Flusstrip 2018: Tag 3

In der Wildnis scheine ich einen helleren Schlaf zu haben. Ich wache auf, wenn ich das Feuer nicht mehr knistern hoere und lege neues Holz nach. Dann kann ich kurz nicht schlafen, weil das Feuer zu laut knistert und es zu hell geworden ist, da der Schein des Feuers die Plane ueber uns wie eine Kinoleinwand beleuchtet. Das ganze wiederholt sich etwa drei Mal, bis gegen 7 Uhr morgens Aufstehstimmung verbreitet wird und ich mich aus dem Schlafsack schaele.

Auch heute Morgen zeigt das Thermometer -12 Grad an. Schnell schluepfe ich in meine dicke Kleidung und bewege mich, um warm zu werden. Wasser muss geholt werden, sowie das Fruehstueck, was mit den anderen Lebensmitteln nachts in einem Plastikcontainer beim Boot bleibt. Vor Baerenbesuch graut es meinen Mitstreitern dabei nicht so sehr wie vor Maeusen.

Nachdem unsere Gaumen gestern durch die Elchwuerstchen und Kaesegnocci so verwoehnt wurden, gibt es heute morgen wieder ein Fertiggericht von Knorr. Joe gebe ich eine Packung hausgemachte Nussriegel mit fuer einen Snack zwischendurch auf dem Boot. Tyrel und ich beschliessen, so wenig wie moeglich selbst von den Riegeln zu essen, damit wir Joe auch eine Freude machen koennen, wo er uns doch aus der Patsche hilft und dabei noch so gut verkoestigt.

Heute Morgen brauchen wir laenger, bis wir aufbrechen. Tyrel hat ein paar duenne Baeumchen gefaellt und zusammen mit Joe wird beraten, wie die Boote nun am besten zusammengebunden werden koennen, damit alles gut navigierbar ist und das Gummiboot keinen Schaden nimmt. Ich nutze die Zeit um mich warmzuhalten, packe unser Camp zusammen und bringe die Kisten herunter in Richtung Boot. Mit der Kamera halte ich den Sonnenaufgang fest.

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Die Sonne lugt hinter den oestlichen Bergen hervor, waehrend sich noch Nebelschwaden auf dem Wasser tummeln.

Joe und Tyrel zurren derweil fleissig an den Booten herum. Zugseile, Bungeeseile und Ratschen ist etwas, was man in Unmengen mit auf einen Trip in die Wildnis nimmt und in allen moeglichen Situationen darueber gluecklich ist.

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Die Boote sind mit zwei duennen Baeumen parallel miteinander verbunden und werden wieder mit der Ausruestung eingeraeumt.

Schliesslich treiben wir auf dem Fluss. Langsam geht es voran, bei engen Kurven paddeln wir zusaetzlich, damit wir nicht auf eine Kiesbank auflaufen. Ein paar Flusswindungen weiter begruesst uns ein maechtiges Floss!

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Bestimmt 15 Meter lang ist das Floss, das mit Annehmlichkeiten wie Autositzen und einer Feuerstelle ausgeruestet ist.

Wir gehen an Land und machen uns ein Bild von der Lage. Unglaublich ausgeruestet waren die Flossfahrer unterwegs. Eine Dusche ist an Bord, eine Betonplatte mit Feuerstelle, eine Kueche, Schlafplaetze, Kisten voller noch haltbarer Lebensmittel, Werkzeuge und eine Kiste voller Naegel. Eine Landungsbruecke fuehrt zum Ufer, dort hat jemand Unmengen von Feuerholz gesaegt und ein provisorisches Klo ausgehoben und zum Teil mit Klopapier und Faekalien gefuellt.

Gab es Probleme mit dem Floss, sodass sie nicht weiter konnten? Sind sie auf Grund gelaufen und haben das Floss dann nicht mehr zurueck ins Wasser bekommen? Haben sie aus anderen Gruenden die Expedition abbrechen muessen und das Boot zurueckgelassen um im naechsten Sommer zurueckzukommen?

Wir wissen es nicht und werden es wahrscheinlich nicht erfahren. Es bleibt nur abzuwarten, ob das Floss im naechsten Jahr noch vorhanden ist oder vom losbrechenden Eis im Fruehling zermalmt oder losgerissen wurde.

Wir lassen den Ort ruhen und ziehen weiter.

Nach einer Flussbiegung ruft Tyrel leise „es hat ein geweih…“

!!! EIn junger Elchbulle sonnt sich am Ufer und schaut uns fragend an!!! So unauffaellig, wie es nun mal geht, greife ich nach meinem Gewehr, lade Munition durch, nehme die Schutzkappen des Suchers ab und lege an. „Schiess nicht, er rennt doch schon weg!“ Und auch ich sehe nur noch den Elchgalopp… Verdammt! Joe musste den Motor bedienen, vor uns im Fluss befanden sich Kiesbaenke, Steine und Stromschnellen. Und Tyrel hat gepaddelt, um Joe zu unterstuetzen. Naja, es ist gut, dass wir wenigstens einen Elch gesehen haben. Schnell geht es zur Stelle, die der Elch zur Siesta ausgewaehlt hatte. Joe streift gegen den Uhrzeigersinn um die kleine Insel, Tyrel und ich im Uhrzeigersinn. Im Eis um die Insel entdecken wir schliesslich, wo der Elch vom Festland angereist und auch wieder abgereist ist. Schade, er ist weg.

