Monat: Dezember 2016

Zwischen den Jahren

Weihnachten ist um. Ganz ohne Lametta und Geschenke haben wir es uns dieses Jahr gemütlich gemacht.

Traditionell wird Weihnachten in Kanada am 25.12. gefeiert. Der heilige Abend ist gefüllt mit Vorfreude aber das wars dann auch. Kurz vor den Feiertagen verspürte ich aber doch den Wunsch, Heiligabend nicht einfach unter den Tisch fallen zu lassen.

„Ich möchte am Abend des 24.12. gerne was Schönes, Besonderes machen.“ Sage ich also zu Tyrel. Und er hat auch gleich die Lösung „Ja, super! Wir erschießen was!“ So hat wohl jeder eine etwas andere Vorstellung von einem schönen, heiligen Abend. Aber wir konnten uns einigen: Es gab ein Lagerfeuer bei -20 Grad, dazu Wurst am Stiel, Kartoffelsalat und (leider nicht glutenfreies) Bier.

Am Heilignachmittag hatten wir noch einen Spaziergang gemacht auf den Gipfel unseres Hausberges. Doch die Hühnchen waren schneller als wir, die Gewehre hatten wir umsonst mitgebracht. Dafür habe ich die wunderschöne Winterlandschaft geschossen, die sich zu unseren Füßen in unendlicher Weite ausrollte.

Am nächsten Tag ging es dann zu unserem Freund James, der einen Braten bereitet hatte. Fuchs Louie ließ sich leider nicht blicken, freute sich aber mit Sicherheit über die Fettreste, in die der Braten eingewickelt war.

Das Schönste an Weihnachten ist dieses Jahr aber wohl, dass die Tage wieder länger werden. Aber bis das merklich soweit ist, genieße ich das besondere Licht der Dämmerung. Egal wo ich bin, wenn ich mich umdrehe ist mit Sicherheit ein Postkartenmotiv zu sehen.

Vor zwei Tagen bin ich mit meinem Rad die 35 Minuten zum Yukon River gefahren. Mit nur -20 Grad erschien es mir relativ warm, sodass ich meine dünne Mütze aufsetzte. Schließlich bewege ich mich und will nicht so stark schwitzen, das macht nämlich richtig kalt, wenn man erstmal nass ist.

Ca. 15 Meter vom Ufer entfernt hat Tyrel vor zwei Wochen ein Loch ins Eis gehackt, um die Dicke zu prüfen. Mit gut 20 cm kann man ohne Sorge eine LKW-Kolonne drüberfahren. In das zufrierende Eis steckte er noch einen Stock zur Markierung. Und genau bis zu diesem Stock traue ich mich dann auch alleine zu gehen.

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Mein gut gebautes Rad lehnt an den Stock im Yukon River.

Als ich dann etwas auf und ab ging, knackt es auf einmal heftig unter mir und ich spüre Vibrationen durch meine Gummistiefel. Gut, dass ich eben nochmal auf dem Klo war, schießt mir durch den Kopf. Ansonsten hätte ich mit einem Taschenwärmer im Schlüpper nach Hause fahren können.

Aber irgendwie ist noch nichts Lebensbedrohliches passiert. Die Eisdecke ist heil und unversehrt. Bis jetzt hat mich auch noch kein Hai attackiert. Die sind ja schließlich überall, wenn man Filmemachern Glauben schenken kann. Also bewege ich mich in Zeitlupe zu meinem Fahrrad. Schließlich hat es zwei Rettungsringe dabei. Auf Lenker und Sattel gestützt schiebe ich mich ans rettende Ufer… Nur um später von Tyrel zu erfahren, dass das ein ganz normales Verhalten einer gesunden Eisdecke war. Es knackt halt manchmal. Mir war es trotzdem genug Adrenalin für den Tag und ich fuhr nach Hause.

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Trotz dem nicht zu kalten Wetter mit -20 Grad war mein Gesicht dann doch recht eingefroren. Die Überraschung kam, als ich im Trailer wieder aufgetaut bin: Mein linkes Ohrläppchen war rot, angeschwollen und tat weh. Oh Oh, meine erste Frostbeule? Zum Glück habe ich mir nichts erfroren, sonst hätte sich mittlerweile lila-schwarze Blasen gebildet. Was sagt uns das? Warme Mütze auch bei -20 Grad tragen. Die geht zum Glück auch über die Ohrläppchen!

