Monat: März 2018

Gartenbesuch

Am vorletzten Samstag ging ich wie jeden Tag, den ich nicht arbeite, spazieren. Der schmelzende Schnee ist nicht mehr puderig und knischt so schoen unter den warmen Stiefeln. Ich versuche, verschiedene Toene zu erzeugen auf den ersten 30 Metern vor unserer Haustuer.

Ploetzlich kracht es im Gebuesch von links. Es scheint ein sehr grosses, verschrecktes Tier zu sein, was da einen Rabatz veranstaltet. Die Eisdecke vom Fluss zerbricht sogar.

Ganz ruhig stehe ich in unserer Einfahrt. Was immer da den Laerm veranstaltet, es ist eh schneller als ich. Ganz untaetig will ich trotzdem nicht sein, ich rufe ein lautes „EY!!“ hinterher. Was besseres faellt mir nicht ein.

Schliesslich setze ich meinen Spaziergang fort. Vor zwei Wochen habe ich Elchspuren am anderen Ende unseres Grundstuecks gesichtet. Ist der Elch vielleicht immer noch in der Gegend?

Nach meinem Spaziergang gehe ich in die Richtung, aus der die Geraeusche stammten. Tatsaechlich finde ich eine Menge Elchspuren. Sie fuehren in dichtes Gestruepp, was den Laerm erklaert. So dicht, dass ich nicht nachfolge. Die Spuren sind relativ klein, es muss sich um einen jungen Elch handeln.

Zwei Tage spaeter geht Tyrel aus dem Haus, um unser Grundstueck mit dem Morgenurin abzustecken. Begeistert kommt er zurueck: „Der Elch ist in der Einfahrt, komm schnell!“ Schnell wie ein Blitz, der nicht ganz so schnell ist, greife ich Jacke und Kamera und gehe auf die Pirsch. Am Platz, wo Tyrel den Elch gesehen hat, ist er nicht mehr. Aber kurz darauf erspaeht Tyrel ihn im Gebuesch!

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Die Umrisse eines Elchs sind im Gestruepp zu erkennen.

Nach einem Foto schreitet der Elch von dannen. Wenigstens flieht er nicht mehr kopflos! 🙂

Die Pferdebesitzer, die im Sommer ihre Pferde auf der Weide vor unserem Haus grasen lassen, haben etwas Heu zurueckgelassen, welches langsam von Rehen aufgezehrt wird. Um diesen Heuballen finden sich in den folgenden Tagen immer mehr Elchspuren und der Ballen schrumpft merklich. Eines Morgens auf dem Weg zur Arbeit steht der Elch in ploetzlich in der Einfahrt und springt ueber den Zaun, um mir aus dem Weg zu gehen. Ein Schauspiel, das ich wohl nicht vergessen werde.

Jetzt sind reichlich Elchspuren auf unserem Grundstueck verteilt, so dass wir gar nicht mehr wissen, ob der Elch noch in der Gegend oder schon weitergezogen ist. Heute haben wir darueber diskutiert und schliesslich eine Dokumentation im Internet angesehen. Dann kam die Antwort auf unsere Spekulationen direkt ins Wohnzimmer geliefert.

Ganz langsam und gemaechlich schlendert der Elch, von dem wir nun wissen, dass es eine Elchin ist, durch die Einfahrt. Nach 10 Minuten schleichen wir hinaus um sie nun auf frischer Tat bei den letzten Heuresten zu ertappen… und wir haben Glueck!

Es ist ganz aufregend, sich an ein so grosses Tier heranzuschleichen, wohlwissend, dass es einen laengst bemerkt hat. Ich moechte es nicht stoeren und auch nicht zu sehr auf die Pelle ruecken. Aber die Elchkuh beobachtet mich aufmerksam wenn ich mich bewege und beruhigt sich kurz darauf und frisst weiter.

Beim Beobachten der Bilder faellt mir auf, dass das rechte Hinterbein der Elchkuh auffaellig ist. Wenn man genau hinsieht, kann man erkennen, dass sie ein Loch hat zwischen Fersengelenk und Achillessehne. Die Wunde scheint schon aelter zu sein, sie ist nicht blutig oder geschwollen. Und auch scheint es ihr keine Probleme zu bereiten. Das Gangbild ist klar, Frau Elch humpelt nicht und belastet beide Seiten gleich stark.

