Monat: September 2020

Hahn ohne Korb

Was aus Hahn Jumanji geworden ist, darauf bin ich im letzten Beitrag eingegangen. Heute möchte ich von den anderen vier Hähnen erzählen.

Junghahn Clover beim Sonnenbad
Clover, ausgewachsen.

Clover lebt auf einer Biofarm und ist Chef über ca. 30 Hennen. Die Hennen sind fuenf bis sechs Jahre alt, während er jetzt knapp fuenf Monate auf der Welt ist. Das könnte der Grund dafür sein, dass er ein wenig ausgepumpt erscheint. Clover ist ein Copper Maran Hahn und Copper Maran Hennen legen dunkelbraune Eier. Falls ich im nächsten Jahr meine Hühnerhaltung ausweiten möchte, würde ich gern ein paar Nachkommen von Clover darin haben. Über verschiedenfarbige Eier würde ich mich sehr freuen.

Kueken Speedy
Junghahn Speedy
Speedy, ausgewachsen.

Speedy lebt auch auf einer Biofarm, auf der gleichen Schotterstrasse wie Clover. Ich bin mir nicht sicher, welche Art Hahn er ist. Eigentlich muesste er Ameraucana sein, denn er ist aus einem blau-gruenen Ei geschluepft und sein Farbschlag Splash kam auch nur bei Ameraucana Huehnern vor bei dem Zuechter, den ich gewaehlt hatte. Aber fuer einen Ameraucana Hahn ist Speedy zu gross und vor allem fehlt ihm der fedrige Bart. Hmm. Speedy ist wohl einfach Speedy.

Der neue Besitzer von Speedy wollte ihn unbedingt als Hahn fuer seine zukuenftigen Legenhuehner haben. Doch die Legehuehner gibt es noch nicht. Damit Speedy nicht einsam ist, hat er eine Huehnerfreundin. Die beiden sind unzertrennlich, es ist wirklich niedlich anzusehen.

Kueken Phoenix
Junghahn Phoenix
Phoenix, ausgewachsen.

Phoenix ist ein Australorp Hahn und hat ein liebevolles Zuhause bei einer Familie gefunden, die als Hobby Huehner haelt. Ich hatte eine lokale Internetanzeige aufgegeben um fuer ihn ein neues Zuhause zu finden. Statt Bezahlung wollte ich ihn einmal besuchen kommen mit der befreundeten Familie, die die Kueken fuer die ersten Lebenswochen im Wohnzimmer hatten. Das gilt uebrigens auch fuer Clover und Speedy. Letztendlich wurde daraus ein schoener Tag mit fuenf Kindern und zwei Erwachsenen, vier Haehne und ca. 60 Huehner zu bewundern.

Phoenix‘ Besitzer hatten am Tag vor unserem Besuch einen neuen Huehnerstall fertiggestellt und uns um Hilfe beim Huehnerumzug gebeten. Wer koennte dazu nein sagen – niedliche Junghennen und Phoenix nach und nach in ihr neues Heim zu geleiten? Eine schoene Erfahrung.

Kueken Daisy
Daisy als Junghahn
Daisy, ausgewachsen.
Daisy mit zweifelndem Blick.

Bis vor einigen Wochen noch haette ich mich wohl dagegen entschieden, den schwarzen Hahn Daisy zu behalten. Er schien nicht so besonders wie die anderen Haehne. Und da die Farbe schwarz dominant vererbt wird, wird der Grossteil des Nachwuchses auch schwarz werden. Letztendlich habe ich mich trotzdem dafuer entschieden. Clover war der einzige Hahn, an dem die Biofarm interessiert war, deren Gemuese ich kaufe. Jumanji hatte anatomische Probleme. Bleiben Speedy, Phoenix und Daisy. Speedy fand ich manchmal zu aggressiv in seiner Persoenlichkeit. Und bevor die Pubertaet richtig einsetzte, war Daisy deutlich verschmuster als Phoenix. Ausserdem wuerden seine Nachkommen zwar mehrheitlich schwarz sein, aber oft noch ein andersfarbiges, rezessives Farbgen der Mutter tragen. Das wuerde interessante Kreuzungsmoeglichkeiten mit der naechsten Generation geben. Ausserdem sind die schwarzen Huehner auch sehr schoen, die Federn schimmern gruen-lila in der Sonne.

