Langsam verliere ich den Ueberblick ueber die Tage, wann wir was am Haus gemacht haben. Alles scheint ineinander ueberzugehen und der Fortschritt erscheint mir daher nicht allzu gross. Wenn ich mir jedoch ueberlege, wieviele Ueberlegungen und Diskussionen in jedem Arbeitsschritt stecken; und wieviele Weichen fuer zukuenftige Schritte gestellt wurden, dann ist unser woechentliches Update doch ganz ordentlich.
Zunaechst baut Tyrel einen Rahmen fuer das Dach.

Ein paar Sparren sind in den Dachrahmen schon eingesetzt worden.
Daraufhin schraube ich mir einen Wolf um alle Sparren einzubauen.

Das Gerippe des Dachs ist vollendet.
Hier moechte ich noch einmal bemerken, dass Kanada ein merkwuerdiges Einheitensystem verfolgt. Auf dem Papier und offiziell ist alles metrisch, also Celsius, Kilometer, Kubikmeter, … Aber in Wirklichkeit ist die Abhaengigkeit zu den USA zu hoch, als dass sich das so richtig durchsetzen koennte. Denn wie koennte man sonst fleissig mit dem grossen Nachbarn hin- und herhandeln? Vor allem bei einem wichtigen Exportgut wie Baumaterial aus Holz moechte Kanada natuerlich kein Risiko eingehen. Und so kommt es, dass ich in Fahrenheit backe und in Zoll (inch) baue.
Das Bauen in einer anderen Einheit waere ja eigentlich kein Problem. Doch dazu kommt, dass die Abmessungen der Materialien keinesfalls der Bezeichnung entsprechen. 2 x 6 inch Latten sind in Wirklichkeit 1,5 x 5 inch dimensioniert. Das ist natuerlich auch nicht einheitlich, manchmal passen die Masse sogar zum Namen. Um es noch ein bisschen lustiger zu machen ist ein inch mit 2,54 cm Laenge auch die kleinste Masseinheit, die das imperiale System zu bieten hat. Falls man jetzt ueber zwei Millimeter reden moechte, benutzt man nicht die Kommazahl 0,0787 inch, sondern immer den Bruch 5/64 inch. In meiner Laengen-Vorstellungskraft dieser Brueche bin ich noch relativ beschraenkt. Jedoch habe ich einen schlauen Helfer an meiner Seite: Mein Massband!

Mein imperiales Massband. In schwarz wird die gemessene Laenge angezeigt, in rot jeweils die Haelfte der gemessenen Laenge.
Standard im Bau hier ist, dass alle 16 inches mittig eine Stuetze in der Wand eingebaut wird. Mein Massband markiert zum Glueck alle Zahlen, die sich durch 16 teilen lassen durch einen schwarzen Block. Falls man jedoch nach Fuss (foot) sucht, da die Laenge der Materialien im Bau meist in foot angegeben ist, muss man durch 12 teilen. Mein Massband markiert die foot Markierungen etwas weniger deutlich in einem kleinen Rahmen neben der gemeinten inch Zahl.
Als wirklich hilfreich empfinde ich jedoch die automatische Mittenberechnung, die mir das Massband in rot anzeigt. Da man oft die Mitte bestimmen muss von Materialien im Bau, muss ich hier nicht lange ueberlegen, was die Haelfte von 271 1/4 ist (135 5/8 natuerlich ^^).
Arma zeigte sich uebrigens unbeeindruckt von meinen Sparren. Sie ging lieber ihrer Lieblingsbeschaeftigung nach: Pilze aufspueren und essen. Zur Zeit macht sie das besonders gern, da die gefundenen Pilze frisch sind, und nicht vergammelt oder getrocknet wie im Winter.

Einohrhund Arma verspeist einen nicht naeher zu bestimmenden Pilz.
Am naechsten Tag ist Tyrel schwer mit Rechnen und Planen beschaeftigt. an der Stelle, an der wir spaeter unseren Holzofen einbauen wollen, muessen wir jetzt schon den Durchbruch durchs Dach fuer den Schornstein planen. Die Materialien dafuer haben wir bereits. Doch die Einbauanleitungen und Bestimmungen muessen noch gewaelzt werden. Am Ende steht der genaue Einbauort fest, welcher von Holzstuecken eingerahmt ist.