Wir tuckern zum anderen Ufer und machen Mittag. Vielleicht kommt der Elch ja nochmal wieder. Tyrel und ich essen ein paar staubige Cracker, waehrend die Schatten der Baeume ueber uns ziehen und die Mittagpause unangenehm machen. Es ist Zeit, weiterzuziehen.

Tyrel fallen immer wieder die Augen zu. Hmm, habe nicht ich das Feuer am Leben gehalten heute Nacht und sollte jetzt muede sein? Aber wie schoen, dass seine Erkaeltung so gut ausgeheilt ist, davon ist gar nichts mehr zu spueren.

Joe reicht uns ein Stueck Christstollen herueber, wir schneiden zwei kleine Scheiben ab. In meinem Mund erklingt eine Symphonie. Wie wundervoll es schmeckt! Ist es, weil ich gerne Stollen mag, weil ich hungrig bin, weil ich mich hier von Fertiggerichten ernaehre oder liegt es an der frischen Luft? Spielt ueberhaupt keine Rolle. Mit geht es einfach prima und ich bin da, wo ich gerade sein soll.

Waehrend wir alle Ausschau halten nach einem Cousin des fluechtenden Elchbullen, mache ich ein paar Bilder von anderen Tieren.

Heute passiert nicht mehr viel. Wir halten, errichten das Lager, machen ein Feuer.

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Das Feuer waermt einen Topf mit Wasser auf einem Gitterrost. Daneben wurden schon Tyrels und meine Plastikschuessel mit Fertignudeln und heissem Wasser befuellt.

„Wollen wir naechstes Jahr Urlaub im Warmen machen?“, fragt Tyrel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Jagdtrip dafuer ausfallen wird 2019. Aber warm klingt eigentlich ganz verlockend zur Abwechslung. Tyrel moechte gern Alligatoren sehen. Die gibts doch in Louisiana, da ist das Essen so scharf und lecker, das gefaellt mir wiederum!

Wir wuenschen uns eine gute Nacht und warme Traeume.

19 Kommentare

      1. Im sonnigen North Carolina, das im Fruehling, Herbst und Winter immerhin nicht ganz so unertraeglich heiss ist.
        Aber zugegebenermassen ist das Essen in Louisiana besser. Dafuer kann ich aber gut kochen 😉

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  1. So ein leichter Schlaf beim Übernachten in der kanadischen Wildnis ist bestimmt nicht verkehrt. Ist doch gut, wenn man den Sich nähernden Bär (oder was auch immer) so früh wie möglich wahrnimmt, oder 😉)

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    1. Ja, da hast du schon recht! Dafür wache ich zu Hause nicht auf, wenn ein Bär an die Hauswand zimmert 😅
      In der Praxis aber hat man in der Wildnis eher Besuch von Mäusen und die lohnt es nicht mal zu jagen 😕

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  2. Jetzt überlege ich schon die ganze Zeit, was mit dem Floß ist und wo die Besitzer wohl sind. Die hatten sich das ja wirklich ganz heimelig eingerichtet. Ich muss gestehen, dass ich noch nie bei -12 Grad Zelten war und ehrlich gesagt beim Anblick unserer letzen Floridareise leicht feuchte Augen bekomme. Dabei sind hier in Nova Scotia noch 12 Grad über Null!! Und ich sitze im Haus. Naja, zum Glück ist ja bald Weihnachten.
    Übrigens kann ich Louisiana essentechnisch auch sehr empfehlen, die massive Luftfeuchtigkeit eher nicht. Dafür kann man sehr viel über die vertriebenen Akadier aus Atlantic Canada, die heutigen Cajuns in Louisiana, erfahren. (Ok, interessiert vielleicht nur mich)

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    1. Den Flossbetreibern geht es bestimmt gut, sonst haetten wir sie ja angetroffen. 😀 Essen war genug da und Berge von Feuerholz, also war ihnen auch nicht mal kalt. Ich denke mal aus irgendwelchen Gruenden mussten sie ihre Reise genau dort beenden und haben dann vielleicht ein paar Tage warten muessen, bis sie ein Boot mitgenommen hat, beziehungsweise jemand eine Nachricht an einen Freund ausrichten konnte, dass sie abgeholt werden wollen.
      Ich bin auch ganz fasziniert von den Cajuns, der Sprache und der Historie…. und natuerlich dem Essen ^^‘ Zu Hause bereite ich gern Cajun Chicken oder Cajun Bear zu. Die Luftfeuchtigkeit waere fuer einen Urlaub bestimmt zu verschmerzen, immerhin kehre ich anschliessend in die trockenste Stadt Kanadas zurueck 😉
      (Uebrigens sind hier heute -11 Grad, aber es soll ja noch auf -9 aufwaermen!)
      Liebe Gruesse an die Ostkueste,
      Luisa

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  3. Wie immer toll zu lesen. Nun aber meine Frage: wie kommt „Euer“ Joe an Christstollen?? Selbstgebacken? Der richtige Sachse ist Christstollen (den ECHTEN, eben aus Saggsn) nicht vor Heiligabend. 😛

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    1. Haha, unser Joe ist zwar in Kanada geboren, aber von deutschen Eltern, die dann mit Baby Joe wieder zurück nach Deutschland sind… Woraufhin er mit 18 Jahren alleine zurück nach Kanada ist, allerdings mit teils deutschem Gaumen. Christstollen gibt’s hier tatsächlich im real canadian superstore für $10 zu kaufen, der kommt dann allerdings aus Soest…

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    1. Oh, ich glaube den superstore gibt’s nur im Westen… Dabei hätte ich gedacht gerade in Lunenburg würde es mehr Auswahl und mehr Angebot wegen größerer Nachfrage geben! Komisch.

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