Tyrel hat sich hier schon alle Finger und seine Nase erfroren. Über kurz oder lang gehört das wohl dazu. Nur hat er mir gegenüber einen evolutionären Vorteil: Seine Ohrläppchen sind angewachsen und nicht freihängend wie meine! Im Biologieunterricht wurden die unterschiedlichen Ohrläppchen-Typen genau wie das Merkmal Zungenroller oder Zungen-nicht-roller erklärt. Lustig, die Vererbung und Genetik daran zu demonstrieren aber irgendwie sinnlos. Mitnichten. Was nicht rumhängt, kann nicht abfrieren!! Zum Glück muss ich mir keine Gedanken um meine Fortpflanzungsorgane machen!

Silvester heißt hier nicht Silvester, sondern New Year’s Eve. Also Neujahrabend. Macht ja auch Sinn, wenn man da an Heiligabend denkt. Wir sind eingeladen von Tyrels Arbeitgeber, der da immer die Mitarbeiterfeier abhält. Alle Mitarbeiter mit Begleitung in ein Steakhaus und essen und trinken auf Firmenkosten. Da hier Lebensmittel und vor allem Alkohol viel teurer als in Deutschland sind, ist das eine sehr noble Geste. Attacke, ich fang schon mal an zu fasten! 😀

Bike Pride

Eins vorneweg: Alle Fahrradtypen sind wunderschön und sollten gefeiert werden.
Doch ich habe mich verliebt in den sinnlichsten Typen. Seitdem steht für mich fest: Echte Räder haben Kurven.

Der Name ist diskriminierend und sollte boykottiert werden. Ja, ich habe mir ein Fatbike gekauft. Aber es ist nur stabil gebaut und hat halt schwere Speichen. Gegen diese Rundungen kann kein ultraleichtes Rennrad ankommen.

In Deutschland habe ich hin und wieder ein Fatbike gesehen und mich gefragt, welcher Ingenieur denn bitte freiwillig ein völlig ineffizientes Fahrrad entwickelt, was genauso sinnvoll ist wie ein Monstertruck in den 90er Jahren. Nur dass man mit dem Fahrrad noch keine Stadien füllen kann um durch brennende Reifen zu fahren oder über 5 LKW zu springen.
Das war genauso so lange meine Meinung, bis ich eins probegefahren bin. Über Eis und einer Mischung aus tiefem und festgefahrenem Schnee mit einigen Bordsteinen versetzt. Und ich bin so gefahren als wäre das normaler Asphalt.
In einer Welt, auf der ein gutes halbes Jahr lang Schnee liegt, ist das verdammt nützlich! Mit meinem deutschen Trekkingrad bin ich auch im Winter gefahren. Das ging immer so lange gut, bis ein Flatschen Eisschnee auf dem Weg lag. Dann hieß es Schneckentempo und festhalten. Oft genug sprang das Vorderrad aber hin und her, sodass ich schieben musste um nicht zu fliegen.
Dem Fatbike ist alles egal. Mit den 100 mm breiten Felgen walzt es einfach alles platt und gräbt sich weder in Sand noch Schnee ein. Wer mal versucht hat, mit dem Rad die Nachbarskinder auf dem Spielplatzsand zu beeindrucken, weiß, dass das normalerweise eine mühselige Angelegenheit ist.

Jetzt fahre bzw. schiebe ich mich und das Rad jeden Tag zum Ende der Straße hoch. Das dauert je nach Verfassung 35 bis 45 Minuten. Der Rückweg ist mit drei Minuten ohne Treten deutlich angenehmer und die kleine Belohnung. Durch die anhaltenden Temperaturen letzter Woche von -30 bis -35 °C wuchs mir auch zuverlässig ein lieblicher SchwEISsschnurrbart. Besser geht es nicht! Die folgenden Bilder dokumentieren meinen Bartwuchs, chronologisch geordnet von -30 bis -35 Grad.