Nahe des Eingangs wird der Ofen eingebaut werden.
Donnerstags ist fuer mich Stadttag. Nach Feierabend fahre ich zunaechst zu meinen Freunden in den Kaeseladen. Mindestens einmal in der Woche gehe ich dort einkaufen – und das seit Januar 2018. Bislang habe ich diesen wichtigen Termin dreimal nicht einhalten koennen, da ich verreist war. Aber ansonsten investiere ich woechentlich in Kaese. Mein woechentliches Budget ist dabei uebrigens mein Stundenlohn. Das hilft auch bei der Motivation auf der Arbeit: Sollte ich einmal spontane Unlust verspueren, arbeite ich die naechsten 60 Minuten einfach fuer Kaese und alles geht leichter von der Hand!
Nach dem Kaeseladen geht es fuer mich im Sommer auf den Markt. Im Fruehling habe ich bei der Biofarm, auf der ich 2017 gearbeitet habe, ein Gemueseabo fuer den Sommer erworben. Ich weiss, dass man damit den Farmern am besten helfen kann. Sie haben ein Einkommen vor der Aussaat und koennen langfristig planen, ueber welche Wochen sie wieviel wovon anbauen, damit das Gemueseabo abwechslungsreich und ueppig ausfaellt.
Meist kehre ich nach dem Markt noch in den Supermarkt ein und besorge ein paar Lebensmittel, die nicht auf dem Markt erhaeltlich sind. Oft sind uns auch noch einige Baumaterialien ausgegangen, die ich dann noch im Baumarkt besorge.
Als ich diesen Donnerstag nach Hause komme, entscheide ich mich fuer Haushalt und Kochen statt bauen.
Freitag und Samstag bekommt das Haus ein provisorisches Dach mit einer Membran. Die kleine Aussenwand unter dem Ueberhang wird fertiggestellt mit Isolierung, Membranen und Aussenwand. Ausserdem isoliere ich kleinere Wandbereiche an den Ecken des Hauses, die von innen nicht erreicht werden koennen.

Bauschaum quillt aus den Ritzen des kleinen, membran-bedachten Hauses.
Samstag bis Dienstag regnet es. Jeden. Tag. Ordentlich.
Der naechste Schritt waere jetzt, auf dem Dach herumzukraxeln und mit Latten die Sparren zu verbinden. Doch die Membran ist sehr rutschig bei Naesse und die Flaeche, auf die man treten darf ohne abzuschmieren, verschwindend klein. Wir nutzen die Gelegenheit also, um uns anderen Fragen zu widmen und entwerfen auf dem Sofa im Trockenen unser zukuenftiges Klohaeuschen (outhouse). Ausserdem treiben wir die Gedanken zu unserer zukuenftigen Solaranlage weiter. Und ein elektrischer Zaun muss auch noch her, um den zukuenftigen Komposthaufen und vor allem die potenziellen Huehner vor allerlei Raubtieren zu schuetzen.
Wenn es nicht ganz so schlimm regnet, gewittert, oder hagelt, tuefteln wir an unserer Haushebevorrichtung. Das Haus steht doch noch auf dem Trailer auf einem Gestell, damit wir Platz hatten, den ganzen Boden auch von unten festzuschrauben.

Auf beiden Seiten des Hauses wird gleichzeitig gehoben
Zum Anheben benutzen wir kleine hydraulische Stempelwagenheber oder auch Flaschenwagenheber genannt (bottle jacks auf Englisch).
Nachdem das Haus eine ganze Ecke heruntergehoben ist, muessen wir Gestelle bauen, mit denen wir das Haus vom Boden aus anheben koennen. Tyrel hat eine gute Konstruktionsidee und nach und nach entstehen kleine Gestelle aus Vierkanthoelzern.