Die Inneneinrichtung des Huehnerstalls ist auch vorerst fertiggestellt. Zwar ist kein Schickimicki dabei, aber ich habe alles ganz alleine geplant und gebaut – meist aus Baumaterialresten.

Hoehergelegenes Nest mit Gardinen aus durchgelaufenen Socken.
Blick nach rechts unten: Bodennahe Nester mit Ei-Attrappen-Steinen

Das PVC Rohr im Vordergrund ist uebrigens die austomatisch nachfuellende Futterstation. Oben wird das Futter nachgefuellt und unten kann es herausgepickt werden ohne dass die Huehner das Futter herausscharren, noch es verunreinigen koennen.

Da meine Huehner alles alte Rassen sind und keine Hochleistungs-Leger, werden sie erst mit ca. sechs Monaten anfangen zu legen. Das waere dann Ende Oktober. Aber einen guten Monat vorher alles schon fertig zu haben, damit sich die Huehner langsam an die Nester gewoehnen koennen, das hielt ich fuer eine gute Idee.

Eine sehr gute Idee: Fuenf Tage nach dem Nestbau wurde das erste Ei gelegt – mehr als einen Monat eher als erwartet!

Ei, Wunder der Natur. Etwas kleiner als aus dem Supermarkt gewoehnt, aber genauso wohlgeformt.

Die Frage war natuerlich, welche Henne so eifrig die Produktion hochgeschraubt hatte. Ich setzte mich zu den Huehnern und beobachtete, ob sich eine Henne aufaellig benahm. Tatsaechlich: Coco hatte eine Art waessrigen Durchfall, den ich sonst von den Huehnern nicht kenne. Koennte sie es gewesen sein?

Verdaechtigt: Australorp Henne Coco.

Seitdem schaue ich voller Vorfreude mehrmals am Tag in den Stall um zu sehen, ob mehr Eier gelegt wurden. Doch am dritten Tage nach der Legung war morgens immer noch nichts im Nest. Mittags schaute ich nochmal und siehe da!

Henne Coco hockt im Nest.

Ha!! Hab ich’s mir doch gedacht!

Stoeren wollte ich Coco bei der Eiablage jedoch nicht, also gab ich ihr ein Anstands-halbes-Stuendchen, bevor ich wieder nachsah. Was ich fand, ueberraschte mich schon wieder!

Zwei Eier lagen ploetzlich im Nest!

Zwei Eier, eins noch warm und eins kalt. Das warme Ei sah aus wie das allererste, was mich in meiner Vermutung bestaetigte, dass Coco das erste Ei gelegt hat. Das kalte Ei ist ein Mysterium. Wieder habe ich die Huehner genau beobachtet, doch alle Huehner verhielten sich wie immer und wollten mir das GehEImnis nicht verraten.

Es ist jetzt zwei Tage her, seit ich die zwei Eier gefunden habe. Wird es morgen wieder soweit sein? Und wie viele Eier finde ich dann? Werde ich die msterioese Eierlegerin enttarnen koennen?! Es ist maechtig spannend, zumindestens fuer mich. Ihr muesst da jetzt einfach mit durch. 😀

Und jetzt muss ich nochmal Werbung machen fuer Huehner. Lange habe ich gezoegert, mir meinen Huehnerwunsch zu erfuellen. Oft habe ich mir gesagt, dass die Realitaet bestimmt nicht so toll ist, wie ich sie mir vorstelle. Und dass ich zumindestens warten muss, bis ich ein eigenes Grundstueck besitze und genug Zeit und Geld fuer so ein Hobby habe. Und dann, was soll ich machen, wenn ich in den Urlaub fahre? Huehner scheinten mehr Umstand als Nutzen zu sein.