Tyrel ist der Meinung, dass die Wunde so gut verheilen konnte, weil Elche sich mit Schmerzmitteln vollpumpen. Immerhin essen sie gern Weiden, deren Rinde zur Herstellung von Aspirin verwendet wird. Ich weiss noch nicht, ob ich der Logik ganz folge, finde den Grundgedanken aber gut! 🙂

Jetzt noch ein paar Antworten auf Fragen, die mir juengst von einer Mitbloggerin gestellt wurden:

Tally von Tallyshome stellt gerne Fragen, wenn sie nicht von den Irrungen und Wirrungen ihres verrueckt-schoenen Alltags berichtet. Und ich antworte gerne. 🙂

1. Es gibt Leute, die der Meinung sind, in eine solche Welt sollte man keine Kinder mehr setzen. Siehst du das genauso? Und wenn nicht, was würdest du diesen Menschen sagen wollen?

Das ist durchaus eine Meinung, die man akzeptieren kann und wo ich nicht mit einem Gespraechspartner an seiner Meinung ruetteln muss. Wer sich nicht fortpflanzen moechte, soll das bitte auch nicht tun! Vielleicht brauchen wir aber noch ein paar Weltverbesserer auf dieser Welt, die erst noch geboren werden muessen, wer weiss das schon so genau.

2. Die Medizin entwickelt sich stetig weiter. Künstliche Organe, Klonen etc. Eine gute Sache? Oder gefährlich?

Ich habe mich einige Zeit mit Leih- ung Eimutterschaften und deren psychologischen Folgen auseinandergesetzt, weil ich das Thema spannend finde. Es scheint so zu sein, dass es fuer Eizellspenderinnen und Leihmuetter aus Laendern wie den USA (nicht aus Armutsverhaeltnissen) keine negativen psychologischen Folgen gibt. Das ist anders, wenn eine Frau gleichzeitig Ei- und Leihmutter ist, da das geborene Kind sie eventuell an Verwandte erinnert und sie es behalten moechte. Von daher denke ich, dass das eine gute Sache ist, um kinderlosen Paaren zu helfen. Bei anderen Verfahren wie kuenstlichen Organen, Klonen und weiterem wuerde ich mich jedes Mal neu informieren und vor allem die Fragen stellen „Zu welchem Zweck?“ und „Zu welchem Preis?“.

3 . In CERN forschen sie seit einigen Jahren schon mit Antimaterie. Das, woraus die schwarzen Löcher sind. Kritiker und auch diverse Verschwörungstheoretiker fürchten, dass es irgendwann einmal zu einem riesigen Fehler kommen könnte, so dass die Antimaterie sich selbstständig macht und somit ein riesiges schwarzes Loch auf der Erde entsteht. Macht dir so ein Gedanke Angst? Wie stehst du zu solchen Forschungen?

Ich kann mich noch an die Zeit des ersten Versuchs erinnern, zu der einige Physiker Eilklagen vor Gericht gebracht haben, um alles abzublasen. Auch mit meinem vielleicht dazu nicht ausreichendem physikalischen Basiswissen erschien mir die gefuehlte Gefahr eher gering. Und falls ein tatsaechlich ein schwarzes Loch die Erde verschlingen sollte, haette einem der Bunker im Vorgarten oder der Extravorrat Teelichter von IKEA auch nicht weiter geholfen. Von daher hab ich keine Angst und lebe einfach. 🙂

4. Thema Übernatürlich: Ist dir schon mal etwas passiert, was du trotz jeder Wissenschaft nicht erklären konntest und das du deshalb als „übernatürlich“ bezeichnen würdest?

Ja, das passiert mir recht regelmaessig. Dass man zum Beispiel aus dem Nichts heraus sehr intensiv an bestimmte Leute denken muss, von denen man Monate nichts gehoert hat und am naechsten Tag haben sie Kontakt zu dir gesucht. Ich glaube aber auch, dass da schon etwas Erklaerbares dahinter steckt, wir wissen nur noch nicht was. Wenn man sich nur vorstellt, was die Leute noch im Mittelalter geglaubt haben, wo Krankheiten herkommen usw. und wie nah das Mittelalter an unserem Zeitalter ist, gemessen am Alter der Welt… dann ist es vermessen zu glauben, dass wir ploetzlich so weit sind, alles zu wissen und alles erklaeren zu koennen. Ich glaube, es ist wichtig mit offenen Augen durch die Welt zu sehen und sich keine Eindruecke zu verbieten, nur weil sie keinen Sinn machen mit den bisher erlernten Erklaerungsmodellen.

