder mit einer Einheit Krafttraining um kurz vor 6 Uhr morgens im Buero. Gleicher Ablauf wie Dienstag, nur die Uebungen sind anders. Heute werden vor allem die Schultern trainiert, was mich ganz schoen zum Schnaufen bringt.

Fuer spaeter stehen noch 45 bis 60 Minuten Laufen auf dem Plan.

Leider kann „später“ nicht wie gewohnt am späten Vormittag passieren, ein paar Termine kommen dazwischen und schließlich das Mittagessen, das zum Laufen zu schwer im Magen liegen würde. Der frühe Nachmittag vergeht und das Arbeitsende rückt näher. Jetzt macht es auch keinen Sinn mehr, von der Arbeit aus zu laufen. Außerdem muss ich gleich ein paar Erledigungen in der Stadt machen. Und später habe ich noch einen Kurs von Zuhause aus. Vorher muss ich unbedingt Abendessen zubereiten und essen, damit ich danach zügig und Bett gehen kann.

Und ganz ehrlich, hat sich dein Zeh nach dem flotten Fünfer am Dienstag nicht etwas gereizt angefühlt? Nicht dass du dich eine Blase läufst! Vielleicht solltest du das Laufen heute ausfallen lassen? Es scheint alles dafür zu sprechen…

Nein.

Ich keine meine Schweinehunde und alle ihre Tricks. Sie meinen es bestimmt gut mit mir, aber ich meine es mindestens genauso gut. Also fahre ich nach den wichtigsten Erledigungen in der Stadt beim Wildtiergehege vorbei und laufe dort. Als Kompromiss laufe ich zwar flott, dafür aber nur 45 Minuten statt einer Stunde. Und stimmt, am linken Fuß zwischen Ballen und großem Zeh fühlt es sich wirklich ein bisschen danach an, als könnte sich eine Blase bilden. Mal sehen. Jedenfalls fühle ich mich gut, dass ich die 6,6 km gelaufen bin im schönsten Sonnenschein, der durch die Schneelandschaft noch strahlender wirkt. Mein restliches Abendprogramm läuft ab wie geplant.

Bisons, luemmeln als schwarzbraune Punkte im Schnee.
Sonne, strahlt am tiefblauen Himmel.
Schnee und Berge, soweit das Auge reicht.

Freitag

Heute ist laut Plan mein Ruhetag. Allerdings ist Freitag auch Fleischertag. Er ist also nicht geprägt durch Abwesenheit von Bewegung, sondern eher ein Rehatag. Umgeben von lieben Menschen und köstlichen Fleischwaren stelle ich heute drei verschiedene Wurstarten her: eine frische Blaubeerbratwurst, eine frische Bison-Cranberry-Bratwurst und eine ungarische Salami. Außerdem räuchere ich die eindrucksvollen summer sausages, die gestern hergestellt wurden. Summer sausages, auf Deutsch Sommerwuerste heissen so, weil sie gepoekelt und heissgeraeuchert sind und so auch an warmen Tagen gerne auf Campingtrips und Picnics mitgenommen werden. Sie verzeiht die fehlende Kuehlung, schmeckt gut und unbedenklich. Eben nach Sommer.

Ich mit roher summer sausage in den Haenden, vor Schweinehaelfte, Hand- und Bandsaege.

Samstag

Einen Tag am Wochenende absolviere ich einen langen Lauf, den anderen Tag einen kürzeren. Je nachdem wie es am besten passt. Und eine Kraft- und Dehnungseinheit steht auch noch auf dem Programm.

Wenn es mir möglich ist, laufe ich den langen Lauf am Samstag, dann ist der abgehakt und kann nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden. Dieses Wochenende bedeutet lang: Drei Stunden laufen. Die letzten drei Wochenenden bin ich jeweils zwei Stunden gelaufen, dann sollte ein Stündchen mehr doch auch zu schaffen sein.

Die Wege in den Bergen sind zu dieser Jahreszeit zu instabil zum Laufen oder von Schneemassen begraben. Auf der Straße mag ich nicht laufen. Also fahre ich wieder zum Wildtiergehe. Kein Verkehr, aber dafür ein saftiger Hügel auf einer achtförmigen fünf-Kilometer-Runde.