Meist versuche ich, gegen Sonnenaufgang meine Tour zu machen. Das manchmal goldene, manchmal rosa oder orange Licht der Sonne zu dieser Jahreszeit ist wirklich einzigartig.

Mittlerweile ist ein starker Suedwind aufgezogen und es sind sommerliche -5 Grad Celsius geworden. Das ist immerhin ein Temperaturunterschied wie von 0 Grad auf 30 oder 35 Grad innerhalb von zwei Tagen. So ein warmer Wind wird hier Chinook genannt und der kommt einfach von Zeit zu Zeit bis es wieder richtig kalt wird.

Nach einer superlangen Wartezeit ist jetzt auch endlich der ganze Papierkram eingereicht, der mir zur unbefristeten Aufenthaltserlaubnis verhelfen soll. Frueher dachte ich in Deutschland ist die Buerokratie verstaubt und umstaendlich. Als 16jaehrige versuchte ich einst, eine Mofa ohne Betriebserlaubnis mit Kaufvertrag, den mein Bruder unterschrieben hatte, auf mich zuzulassen. Das Wartezimmer des Strassenverkehrsamtes sah mich in den folgenden Wochen mehr als mein damaliger Freund. Zugegeben, mit dem stark bebrillten, untersetzten Mann des Nummernschildcenters haette ich auch wahrscheinlich eine harmonischere Beziehung fuehren koennen. Aber das ist eine andere Geschichte.

In Deutschland haette man nur mit Reisepass, Perso und Krankenversicherungsnachweis zum Auslaenderamt gehen muessen und waer legal wieder herausgekommen. In Kanada brauchen sie Beweise. Dass man existiert. Wo man wohnt. Wann man sich besucht hat und wo. Dass man keine Tuberkulose hat (inkl. Roentgenbild) und keine krimelle Vergangenheit. Schriftlich und beglaubigt. Nebst Ausfuellen unzaehliger Fragebogen. Dass, was so lange gedauert hat, war jedoch die Namensaenderung von Tyrel. Da er meinen Nachnamen annehmen wollte, mussten alle seine Dokumente geandert werden (nacheinander!), bis man dann einen neuen Reisepass beantragen konnte. Dafuer muss man drei langjaehrige kanadische Freunde finden, die eidesstattlich versichern, dass man existiert und das Blut zum gewissen Teil aus Ahornsirup besteht. Am laengsten hat aber die Aenderung des Fuehrerscheins gedauert mit 2,5 Monaten. Und warum? Weil sies koennen.

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Ein Stapel Antraege – schnell weg damit und ab die Post!

Als dann schliesslich der Reisepass in der Post war, wollte ich sofort alles wegschicken. Als ich die Aktualitaet der Formulare auf der Regierungsseite pruefte, erschien aber die Meldung, dass fuenf Tage spaeter ein neuer Prozess mit neuen Formularen eingefuehrt wird, mit dem die Aufenthaltserlaubnis in 12 statt 26 Monaten ins Haus flattern koennte. Also habe ich genau genommen Zeit gespart, indem die Namensaenderung so lange gedauert hat! In drei bis vier Monaten sollte auch meine Arbeitserlaubnis  da sein. Darauf freue ich mich wirklich, endlich wieder was zur Haushaltskasse beitragen!!

Doch so lange wird mir die Zeit auch nicht lang. Es gibt immer was zu tun und das ohne Fernseher, der einen auf Standby stellt waehrend man in die Roehre guckt. 🙂

Das Schoene ist, dass ich dem Ganzen ohne Sorgen begegnen kann. Ich weiss, dass es wird. Bis jetzt ist alles geworden. Und wenn man sich den Kopf zerbricht, gewinnt man nichts ausser Magengeschwueren. Man kann es eh nicht aendern. Jeden Tag stehe ich auf und mache das, was anliegt, so gut ich kann. Und nebenbei versuche ich mein Leben so auszurichten, dass das, was anliegt, mir auch noch Spass macht. So laesst es sich aushalten, egal ob Chinook oder nicht.

