Als ich Samstag morgens langsam wach wurde, war alles ein bisschen anders. Ich lag zu einer Kugel zusammengerollt unter den dicken Decken. Mein Kopf war auch unter der Decke; wie eine Robbe unter dem Eis hatte ich mir ein Luftloch zum Atmen geschaffen. Und was ich da einatmete, war eisig.
Stimmt, fiel mir ein, niemand ist in der Nacht aufgestanden und hat Holz nachgelegt in den Ofen. Und gestern Abend waren es draussen schon -30 °C.
Die Regeln brauchten nicht ausgesprochen werden und standen doch sofort fest. Es war die gleiche Regel, die auch im Bierausschank nach einer Peiner Brauereibesichtigung gilt: Wer zuerst zum Toilettengang aufsteht, verliert.
Bald war klar, dass ich bei diesem Duell den Kürzeren ziehen werden (im Gegensatz zu Peine!). Fünf Minuten noch harderte ich mit meinem Schicksal unter der warmen Decke. Dann brüllte ich „Allahu Akbar!!!!“ Und riss mir selbst die Decke vom spärlich bekleideten Leib. Irre, wie schnell man sich anziehen kann bei -5 ° zu Hause. 🙂
Der Ofen war schnell gezündet und auch der Herd versuchte, Wasser für Tee und Wärmflasche zu erhitzen. Doch ich warf mir schnell noch ein paar Lagen über und ging raus, um zu sehen, welche Aussentemperatur mir so einen frostigen Morgen beschert.
Stolze -39 Grad! Vor ein paar Tagen waren es doch erst +3 Grad. Für morgen kündigt die Wettervorhersage schon wieder Null Grad an. Früher dachte ich mal, ich sei wetterfühlig. Da würde ich hier ja gar nicht mehr aus den Zipperlein rauskommen. Nee, ich nehme es einfach, wie es kommt. 🙂
Neuguinea-Dingo Kito Ist mittlerweile einmal zu oft weggerrannt. Meist landet sie in der mehreren Kilometer entfernten Tankstelle. Die Mitarbeiter haben Mitleid mit ihr und füttern sie dann, was der ganzen Sache nicht dienlich ist. Debs und Jons Telefonnummer trägt Kito aber am Halsband, so dass sie abgeholt wird. Bei Kitos letztem Tankstellenbesuch haben die Mitarbeiter allerdings ein Foto von ihr gemacht und einen Beitrag auf Facebook gepostet: Debs Hund ist schon wieder weggelaufen.
Das besiegelte ihr Schicksal. Vorerst ist sie Kabel-Kito und ihr Wirkungsbereich auf einen Radius von etwa 2,5 Metern beschränkt. Einerseits mag ich sie nicht besonders, weil sie eine verwöhnte Bratze ist, die mit allem davonkommt und schon reichlich Sachen zerkaute. Andererseits tut sie mit Leid, so am Kabel. Daher gehe ich manchmal mit ihr und dem immer noch freilaufenden Labrador Buddy spazieren. Ich habe ja auch was davon. Die Aussicht.
Nach meinem todesmutigen Ofenzünden Samstag morgen hab ich gleich noch was Verrücktes gemacht: Ich bin zum Canadian Tire gegangen und habe mit meinem Waffenschein ein Gewehr gekauft. Einfach so. Die Kalibergröße lautet .30-06 (sprich thirty-odd-six), was früher einmal das Standardkaliber für die US-Army war. Mittlerweile gibt es das Nato-Kaliber, was Tyrels Gewehr .308 entspricht. Das Geschoss ist bei beiden Gewehren gleich mit 7,62 mm Durchmesser. Allein die Patronenhülse ist anders geformt und durch die unterschiedliche Form können andere Pulvermengen und damit auch Geschossgeschwindigkeiten erreicht werden. Für meine .30-06 kann ich Munition mit 180 Grain kaufen, wobei Grain schon wieder eine verwirrende Maßeinheit ist. Ein Grain entspricht ca. 15 Gramm Schiesspulver.