Dallschafsbock. Die Vorderbeine sehen aus, als haetten sie Knie. So haette ich sie gemalt!

Die erste Runde starte ich langsam. Ich bin der erste Besucher und kann die frisch ausgeruhten Tiere anfangen optisch abzunutzen, während ich Laufschritt für Laufschritt meinen Tagessoll abspule. Dabei finde ich immer wieder spannend, wie mein Körper reagiert. Zuerst ist alles locker, dann schmerzen die Waden ein bisschen, dann fühle ich mich blendend, dann bekomme ich ein bisschen Seitenstechen, dann habe ich keine Lust mehr, dann geht’s mir wieder prima, dann fühlt sich das eine Knie komisch an, dann meldet sich die latent vielleicht vorhandene Blase unter dem linken Fußballen von Donnerstag, dann hab ich keine Lust mehr, dann bin ich super motiviert, dann ist eine Hüfte beleidigt und dann ergibt sich alles und sagt „Ok, sieht so aus, als ob wir jetzt erstmal laufen. Ist okay.“.

Bewoelkte Landschaft, aber heitere Stimmung!

Nach drei Stunden fühle ich mich gut und bin froh, zum ersten Mal nach meinem Berglauf letztes Jahr eine längere Strecke als 16 km gelaufen zu sein. Genauer gesagt kamen ganze 23.7 km zusammen – mehr als ein Halbmarathon!

Meine Lieblingsstation im Wildtiergehege: Schneeziegen. In diesem Bild verstecken sich mindestens neun Ziegen.

Später am Tag sind die Beine wieder schwer, aber nichts tut weh. Ich futtere für zwei, putze ein bisschen und schiebe ansonsten eine ruhige Kugel.

Elchbulle, er stdiert mich genauso wie ich ihn.
Ich, erleichtert um drei Stunden Laufen.

Sonntag

Der Sonntagmorgen startet wie gehabt mit Kraftübungen für die Körpermitte und -spannung, abgeschlossen mit Dehnübungen für Vorderbein, Hinterbein und Wirbelsäule.

Anstrengend ist das für mich, ich habe immer noch Schwierigkeiten mit allem, was auf -stütz endet. Aber deswegen mache ich es ja. Auch die Dehnübungen zeigen mir auf, wie wenig beweglich ich bin. Macht nichts. Danke, lieber Körper!

Später am Tag geht es auf zum letzten Programmpunkt der Woche: 45 Minuten laufen.

So richtig Muskelkater habe ich nicht, es tut nichts weh. Aber alle Muskeln, die sonst beim Laufen ganz unbewusst angesteuert werden, kann ich heute spueren. Es ist kein „Ich will nicht bewegt werden“, sondern eher ein „Ich bin da. Vergiss das nicht.“. Ich vergesse nicht und laufe gemuetlich. Trotzdem alle Muskeln und ich als harmonische Einheit 6,1 km.

Und warum das alles?

Aus Neugier.

Ich bin neugierig auf das Leben und darauf, was möglich ist, wenn man Zeit und Energie für ein Ziel aufbringt.

Bei meinem Lauf im letzten Jahr habe ich mit Leuten gesprochen, die die ganzen gut 80 km des Kurses gelaufen sind. Die wirkten ganz normal, sahen weder krass trainiert aus noch hatten sie ausgekluegelte technische Ausruestung dabei. Was unterschied sie also von mir?

Als ich nach 17 km keinen Schritt mehr vor den anderen setzen konnte und noch 27 km vor mir lagen, da ist etwas in mir passiert. Was ich war, ist ein Stueck weit auseinandergefallen und hat sich bis zum Ende des Kurses neu zusammengesetzt. Basierend auf dem Wissen, dass so viel mehr im Leben moeglich ist.

Ist es auch moeglich, dass ich diese 80 km laufe, ganz allein?

Ich habe keine Ahnung und nichts zu beweisen. Aber ich bin so neugierig darauf, die Antwort herauszufinden. Ob ich letztlich ins Ziel komme oder auch nur zur Startlinie, spielt keine grosse Rolle. Sich etwas voll zu widmen, das man fuer fast unmoeglich haelt und auf dem Weg dahin soviel Neues zu entdecken. Darin liegt fuer mich der Reiz und die Schoenheit.