Es gibt kein‘ Quark auf Hawaii

…und auch im Yukon nicht. Schon doof, wenn man kleine Quarkstollen backen moechte. Daher wird das Internet befragt, wie man sich denn einen Quark herzaubern kann. Joghurt und Frischkaese mischen? Nein Danke. Saure Sahne oder griechischer Johurt? Auch nicht das gleiche, vor allem weil saure Sahne hier ja Sour Cream ist und fuer mich eher nach Ofenkartoffeln schmeckt. Dann bin ich auf eine andere Meinung gestossen, die sich so komisch anhoert, dass ich sie auf jeden Fall ausprobieren muss.

img_20161206_220443Man nehme am Abend ein Kaesetuch (oder besser noch einen -sack) und fuelle Joghurt hinein. Nun nur noch irgendwo aufhaengen, eine Nacht drueber schlafen und fertig sei der Quarkersatz. Wenn das mal keine Herausforderung ist! Gesagt, gehangen.

 

Froehlich tropft es vor sich hin um am naechsten Tag ist wirklich etwas Quarkaehnliches aus dem Tuch zu kratzen. Zu cremig fuer einen echten Quark aber das muss reichen.

Die Mini-Quarkstollen sind damit jedenfalls sehr gut gelungen. Jon isst keinen Zucker, daher habe ich sie mit Honig gesuesst und auf den Puderzucker verzichtet. Nach einem Tag ziehen lassen in einem Plastikbeutel haben sie genau richtig geschmeckt! Das Rezept mache ich schon jahrlang und es ist unter diesem Link zu finden. Jedes Mal lecker!

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16 kleine Stollen (ungefaehr zwei Bissen pro Stollen) kuehlen sich auf einem Backblech ab. Das haben sie sich auch verdient nach einem Bad in heisser Butter!

Vor einigen Jahren fragte mich mein Freund Beule „Was kommt nach Elch?“

Sein erwartungsvolles Grinsen verriet mir, dass dies wahrscheinlich ein Witz aus seinem Erzieher-Repertoire auf Grundschulniveau ist. Aber neugierig war ich trotzdem.

„Na was?“

„Nach Elch kommt Zwoelch!“

So weit so gut. Im Yukon kommt allerdings etwas anderes nach Elch. Und das ist ne Menge Arbeit. Erst muss das Tier ausgenommen werden, gehaeutet, das Fleisch kuehl, luftig und trocken gelagert werden, bevor das meiste dann erstmal eingefroren wird. Gestern hat Jon einen grossen Batzen Elch vom letzten Jahr aufgetaut. Und wir haben es zusammen verarbeitet.

Am Anfang war der Fleischwolf. Das Fleisch wird in kleine Stuecke geschnitten und durch den Fleischwolf gedreht. Dazu wird auch Rinder- oder Schweinefett zugemengt. Fett macht alles saftiger und ist ausserdem Geschmackstraeger.

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Auf einer Holzplatte ist ein grosser Fleischwolf vor einem Motor montiert, so dass man nicht kurbeln muss. Grosse Fleischstuecke kommen oben rein und vorne als Gehacktes raus. In einer Plastikwanne wird es zusammen mit dem Fett gesammelt.

 

Nun hat man schon fertig Gehacktes. Allerdings in einer grossen Plastikwanne, was fuer eine Lagerung nicht gerade vorteilhaft ist. Also geht es weiter zur naechsten Station, dem Vakuumiergeraet.

Man packe die gewuenschte Menge in einen Vakuumbeutel, plaziert ihn in die Maschine, Deckel zu, Knopf druecken und fertig. Raus kommt ein Beutel Elch-Gehacktes fuer den Kuehlschrank oder zum Wiedereinfrieren.

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Zwei Beutel Elch-Hack neben der rechteckigen Vakuum-Maschine.

Doch wir haben nicht alles zu Hack-Paketen verarbeitet. Waehrend ich freudig die Maschine bediene, faengt Jon an, eine Elch-Lasagne vorzubereiten. Davon gibt es leider kein Bild, die war zu schnell weggegessen. Aber wir haben noch etwas anderes hergestellt.