Jetzt kenne ich die Realitaet. Und ich glaube, ich haette mir schon eher Huehner anschaffen muessen. Die Huehner bereiten mir so viel Freude. Der Umgang mit ihren speziellen Charakteren, dass sie saemtliche Essensreste sinnvoll verwerten und schliesslich noch Eier spendieren… Ich mag die Biester so gerne, das gibt mir richtig viel Energie fuer den Alltag. Nach der Arbeit den Stall ausmisten? Kein Problem. Das Wochenende haemmern und schrauben? Gerne. Anbauten planen, damit auch bei -45 °C genuegend Auslauf bereitgestellt werden kann? Auf jeden Fall!

Sogar Arma ist erstaunt, wieviel Antrieb mir die Huehner verleihen. 😉

Arma auf der Couch, etwas perplex.

Ich wuensche dir, dass du auch ein Projekt findest, das dich beseelt und motiviert. Wie waere es mit ein paar Huehnern? Oder hast du eine andere Idee, was fuer dich klappen koennte? 🙂

Ausrichtung

Den Sommer habe ich dafuer genutzt, zu ueberlegen. Was mich aus der Bahn geworfen hat. Ja, vielleicht Corona. Aber genau was an Corona? Und was kann ich machen um mich in dem Leben, das ich gestalten kann, wieder in Balance zu bringen?

Ich glaube es war mein Thema mit der Freiheit. Ich liebe das Gefuehl von Freiheit, von Moeglichkeiten und Selbstbestimmtheit. Das ist uns in den letzten Monaten allen ein wenig abhanden gekommen. Auch wenn es vorher vielleicht nur eine Illusion war, denn wie viele der scheinbar unbegrenzten Moeglichkeiten hat man denn tatsaechlich ausgekostet? Und vieles ist doch noch machbar, wenn auch vielleicht anders als gewohnt.

Also was kann ich tun um mich wieder frei zu fuehlen?

Fuer mich lautet der Weg: Eigenverantwortung uebernehmen und so viel wie moeglich selbst machen. Auch wenn ich es gut finde, dass Tyrel und ich uns gut ergaenzen in der Partnerschaft, verleitete es mich dazu, manche Dinge nicht mehr selbst zu machen. Weil er schneller/geschickter/besser ist in einigen Dingen. Doch das fuehrte unbemerkt zu einer gewissen Abhaengigkeit, da ich ihn ja oefter darum bitten musste, gewisse Dinge zu tun. Dass er fuer zwei Monate auch am Wochenende gearbeitet hat, hat die Situation natuerlich nicht entspannt. Also Aermel hochkrempeln und selbst ist die Frau.

Einige kleinere Bauprojekte wurden von mir geplant und durchgefuehrt, ganz alleine. Normalerweise halte ich wenigstens Ruecksprache mit Tyrel, weil er mehr Erfahrung in den Dingen hat. Aber alles hat auch so geklappt.

Mit Freunden habe ich eine Zeltgarage aufgebaut, in der ich meine Sachen lagere, sowie alles was zu Huehnern und Landwirtschaft gehoert. Ausserdem habe ich dort eine kleine Werkbank, mit der ich wetterunabhaengig werkeln kann.

Fuer vier Tage habe ich eine viertaegige Kanutour mit Freunden gemacht und ganz ohne Tyrel geplant, gepackt, gepaddelt und gelagert. Er musste arbeiten und hat sich um die Huehner gekuemmert.

Und was mir mit Abstand am schwersten fiel:

Ich habe Hahn Jumanji gekoepft und zu Suppe verarbeitet.