Hund Arma vor gleichfarbigen Haus-Hebe-Gestellen.
Die Gestelle leisten uns gute Dienste und eine ganze Weile spaeter steht das Haus tatsaechlich mit allen Fuessen direkt auf unserem trailer. Davon habe ich uebrigens anscheinend kein Bild gemacht bislang ^^
Der Mittwoch ist ganz den Latten gewidmet. Tyrel klettert auf dem Dach herum und schraubt fest ohne Ende, ohne Feierabend, bis spaet in die Nacht hinein. Dabei kann ich ihm leider nicht helfen, denn ich habe Hoehenangst. Die konfrontiere und ueberwinde ich zwar haeufig gern und erfolgreich, aber ein schwankendes Dachgestell mit duennen Balken zum drauf treten auf rutschiger Folie verwandelt meine Beine in weiche Nudeln.
Da backe ich lieber kleine Broetchen. Ganz im wahrsten Sinne des Wortes. Ich verkruemel mich in die Kueche und koche und backe bis ich dringend ins Bett muss. In den Tagen der Dachkonstruktion essen wir daher wie die Koenige. Es gibt jeden Tag kleine, frischgebackene Hefebroetchen mit selbstgemachter Cranberrysauce. Dazu Bratreis, Cajun Pulled Schwarzbaer und sogar Frankfurter Kranz! Das war als Kind mein Lieblingskuchen, den meine liebe Oma zu Familienfesten zubereitet hat. Jetzt weiss ich erst, was das fuer einen Aufwand bedeutet. Schmeckt aber immer noch besonders lecker! 🙂
Gestern (Donnerstag) Abend nimmt Tyrel die naechste Nachtschicht auf sich. Ich bin ja der Meinung, dass er lieber schlafen sollte anstatt zwei Naechte hintereinander nur kurz ein Nickerchen zu halten um dann gleich wieder arbeiten zu gehen… aber mit der Meinung stehe ich auf verlorenem Posten. Daher gehe ich in die Kueche, um den vierten Tag in Folge einen Hefeteig fuer Milchbroetchen anzusetzen. So fuehle ich mich wenigstens ein bisschen hilfreich ^^
Zunaechst passt Tyrel die Box ein, die als Hitzeschild zwischen Ofenrohr und Dachkonstruktion eingesetzt wird. In diese Box kommt der isolierte Edelstahlschornstein des Ofens.
![P_20190725_050439[1]](https://lukonblog.files.wordpress.com/2019/07/p_20190725_0504391.jpg?w=620)
Die schwarze Ofenrohr-Dach-Durchbruch-Hitzeschutz-Box ragt in den Innenraum hinein. Gibt es dafuer vielleicht ein einfacheres Wort im Deutschen? 🙂
Tyrel schraubt sich einen Wolf und freut sich, uns zu sehen. In ca. 5 Minuten wuerde er nachkommen, dann ist alles relativ fest. Meine schlaefrigen Augen klaren auf, als ich sehe, dass das Dach mehr als weit fortgeschritten ist!
![P_20190726_040112[1]](https://lukonblog.files.wordpress.com/2019/07/p_20190726_0401121.jpg?w=620)
Bild von heute morgen um 4 auf dem Weg zur Arbeit aufgenommen. Alle Blechdachpaneele sind auf dem Dach und vorlaefig befestigt!
Ich versuche ihm mehr Milchbroetchen aufzuschwatzen, doch wir entscheiden uns beide fuer den schnellen Schlaf. Wobei Schlaf fuer mich relativ ist, da ich nicht mehr fest einschlummern kann bis der Wecker klingelt.
Aber das macht ueberhaupt nichts denn: Wir haben ein Dach!!!
So, diese Woche habe ich entschieden genug Mittagspausen fuer diesen Blog geopfert! 😀 Und der Regen trommelt wieder gegen meine Fensterscheibe waehrend ich die letzten Zeilen verfasse…
Schoenes Wochenende euch allen und bis zum naechsten Update!