Endlich kann ich mit meiner deutschen Genetik auftrumpfen! Wir stellen Wuerste her. Fuer amerikanische Verhaetnisse untypisch: Sogar im Naturdarm! Die Daerme warten in einer kleinen Wasserschale darauf, ueber die Duese der Wurstpresse gestuelpt zu werden. In den grossen Zylinder der Presse fuellt man die gewuenschte Menge gewuerztes Hack und drueckt das ganze kurbelnd durch die Duese. Jon kurbelt, ich wurste. Das macht Spass.

Man muss aufpassen, dass der Darm feucht bleibt und nicht reisst. Und auch das Braet kommt nicht immer gleichmassig heraus, sodass man die Geschwindigkeit des Darmziehens staendig an die Wurstmenge anpassen muss. (Den Satz habe ich noch dreimal gelesen. Jedes Mal wurde er besser!!!)  Nachdem der ganze Darm gefuellt ist, unterteile ich die Megawurst in viele kleine Wuerstchen. Und dann moechte auch schon der naechste Darm gefuellt werden.

Was macht man als naechstes mit den kleinen Elchwuersten? Man sollte sie nicht gleich kuehlen, weil sie durch den nassen Darm doch sehr feucht sind. Also erstmal trocknen lassen. Im Idealfall an einem Ort, zu dem die Hunde nicht gleich unmittelbaren Zugriff haben.

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Familienzusammenfuehrung. Die Wurstketten haengen vom Elchgeweih an der Wand herunter.

 

Okay, ich gebs zu. Etwas makaber ist es schon. Man schiesst den Elch, schraubt das Geweih an die Wand, um es dann zum Trocknen der Elchwuerste zu benutzen, die man in Schweinedaerme gestopft hat. Aber es ist trotzdem verdammt lecker. Und ein gutes Gefuehl zu wissen, wo das Fleisch herkommt und wer es wie verarbeitet hat.

In Kanada ist es uebrigens verboten, Jagdfleisch zu verkaufen. Haeufig wird also unter Freunden hin- und hergeschenkt. Ich gebe dir Elchwuerste und nach der naechsten Jagd bekommst du von mir eingekochtes Karibou. So wird nichts schlecht und es gibt viel Abwechslung auf dem Speiseplan.

 

Der Mythos der trockenen Kaelte

Es ist dunkel. Und kalt. Und das ist auch gut so.

Als ich Anfang 2014 das erste Mal einen richtigen Winter erleben wollte in finnisch Lappland, konnte ich einen Kommentar nicht mehr hoeren. Er wurde ausschliesslich von Leuten geaeussert, die noch nie arktische Kaelte erlebt haben. Aber alle waren sich einig:

„Aber das ist ja eine trockene Kaelte, die laesst sich viel besser ertragen.“

Minus 30 Grad sind fuer mich 30 Kelvin unter der Temperatur, bei der Wasser gefriert… Wie bitte soll das denn nasskalt oder feucht sein? Klar ist hier nichts mehr fluessig, selbst die Nase hoert irgendwann auf zu laufen. Okay, das stimmt nicht. Die Nase laeuft staendig und man kann die Handschuhe oder noch besser Faeustlinge nicht dauernd zum Trockenputzen ausziehen, sonst werden die Haende super kalt. Die Devise lautet also je nach Laune Handruecken oder laufen lassen.

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Warum die Nase ueberhaupt laufen muss, das habe ich heute erst in Erfahrung gebracht. Gestern Abend habe ich bei frischen – 28 Grad Celsius das Beduerfnis verspuert, mich koerperlich zu ertuechtigen. Also raus an die frische Luft! Leider habe ich mich so sehr ertuechtigt, dass ich so lange gehechelt habe, bis die Luftroehre richtig gebrannt hat. Also schnell in den warmen Trailer zurueck. Kann man sich die Lunge erfrieren? Ohauaha. Uncool! Nach einiger Internetrecherche war ich aber beruhigt. Es ist fast unmoeglich, sich die Lunge zu erfrieren. Dafuer sorgt das ganze Geruempel, was zwischen Nase, Mund und Lunge installiert ist sehr gut. Was hat dann so weh getan?

