Frueh klingelt der Wecker im Motel und schon knurrt der Magen. Doch wie bringen wir hier das Wasser zum kochen fuer das Fruehstueck? So ganz ohne Wasserkocher oder Feuerstelle… Schnell wird der Kaffee- /Teeautomat entfremdet und mit heissem Tee weichen wir unseren 5-Minuten-Reis ein, um ihn mit einer Dose Chili verziert herunterzuschlingen.
Und dann geht es auch schon zurueck zum Truck. Es ist noch komplett dunkel, das mitgebrachte Thermometer zeigt -5 Grad an. Waehrend wir die Sachen aus dem Zimmer in den Truck raeumen und zum Fluss ziehen, verschwindet die Dunkelheit der Nacht und macht morgendlichen Farben Platz.
Schliesslich stehen wir mit einem Haufen Ausruestung vor dem Kanu und fangen an zu puzzeln. Im Gegensatz zu gestern weht kein Wind und ich kann mir vorstellen, nach links den Fluss herunterzufahren. Weil es so kalt ist, dampft der Fluss richtig.
Als das Kanu gepackt ist, parkt Tyrel den leeren Truck beim Motel, damit wir ihn nach der Tour sicher wieder abholen koennen. Ich stehe am Kanu und schaue auf den Teslin River. Dort werden wir 380 km entlangpaddeln. Ohne Handyempfang. Ohne Hilfe eines Motors. Ohne Zelt. Was wohl fuer Abenteuer auf mich warten?
Schliesslich kommt Tyrel ohne Truck vom Motel zurueck und es ist Zeit zu paddeln. Es ist das vierte Mal, dass ich in einem Kanu sitze und ich fuehle mich sehr bereit.
Es ist ein Genuss, lautlos durch diese spiegelnde Oberflaeche zu gleiten. Das Wasser ist so klar und flach, dass ich die Unterwasserpflanzen beobachten kann und manchmal sogar Fische erspaehe.
Nach einigen Windungen des Flusses kommen wir an einem Fish Camp vorbei, bei dem ein First Nation angelt. Fish Camps sind einfache Siedlungen der Ureinwohner an Fluessen, die der grossen Gewinnung und Haltbarmachung von Fischen fuert den Winter dient. Als wir gerade an ihn vorbeigleiten, ruft er uns zu, dass er vor kurzem einen Elchbullen hinter der naechsten Windung gesehen hat. Wir wuenschen ihm einen guten Fang und paddeln erwartungsvoll der Windung entgegen. Der Ureinwohner mit Hightechangel sing uns ein traditionelles Lied hinterher. Ich fuehle mich wie im Film und geniesse.
Wenige Stunden spaeter verstehe ich, warum der Fluss gestern stromaufwaerts floss. Ein starker Gegenwind kommt auf und wir paddeln, was das Zeug haelt. Doch scheinbar kommen wir gar nicht voran. Zur Motivation suche ich mir einen Baum am Ufer aus, den ich so lange anglotze, bis wir ihn erreicht habe. Ich gebe den Baeumen Namen und denke mir Geschichten aus, was sie wohl alles erlebt haben.
Schliesslich halten wir zur Mittagszeit an einer Insel am Fluss. Das Kanu hieven wir an Land, damit es nicht weggespuelt werden kann. Und wir erkunden die Insel. Viele Elch- und Baerenspuren saeumen das Ufer. Eine unbewohnte Huette gammelt vor sich hin.
Der Gegenwind ist an den Stellen mit wenig Stroemung im Fluss so stark, dass sich Wellen mit weissen Kappen bilden – die sogenannten Whitecaps. Ich hoffe, das Wetter aendert sich nochmal die kommenden Tage.
Als die Sonne schliesslich hinter den Bergen verschwindet, legt sich der Wind. Aber wir koennen die Gelegenheit nicht nutzen um Kilometer zu machen, sondern muessen einen Lagerplatz finden. Mit genuegend Totholz, damit wir uns ein Feuer bauen koennen.
Am ersten Lagerplatz liegt schon ein gruenes Kanu. Eine Person traegt das Gepaeck zur Feuerstelle, waehrend sich die andere Person am Feuer waermt. Der naechste auf unserer Karte verzeichnete Platz ist belegt mit einer Gruppe Motorboot-Jaeger in Tarnfarbenanzuegen. Also heisst es einen Zahn zulegen und zur naechsten Stelle paddeln, bevor es zu dunkel ist.
Schliesslich halten wir an einer Stelle und entscheiden uns, zu bleiben. Das Kanu vertaeuen wir gut und das Gepaeck trage ich Stueck fuer Stueck das steile Ufer herauf, waehrend Tyrel sich um die Feuerholzbeschaffung kuemmert. Ganz feudal haben wir unsere Kettensaege mitgenommen. Erst fand ich das uebertrieben. Aber als ich unser prasselndes Feuer mit dem Mikadostaebchen-Haufen der anderen Kanufahrer vergleiche, muss ich zugeben, dass das eine sehr gute Idee war.

Das Feuer erwaermt Wasser in unserem Topf, der durch ein Dreibein gehalten wird.
Zu essen gibt es… Fuenf Minuten Reis mit einer Dose Chili. Mir haengt das jetzt schon zum Hals raus und ich sehne mich nach den Kaesemacaroni. Tyrel predigt jedoch, dass wir doch erst die Dosen aufessen sollten, um Gewicht zu sparen. Stimmt ja… irgendwie…

Selbst wenn ich das Bild sehe, mag ich nicht mehr: Das Chili ergiesst sich lieblos ueber eine Monsterportion pappigen Reis in meinem Plastikcontainer.
Nach dem Essen werden die Schlafsaecke ausgerollt. „Jetzt muessen wir noch Planen spannen!“ wirft Tyrel ein. Ich kann am sternenklaren Himmel nicht eine Wolke entdecken und ueberrede ihn schliesslich zum Cowboy Camping, dem Schlafen unter freiem Himmel. „Aber nur, wenn du mir mitten in der Nacht beim Aufbau der Plane hilfst, wenn es dann doch regnet!“ „Yep.“
Zum Einschlafen sehe ich mir die Sterne an. Verwundert bin ich ueber die vielen, vielen Satelliten, die leuchtend die Erde umkreisen. Stossen die nicht aneinander? Wie viele gibt es ueberhaupt davon? Es muss vom Weltall aus ja so aussehen, als wuerde die Erde von einem Moskitoschram umrundet!
So schlafe ich ein nach einem windigen 40 km Paddeltag.