Hausfrauenalltag à la Kanada

Endlich ist er da, lange habe ich auf ihn gewartet: Der Alltag.

Tyrel fährt zur Arbeit und der Trailer steht nicht mehr in einer Hauseinfahrt. Und ich? Realisiere, dass ich jetzt sowas wie eine Hausfrau bin. Naja, besser gesagt Trailerfrau.

Ich würde lieber arbeiten gehen, so viel steht fest. Aber solange die Arbeitserlaubnis auf sich warten lässt, hilft auch rumsitzen nichts. Der Tag möchte mit etwas Sinnvollem gefüllt werden.

Die letzte Woche über brach Tyrel um 9:30 h zur Arbeit auf. Nach der täglichen Körperhygiene (heißes Wasser plus Handtuch) fühlt man sich so frisch, dass es losgehen kann.

Ich trete also vor die Tür und stehe im Wald. Unter ein paar Fichten haben wir Baumstämme gelagert. Erst schaue ich mir die Stämme genauer an: Welcher ist schön groß aber nicht so schwer, dass ich mir mein Kreuzdarmbeingelenk zum Feind mache? Der erwählte Stamm wandert dann in die Sägeposition. Auf Englisch sagen wir saw horse, Sägepferd zu dem Gestell. Auf Deutsch habe ich keinen blassen Schimmer.

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Als nächstes greife man sich eine Handsäge, Modell Standesamt, und säge den Stamm in ofengerechte Stücke. Das dauert ziemlich lang und während des Sägens meldet sich mein Magen. Also wandere ich nach dem ersten Stamm zurück in den Trailer und esse Frühstück/ Mittag/ was auch immer. Reste von gestern, Bagels, Bananen, alles was reizt.

Frisch gestärkt wird weitergesägt. So lange, bis ich einigermaßen zufrieden bin mit dem zusammengesägten Haufen und wirklich keine Lust mehr habe. Dann kommt die Axt ans Werk.

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Axt greifen, breitbeinig hinstellen, zielen, durchziehen. Und das immer, immer wieder. Wir brauchen zwei Arten Feuerholz. Relativ dicke Stücke, die aber noch schön in den Ofen passen und winzig kleine Splitter zum Anfeuern. Das bedeutet viel, viel Hacken.

Nach ungefähr der Hälfte verliere ich die Motivation. Ich gehe in den Trailer und heize den Ofen an. Aus dem Wasserkanister fülle ich unsere Emaillie-Kanne und stelle sie zum warm werden auf den noch kalten Ofen. Dann habe ich wieder genug Motivation zum Weitermachen.

Ist alles Holz in einer der gewünschten Größen verhackt, stapele ich es zwischen zwei Bäume oder, falls Platz, in den Trailer.

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Inzwischen habe ich warmes Wasser und einen warmen Trailer. Zeit für den Abwasch von gestern. Eine kleine Plastikwanne zum Einweichen, Schrubben und darüber abspülen und eine andere zum Abtropfen lassen. Jetzt ist auch wieder Platz in der Küche und ich bekomme Lust zu kochen.

Einen Tag zuvor kam mein Mann von einem Spaziergang mit Schrotflinte nach Hause, kommt zur Tür hinein und hält mir etwas hin mit dem Wort „Ugh!“. Es waren zwei Grouse. Nein, wir heißen nicht Geröllheimer mit Nachnamen.

Nachdem ich das letzte Mal Grouse a la Anke zubereitet habe, wollte ich dieses Mal Sabines Rat folgen. Ich fertigte also jedem Grouse einen maßgeschneiderten Speckmantel und stellte sie in einer Pfanne auf den Ofen. Als mir das nicht reichte, karamellisierte ich Zwiebeln, würzte sie mit reichlich Knoblauchpulver und übergoss die Grouse damit.
Zeit, an eine Beilage zu denken. Was haben wir reichlich? Zwiebeln und Kartoffeln. Daneben noch Frischkäse, Milch und einer große Dose gestückelte Tomaten? Super, es gibt Gratin!