Der geneigte Leser fragt sich vielleicht, warum wir noch ein Gewehr brauchen. Die Antwort ist einfach: Sie erfüllt die Mindestvoraussetzungen, um ein Bison zu erschießen mit 180 Grain Munition. Tyrels 308 hat leider ein bisschen zu wenig Wumms. Weil das Wetter der Vorhersage gefolgt ist und aufwärmte, gehen wir morgen (Mittwoch) nochmal auf Bison-Jagd. Tyrel hat naemlich ganze vier Tage frei von der Arbeit. Sein erster Urlaub, seit wir in Kanada sind. 🙂 Dieses Mal jagen wir aber an anderer Stelle. Letztes Mal hatten wir eine von einem Freund geliehene Waffe mitgenommen. Aber die wurde mittlerweile verkauft. So dass wir jetzt bei einem Super-Sonderangebot von $299 zugeschlagen haben.
Die Savage Axis 30-06 stainless steel ist zwar nichts zum Angeben aber grundsolide und perfekt für das, was wir vorhaben. Ich darf zwar selbst noch nichts bis auf Grouse, Stachelschwein, Erdhörnchen und Hasen jagen, aber ich kann beim Zerteilen und Tragen helfen. Die Arbeit fängt nämlich erst an, nachdem man den Schuss abgegeben hat.
In Kanada ist es unter Strafe verboten, verwertbares Fleisch zurückzulassen oder verderben zu lassen. Im besten Fall darf man nie wieder Jagen, im schlimmsten Fall winken Geldstrafe und / oder Gefängnis. Das finde ich auch gut so. Wenn man schon ein Leben nimmt, schuldet man es dem Tier, dass es respektiert wird und nicht umsonst gestorben ist, sondern andere Lebewesen nährt.
Genug Philosophie und Waffenkunde. Jedes Mal, wenn ich in der Stadt bin, erfreue ich mich über den Taubenersatz. Für Tauben ist es wohl zu kalt hier, es gibt jedenfalls keine. Der Job der Flugratten kann aber nicht unbesetzt bleiben. Dick aufgeplusterte, schwarz glänzende Raben tummeln sich auf Parkplätzen und Müllhalden und picken an allem rum, was vielleicht essbar sein könnte. Ich beobachte sie gerne dabei.
Gestern habe ich uebrigens endlich das geschafft, worauf ich seit ueber einem Monat trainiere: Ich bin die ganze Strecke die Strasse hochgeradelt! Yeah! Die Bedingungen waren aber auch super, es waren ploetzlich nur noch -10 Grad, die Strasse war frisch gerauemt und ich hatte meine Reifen aufgepumpt. Als ich schliesslich ankam, konnte ich nicht mehr. Eigentlich schon vorher aber ich war so dicht dran und wollte es endlich schaffen. Ich brauchte also einige Zeit, um wieder zu Atem zu kommen und rollte dann bergab. Yeah!
Als Tyrel ausgeruht von der Arbeit kam, fragte er mich gleich, ob wir nicht zusammen Fahrrad fahren wollen. Da meine Beine sich noch wie weichgekochte Macaroni anfuehlten, musste ich leider passen. Nachdem er 25 Minuten alleine unterwegs war, klingelte mein Handy. „Rate mal, was ich gefunden habe!“ „Kaese?“ „Nein! Ich habe etwas Groesseres in den Baeumen neben mir gesehen und dachte, es seien grosse Vogelnester. Aber als ich mit meiner Kopflampe genauer leuchtete, sah ich Katzenaugen!“ „Katzenaugen?“ „Hier sitzen drei Luchse im Baum!!“
Wenn das nicht cool ist, weiss ich nicht, was cool ist. Er hat mir sogar ein Foto zur Verfuegung gestellt. Nicht die beste Qualitaet, aber man kann die Miez gut erkennen. 🙂

Luchsi guckt grimmig in die Kamera, waehrend er oder sie sich auf einen viel zu schmalen Baum gerettet hat. Trotz der offensichtlichen schlechten Laune ist die Flauschigkeit extrem!
Beim naechsten Beitrag kann ich hoffentlich Bilder einer erfolgreichen Jagd einstellen. Es gibt uebrigens keinen Begriff fuer das Jagdglueck wie Waidmannsheil hier in Kanada. Also wuensche ich es mir einfach selbst! 😉