5. Ist das Schicksal vorherbestimmt oder selbstbestimmt?

Beides. Ich glaube es gibt verschiedene Szenarios, die moeglich sind. Letzendlich muessen wir uns dafuer entscheiden, jeden Tag. Ich entscheide mich gerne immer wieder fuer das, was mein Leben jetzt ausmacht. 🙂

6. Ich persönlich glaube nicht an einen personifizierten Gott. Und du?

Wenn ich ganz allein in der Natur umherwandere und meine Gedanken streifen lasse, dann habe ich das starke Gefuehl, das alles eins ist und alles zusammen haelt mit etwas Gutem, Liebenden. Nein, ich habe nicht das Gefuehl, dass das ein Mann mit langem, weissen Bart ist, obwohl ich ja pro Bart bin. Aber ich glaube, da ist etwas.

7. Wenn du die Welt in der du Leben könntest, selbst gestalten könntest, wie sähe sie dann aus? Mit Drachen und Einhörner? Sience fiction pur? Eher das was wir jetzt haben aber besser? Entschärftes Mittelalter? Schadowrun?! Erzähl mir davon!

In Deutschland habe ich mir mehr Abenteuer, Winter, Nordlichter, Berge, Wildnis und Bisons gewuenscht. Das habe ich alles im Yukon gefunden. Jetzt wuensche ich mir, dass wir bald reisen koennen, wie wir wollen. Ich moechte eine Revolution wie das Internet fuer Information und Kommunikation, nur fuer Transport. Und nein, das Elektroauto ist keine richtige Innovation fuer mich. Ich moechte auf Energiebahnen reisen koennen ganz ohne Motor. Beamen waere auch okay. Ansonsten bin ich ganz zufrieden. 🙂

Habt eine gute Woche!

Mein lieber Winter

Mein lieber Winter,

immer wieder lockst du mich mit warmen Farben aus dem Haus.

Laesst mich wandern, laesst mich wundern. Spielst mit Farben, Bergen, Wolken.

Morgens laesst du dir einen dramatischen Auftritt einfallen fuer die helle Tageszeit. Erst kuendigst du mit Wolken an.

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Ueber einer noch dunklen, schneebedeckten Landschaft sind einzelne Wolken hell erleuchtet.

Wo sonst Bergketten den Horizont markieren, hast du heute einen Vorhang zugezogen.

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Hinter schwarzen Tannen kann man nur erahnen, dass Berge hinter den Wolken versteckt sind.

Du laesst mich weiter wandern um den richtigen Ausblick zu haben.

Selbst ein Spaziergang auf einer oeffentlichen Strasse scheint mit dir wie eine Wanderung im Gemaelde.

Auf dem Rueckweg laedst du mit den ersten Strahlen zum Staunen ein.

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Die goldene Sonne geht auf und wirft ein paar Strahlen auf die Strasse vor mir.

Vom Huegel auf unserem Grundstueck bewundere ich noch ein wenig deine Schoenheit, bevor ich mich wieder auf uns warme Haus mache.

Ich liebe die Morgenstimmung am meisten. Doch auch am Nachmittag bestichst du mit deinen Reizen.

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Die Sonne kurz vor dem Versinken im Westen ueber der Schneelandschaft.

Die Fussspuren im Schnee sind tief, der Himmel ist blau und alles so weiss.

Doch dein Schnee ist nicht nur weiss. Er hat viele verschiedene Schattierungen und Strukturen.

Mein lieber Winter, musst du auch bald gehen, ich freu mich schon auf deine Rueckkehr. Und auch du freust dich schon auf mich. Sonst wuerdest du mich nicht so fest in die Wangen kneifen, bis sie ganz rot werden!

Morgens halb 4 in Kanada

Schon 3:30h und hoechste Zeit aufzustehen!

Der Blick ist noch ganz verschwommen durch die Augenpopel, die um diese Uhrzeit noch nicht den Ausgang bei der Traenendruese gefunden haben. Trotzdem finde ich den Weg ins Badezimmer und stecke mir die Zahnbuerste in den Hals. Da sehe ich eine Nachricht, die mich stutzig werden laesst: Tyrel bittet mich darum, ihn aufzuwecken! Um diese Uhrzeit!