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Wenn alles so vor sich hinschmort, mache ich entweder noch einen Abwasch oder ich lese, schreibe, faulenze oder stricke. Oder ich gehe spazieren. Oder mache einfach, wonach mir ist. 🙂

Dann kommt auch schon bald Tyrel nach Hause. Manchmal gehen wir spazieren, fahren in die Stadt oder besuchen Deb und Jon. Oder jeder arbeitet an seinen eigenen kleinen Projekten. Oder ich mache noch einen Nachtisch?

In den letzten Tagen sind so reichlich Gerichte entstanden, unter anderem selbst fermentierter Kimchi, Cinnamon Buns (Zimtschnecken), Erdbeer Crumble, sowie aufgepeppte Versionen von gegrilltem Käsesandwich, Kartoffelpfanne, Chili oder auch mal Grouse im Speckmantel.

Beschweren kann und will ich mich nicht. Ich habe keinen Strom und kein fließend Wasser aber eine Menge Spaß. Und heute werde ich sogar duschen gehen! Bislang sah ich eine Dusche immer als notwendige Pflicht an aber hier ist es eine heiße Wohltat. Andere Zeiten, andere Sichtweisen.

Nur eins wird sich niemals ändern: Ins Internet gehören dämliche Katzenbilder!!!

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21 Kommentare

  1. Toll! Ich seh schon, in 5 Jahren trifft sich die Hautevolee´ von Whitehorse und diverse Filmstars, die mal in Ruhe Urlaub machen wollen in „Lulus Restaurant“, kreative Küche und deutsche Spezialitäten….Aber klingt alles gut. Und Du lernst die kleinen Freuden des Lebens wieder schätzen, duschen z. B.!
    Gefressen wird bei Euch echt luxuriös und viel, müßt Ihr aber auch, wenn Du die tägliche Heizung per Körperkraft betreibst. Ich hoffe ja auf ein Kochbuch…..fang an zu schreiben, Lena vermittelt Dir ein neues Food-Magazin, die Deine Rezepte bestimmt gern drucken! ( Ne ist Spaß, aber sie hat die Mailverbindungen, wenn Du magst, schreib sie mal an!) Liebe Grüße, Muddi

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    1. Ich weiss nicht, ob ich eine gute Restauranteuse waer… ich waer wohl selbst mein bester Kunde und der Umsatz ist dahin. 😉
      Ich brauche nur noch einen Titel fuer das Kochbuch. Wie waere es mit „Hungrig im Wald“ oder „Das kulinarische Nachbrennen des Holzhackens“?
      So lange koche ich dann doch erstmal weiter. 😉
      Viele Gruesse,
      Lupinchen

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  2. Bist ja richtig fleißig 🙂 finde es toll, dass du vieles ausprobierst und ständig gut beschäftig bist – gibt ja Leute, die nur faul rumsitzen würden 😦 mach weiter so und halte uns auf dem Laufenden 😉

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    1. Vielen Dank für das Kompliment! 😊 Aber ich glaube beim Rumsitzen würde mir hier die Trailerdecke auf den Kopf fallen… Und dann wäre es problematisch zu heizen 😉
      Dein Tag scheint allerdings auch mehr als 24 Stunden zu haben wenn ich mir deinen Blog so ansehe. Finde ich toll! 👪💑💪
      Freut mich, dass du an weiteren Berichten interessiert bist. Ich werde liefern! 😎☺
      Viele Grüße!

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      1. Ist eine schöne Abwechslung und ich liebe es von der Ferne zu hören, würden so gern selbst irgendwohin auswandern, aber jetzt mit Kindern, einer sicheren Arbeitsstelle, ist es immer schwierig….

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      2. Klar darfst du! 🙂
        Anfang letzten Jahres habe ich hier Urlaub gemacht und dabei meinen heutigen Mann kennengelernt. Sieben Monate hat er bei mir in Deutschland gewohnt, weil es mir schwer fiel, für eine Urlaubsliebe einfach so meinen sicheren Job aufzugeben. Aber dann war bald klar, dass es nicht nur eine Urlaubsliebe ist sondern mehr. Und wir finden beide die Landschaft und Lebensart hier so toll, dass wir letztendlich zusammen im Yukon gelandet sind. 🌲👫🌲