Das Geheimnis ist, dass die Luft fuer die Lunge nicht nur warm sein muss, sondern auch sehr feucht. Sonst koennte man im Winter keine so schoene Atemwolken machen. Und diese Feuchtigkeit kommt aus den ganzen Schleimhaeuten aus Nase, Mund und Rachen – unter allen Umstaenden. Wenn nicht genug Feuchtigkeit vorhanden ist, wird den Zellen einfach Wasser entzogen. Und das brennt dann tierisch. Ich war also nicht angefroren sondern nur dehydriert. Also: Nicht nur im Sommer viel Trinken beim Sport, im Winter ist das fast noch wichtiger! Aber nur, wenn die Kaelte so richtig schoen trocken ist. 🙂

 

Amtlichen Bekanntmachungen zufolge geht die Sonne zur Zeit gegen 10 Uhr morgens auf und gegen 16 Uhr wieder unter. Dieser theoretische Ansatz stimmt aber nicht ganz, da der Horizont hier stark von Bergen bestimmt ist. Einige Taeler bekommen gar kein direktes Sonnenlicht zu dieser Jahreszeit. Bei uns dauert es ca. 45 Minuten laenger, bis die Sonne auftaucht und dementsprechend eher ist sie wieder verschwunden. Meine Frage dazu waere vor einem Jahr noch gewesen „Macht einen das nicht depressiv?“

Meine heutige Antwort: „Noe.“ In Deutschland bin ich zu dieser Jahreszeit auch im Dunklen zur Arbeit gefahren. Genauso dunkel war es auch, als ich wieder nach Hause kam. Die Blicke aus dem Fenster in der Zwischenzeit konnten daran auch nichts aendern. Jetzt habe ich zwar weniger Tageslicht zur Verfuegung aber ich kann es besser nutzen! Dick einmummeln, spazieren gehen, Sonnenlicht einfangen, Holz hacken, Pferde besuchen. Das Licht, wenn es da ist, ist ganz golden um den Wert zu unterstreichen. Die Berge sehen schon wieder ganz anders aus! Und die Kaelte laesst die Feuchtigkeit der warmen Luft an der Innenseite der Plane, die den Trailer umgibt, gefrieren. Ganz nach Schneegloeckchen, Weissroeckchen „malst Blumen und Blaetter, wie haben Dich gern!“ Endlich verstehe ich, was damit gemeint war! Eisblumen!

Gestern habe ich mich mit Jon zum Salsa einkochen getroffen. Er bekommt manchmal Kartons voller Gemuese von einem hiesigen Supermarkt geschenkt. Weil die es nicht mehr verkaufen koennen und Jon Huehner hat. Manches Gemuese ist aber ganz ehrlich zu schade um es an die Huehner zu verfuettern. Sei es, weil ein Netz Knoblauch gerissen ist oder eine Paprika vom Dreierpack angematscht, verkaufen laesst sich das nicht mehr. Also haben wir  die guten Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch, Paprika und Chilis aus Kartons gesammelt und scharfe Salsa-sosse eingekocht. Die guten ins Toepfchen, die schlechten ins Kroepfchen.

Bei der Aktion wurde mir ein Clamato-Bier angeboten. Bitte was? Muss eine mir unbekannte Marke sein. Fehlanzeige! Es ist eine kulinarische Entgleisung, die so skurril ist, dass ich sie super finde und sogar lecker! Es gibt hier Clamatosaft zu kaufen, was eine Mischung aus Clam und Tomato ist. Mmmh, Muschel-Tomatensaft! Gut schuetteln, zu gleichen Teilen mit Bier vermischen und bei Bedarf Tabasco hinzufuegen. Hoert sich wirklich ekliger an, als es ist!

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Von links nach rechts: Salsa, Clamato-Gebraeu in Tasse, Miller Bier, Muschel-Tomaten-Saft und Tabasco. Schoen, dass ich immer noch was lernen kann!

Zum Schluss ein kleines Suchbild: Finde die 5 Grad Celsius Unterschied! Ein Bild ist bei – 25 Grad Celsius und eins bei – 30 Grad aufgenommen worden. Endlich kann ich mir hier auch einen echten trockenen SchwEISsbart wachsen lassen! 🙂

 

Ok, kleiner Tipp: Die Mimik ist mir bei einem Bild gleich mit eingefroren 😀