Seiner Bitte nachkommend hole ich ihn aus dem Lummerland und frage nochmals nach, ob er denn wirklich aufstehen moechte. Immerhin muss er erst in sieben Stunden zur Arbeit. Er entgegnet eine Frage: „Kannst du nachgucken, wie viel Schnee auf den Auto liegt?“ Ich stapfe zum Fenster an der anderen Seite des Hauses und schiele aufs Auto. „Nur ein bisschen Puderschnee, alles gut.“ „…ich habe die Einfahrt geraeumt!“ Erneutes Stapfen zum Fenster. „Oh wow, vielen Dank!!“ „Erst habe ich begonnen zu Schaufeln aber dann habe ich einen Redneck Plow gebaut. Ich fahre mit dir die Einfahrt hoch um dir zu zeigen, wie super das geht!“

  1. Unsere Einfahrt ist ca. 700 Meter lang mit beachtlichem Gefaelle (zum Haus geht es bergab) sowie Unebenheiten.
  2. Es hat diesen Winter ziemlich viel geschneit fuer Yukon Verhaeltnisse (Waden- bis kniehoch).
  3. Als Redneck Plow bezeichnet man einen Schneepflug, der notduerftig aus vorhandenen Materialien zusammengezimmert wurde und der hinter einem Truck gezogen wird.
  4. Tyrels Redneck Plow besteht aus zu einem Balken zusammengefuegten Holzlatten.

Moment… wenn er sich sicher ist, dass das super funktioniert, warum steht er dann um diese Uhrzeit auf?

Ich mache mich schnell fertig. Schliesslich mag ich es ueberhaupt nicht, zu spaet zur Arbeit zu kommen. Und gestern bin ich mit dem Auto eher die Ausfahrt hochgeschwommen statt gefahren.

Vor Ort stelle ich fest, dass der Schnee irgendwie verdichtet ist und ich darauf gehen kann. Scheint also geklappt zu haben das mit dem Schneeraeumen.

Nach ca. 7 Minuten hat Tyrel noch vor dem Huegel das Auto so festgefahren, dass es weder vor- noch zurueck geht.

Wir stapfen zum Truck, Tyrel faehrt mich bis zur Strasse und laeuft zum Haus zurueck. Es werden fuer ihn zwei harte Schaufelstunden werden, bis er das Auto zur Arbeit fahren kann. Ich schreibe meiner Arbeitskollegin, dass ich mich eventuell ein paar Minuten verspaeten werde. Zum Glueck habe ich jeden Morgen einen 15minuetigen Zeitpuffer fuer Unvorhergesehenes und schlechte Strassenverhaeltnisse eingeplant, sodass ich drei Minuten zu frueh ankomme. Im Buero schnell die aktuelle Flugplanung studieren, Schreibzeug und Taschenrechner greifen und ab in den Hangar.

Dort gehe ich zur Tuer rein und da stehen sie. Meine Arbeitskollegin und vor ihr zwei Duesenjets der kanadischen Luftwaffe!

Die beiden Schmuckstücke waren ein Unterhaltungspunkt bei den Sourdough Rendezvous letztes Wochenende. Sie sind geflogen und durften auch am Flughafen bewundert werden. Nun wärmen sie auch kurz in unserer beheizten Flugzeuggarage auf, bis sie sich wieder auf den Heimweg machen.

Nach gut 1,5 Jahren Whitehorse bin könnte ich auch mal wieder auf fliegen… Ob ich dieses Mal erfolgreicher bin im Kapern?

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Irgendwie fehlt mir der Steigbügel, um in dieses Flugzeug einsteigen zu können.

Ganz besonders interessant finde ich die Sitze der Piloten. Je Flugzeug sitzen zwei Piloten hintereinander und so sieht ihre Rückenlehne aus:

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Man könnte fast denken, es handelt sich um einen großen klobigen Plastikkasten, den man sich als Rucksack aufsetzt. Aber irgendwo muss ja die ganze Sicherheitsausrüstung hinpassen, samt Fallschirm und Schleudersitz.

Kurz vor 6 Uhr morgens sitze ich im Büro und wundere mich darüber, was heute schon alles passiert ist.