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      3. Oh wie schön – des is a schöne Geschichte. Mein Mann ist Koch gewesen und ich wusste, dass er nach einem Jahr weggehen möchte, bin dann auch mit ihm gegangen, aber nicht so weit weg 🙂 Praktisch auf die andere Seite von Österreich.
        Aber leider hat er so starke Bandscheibenprobleme bekommen, dass er seinen Beruf aufgeben musste und jetzt schichtelt. Gern schauen wir uns Goodbye Deutschland an, falls du es kennst und haben viel Fernweh. Haben schon oft was für Kanada gesehen, finden es so toll, wenn die Leute sich dort was aufbauen und es wirklich klappt 🙂

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      4. Oh, gute Besserung an deinen Mann! Ich hoffe im neuen Beruf hat er weniger Beschwerden.

        Wir sind ja gerade mal drei Monate hier und ich kann noch nicht arbeiten gehen. Daher wollen wir die Dinge lieber klein halten, damit wir keinen Schuldenberg auftürmen. Aber ich bin schon gespannt was die Zukunft so bringt. Auf jeden Fall erstmal den Winter, das wird ein Abenteuer! 😃❄☃🌲
        Ich werde berichten 😺

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      5. Keine 12 Std. mehr durcharbeiten und vor allen kein gebücktes Stehen – jetzt gehts ihm besser, aber irgendwann wirds sicher mal zum operieren, ist scho zuviel kaputt 😦 Aber bis dahin wird fleißig gearbeitet, die Familie vergrößert und hoffentlich ein Häuschen gebaut 🙂
        Da bin ich ja gespannt wie es euch gehen wird – aufregend so ein neues Leben 🙂
        Viel Glück im Winter, hab schon im Fernsehen gesehen, dass es da sehr, sehr kalt werden kann…
        Wir waren zwei Jahre in Voralberg, direkt in den Bergen, da hatten wir drei Winter mitgemacht, zwei waren ok, aber einer war mit 2 Meter Schnee und es war schon sehr zeitig (September) kalt und hat oft ewig angehalten.

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  3. Schön das du jetzt mehr huhn ist scheinst dich ja dran zu gewöhnen^^
    Im Deutschen ist es übrigens nicht das Pferd was beim Sägen hilft sondern der Bock.

    Ich hab doch glatt den letzten Post übersehen -40°c puhhh puhhh ich will gar nicht dran denken. Ich glaub ich muss mich gleich ins bett kuscheln bei der Vorstellung xD

    Achja Rippenbruch kann ich ausschließen dafür jammer ich zu wenig, aber da ich mich kaum bewegen konnte denke ich das es nen eingeklemmter Nerv war. (Mensch ist der Körper doch scheiße bzw scheiße anfällig)

    Leg noch nen paar Scheite ins Feuer und lass es dir gut gehen.
    Gruß an Tyrel und Weisheit des Tages:

    When offered a beer, accept even if it’s not „your brand“. Your favorite brand of beer is „free“. Your second favorite is „cold“.

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    1. Schön, dass der Nerv wieder ausgeklemmt ist! Aber die nächste Krankheit kommt bestimmt… 😉

      Habe eben den Ofen gezündet und warte jetzt im Bett darauf, dass die Bude warm wird. Dauert zum Glück nicht so lange.

      Danke für die Weisheit. Endlich wurde ein Stück deutsche Kultur in für Ausländer verständliche Worte übersetzt! 🙂

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    1. Nee nee ich glaub das war wer anders damals der seinen Sprung verheimlichen wollte… Hab es mir extra aufgeschrieben. Kreuzdarmbeingelenk. 😀

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  4. Ich mag Alltagsgeschichten und freie Gedanken zu profanen Sachen. Bitte mehr davon 🙂
    Der Alltag wird von 90% der Menschen viel zu wenig gewürdigt (höchstens durch Klagen über den Alltag).
    Es ist halt normal, aber was für den einen normal ist ist für den anderen ein Abenteuer, weil es unnormal wirkt.

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    1. Kannst du gerne haben, ich kann schließlich nicht jeden Tag Bergsteigen gehen. 🙂 Und wenn die Bude warm wird, freue ich mich und weiß, dass ich noch mehr hacken sollte. Ist irgendwie realistischer als ne Wohnnebenkostenabrechnung. ^^

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