Fuenf Haehne hatte ich insgesamt. Einen habe ich behalten, drei habe ich zu neuen Huehnerharems vermitteln koennen. Doch Jumanji… er hat Klumpfuesse bekommen, was immer ausgepraegter wurde je schwerer er wurde. Am Ende konnte er weder scharren noch in den Stall huepfen ohne regelmaessig umzufallen. Auf eine Sitzstange fuer die Nacht fliegen klappte auch nicht. Ich wusste nicht, ob ihm die Fussfehlstellung Schmerzen bereitet hat. Aber in der letzten Woche seines Lebens wurde er richtig fies zu seinen Mithuehnern und auch zu mir und griff gerne an, wenn man in seine Naehe kam. Ich koennte jetzt einen Vergleich ziehen zu einem Propagandaminister mit Klumpfuss, aber lasse es lieber.

Ihn zu schlachten, was in der Theorie logisch klang, war nicht mehr so einfach als er vor mir lag und mich ansah, waehrend ich das Beil ansetzte. Doch eine Alternative sah ich nicht.

Jemand anders fragen, die Handlung fuer mich zu erledigen?

Nicht selbstverantwortlich.

Ihn leben lassen?

Nicht verantwortungsvoll ihm gegenueber (wobei ich mir bewusst bin, dass es dazu andere Meinungen gibt).

Ihn beerdigen?

Nicht fair gegenueber all den anonymen Lebewesen, die ich bisher in meinem Leben gegessen habe. Die waren genauso am Leben wie Jumanji, nur dass sie keinen Namen hatten, nicht mit ihnen gekuschelt wurde, sie weder gekannt noch geliebt wurden.

Waere es besser, wenn er nach dem Schluepfen direkt geschreddert worden waere, wie es zu Millionen geschieht?

Waere es besser, sich mit Fleischkomsum nicht naeher zu befassen und einfach im Supermarkt zu kaufen, was sauber abgepackt im grell beleuchteten Regal steht?

Waere es besser, vegan zu leben?

Viele Fragen auf die nur jeder selbst eine Antwort finden kann.

Fuer mich ist es okay Tiere zu essen, wenn ich mich aktiv damit auseinandersetze und daran teilhabe. Daher jage ich, arbeite ich in der Fleischerei und esse meine Huehner, wenn ich keine andere Moeglichkeit sehe, sie ein glueckliches Leben fuehren zu lassen.

Trotzdem:

Tut mir leid, Jumanji.

Danke Jumanji.

Ich hab dich gern Jumanji!

Nun ist Hahn Daisy der Chef in der Gruppe. Seine Zehen sind zwar auch nicht perfekt gerade, aber das ist nur ein Schoenheitsfehler – er kann scharren, springen und laufen ohne Probleme.

Aber die letzten Wochen waren nicht nur schwer und wegweisend. Sie waren auch voller schoener Momente, Lachen und Bewunderung fuer die Natur.

Zum Beispiel habe ich endlich das perfekte Dankeschoen Geschenk fuer meine Freunde gefunden, die die Kueken in den ersten Wochen grossgezogen haben: Kissen, die mit einem Bild ihres Lieblingshuhns bedruckt wurden.

Ich freue mich ueber die zwei Kissen mit Huhn Icicle. Der rechte Hintergrund ist das Weltall, und der linke Hintergrund eine Strasse in Tokyo.

Natuerlich gab es auch viele schoene Momente mit den Huehnern.

Alles in allem ein schoener, wenn auch verregneter Sommer. Morgen hole ich die letzte Gemuesekiste der Saison ab. Und dann geht es in grossen Schritten auf den Winter zu.

Danke an die treuen Seelen, die trotz der Inaktivitaet hier trotzdem regelmaessig reinschauen. Das motiviert mich immer wieder, mich trotz Unlust doch zum Schreiben aufzuraffen!

Das Gleiche gilt natuerlich fuer die Wachruettelversuche per Email. ^^

Habt ihr die Krise auch als Anlass genommen, mehr selbst taetig zu werden und was zu machen, was ihr sonst nicht getan haettet? Und hilft euch das so wie mir? Wuerde mich ja interessieren. 🙂