Monat: August 2016

Ach du lieber Augustin…

Habe eben ein Hühnchen erschossen.

Als ich die Hühner gefüttert habe, hab ich gesehen, dass eins stark am bluten war. Es wurde von seinen Kameraden komplett am Hintern aufgepickt und ich habe gestaunt, dass es überhaupt noch stehen konnte. Leider hat es keine Chance mehr gehabt sich zu erholen, die Verletzung war zu groß. Und ich wollte ihm ersparen, langsam von den Kollegen verspeist zu werden oder an der Infektion zu sterben. Also habe ich eine .22 Büchse geholt und ihm den Gnadenschuss verpasst.

Dieses Vorgehen hätte ich an Stelle des Hühnchens jedenfalls sehr begrüßt. Wenn ich mir vorstelle, dass meine Arbeitskollegen, mit denen ich sonst in die Kantine gehe… Lassen wir das besser.

Ich wusste ja, dass Hühner selbst ohne Kopf noch ne Menge Drama machen. Aber ein schöner Anblick ist das echt nicht. Hab also noch zweimal draufgehalten. Aber geflattert hat es trotzdem noch, obwohl ich getroffen habe.

Armes Hühnchen. Aber lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Und so bekommt es eine ordentliche Feuerbestattung anstelle der Kannibalenbeisetzung.

Bilder erspare ich heute allen.

Auf den Bergspitzen liegt der erste Schnee. Das ist ein erfreulicherer Anblick. Winter is coming…

Jedicht

Wenn ich so durch den Yukon geh
ist eins mir nicht geheuer:
Der Bär tut einfach, was er will
und zahlt gar keine Steuer!
Die Berge lungern nur so rum,
ich kann es nicht verstehn.
Wo ist der Wille und der Wunsch
zum Arbeitsamt zu gehn?
Ich muss es nehmen wie es ist:
Hier nehmen’s alle leicht.
Und ich entdecke überrascht,
dass das fürs Leben reicht.
Drum tu ich, was mein Herz mir rät,
denn darauf kann ich baun.
Einst walzte ich Salzgitter Stahl,
Heut streich ich einen Zaun.

Aussichten

Habe nach anderen Farben als Herbstgelb Ausschau gehalten. Rot ist das neue Herbst!

Gestern waren wir 8,5 Stunden wandern. Davon haben wir ganze 45 Minuten Pause gemacht. Aber wir sind voran gekommen und haben niemanden gesehen und keine Autos gehört. Nur ein paar Ptarmigan sind aufgeregt geduckt weggeschlichen… Dabei sind sie nicht halb so unauffällig, wie sie denken. Aber irgendwas scheinen sie richtig zu machen, sonst wären sie schon längst ausgestorben.

Leider war auch der Biber-Butzemann nicht zu Hause. Anscheinend ist der Damm gebrochen und der Eingang, der sonst unter Wasser liegt, war zu sehen.

In einer Pause haben wir wilde Beeren gegessen. Cranberries, Moosbeeren und Blaubeeren wuchsen direkt nebeneinander und haben nur darauf gewartet, gepflückt zu werden. Mjam.

Auf den Bildern sieht alles so flach aus… Ist es aber nicht. 😀 Ich hoffe, bald super trainiert zu sein. Bis jetzt sieht der labberige Bürokörper es noch nicht ganz ein, aber ich werde ihn so lange daran erinnern, bis ich vor Ausdauer nicht weiß wohin zuerst zu laufen. 🙂

Jagdgedanken

Ahornsirup auf mein Haupt!
In meinem vorigen Beitrag habe ich doch glatt behauptet, dass hier alles voller Pappeln ist. Lurchi hat zurecht darauf hingewiesen, dass in den Rocky Mountains doch Aspen Trees wachsen, die im Herbst (Mitte August) gelb werden. Korrekt. Es handelt sich um Aspen Trees, zu deutsch Espe oder auch Aspe. Schockschwere Not! Für mich waren das astreine Pappeln mit pappeligen Blättern und einem noch pappeligerem Stamm.
Weitere Investigationen ergaben zum Glück, dass die Espe auch Amerikanische Zitterpappel genannt wird. So war mein Selbstbild fast wieder hergestellt und ich kann meinem liebsten hamburger Dendrologenpärchen doch noch unter die Augen treten. 🙂

Anke zu Ehren ein paar frühherbstliche Ansichten (gelb = Herbst) inklusive Regenbogen. 🍃🍁🌈

Viele Wanderungen treiben mir regelmäßig den Schweiß aus jeder Pore. Doch am Ende wie auch mittendrin entschädigt die Aussicht für alle Mühen. Und ganz irgendwann wird bestimmt auch meine Kondition nachkommen… Wenn sie mich endlich eingeholt hat. So lange sichte ich halt Bärenspuren.

Inzwischen habe ich meinen Jagdkurs bestanden und einen Jagdschein für small game, also Kleinwild, erhalten. Großwild darf ich erst jagen, wenn ich für mindestens ein Jahr hier wohne. Kleinwild schließt Kaninchen, Erdhörnchen, Stachelschwein ein und große Vögel, die das ganze Jahr über hier leben. Das sind die verschiedenen Arten von Grouse und Ptarmigan (Das P ist stumm). Google klärt mich auf, dass Ptarmigan dem Alpenschneehuhn und Grouse der Familie der Raufußhühner entspricht. Ich finde, es sind einfach Moorhühner.

IMG_20160820_193133

Sprüche Grouse getarnt. Zugegeben, sie geben sich nicht besonders viel Mühe.

Bestimmt denken sich jetzt einige „Jagen ist voll doof, warum soll man die armen Tiere töten?“ Meine Frage dazu: „Isst du Fleisch?“
Falls nein: Ok, ich verstehe deinen Standpunkt und wir haben verschiedene Meinungen.
Falls ja: Wenn man Fleisch ist, nimmt man in Kauf, dass Tiere dafür getötet werden. Wenn ich in den Discounter gehe und mir 500 Gramm Putenbrust kauft, handle ich Meinung nach ethisch nicht korrekter als ein Jäger. Die Pute wurde unter fragwürdigen Bedingungen in kürzester Zeit hochgezogen, um dann auf jeden Fall getötet zu werden. Ich weiß nicht, welches Futter und welche Medikamente die Pute bekommen hat und wieviel Bewegung. Und wahrscheinlich will ich es auch gar nicht wissen.
Wenn ich in den Wald gehe und mir ein Grouse schieße, dann habe ich es getötet. Und ich finde, das bringt die Realität des Fleischkonsums, die so anonymisiert wurde, näher. Wer Fleisch ist, der tötet dafür Tiere. Direkt oder indirekt. Um das Grouse tut es mir trotzdem leid, es hat Pech gehabt. Aber es hat ein schönes Leben in Freiheit gehabt und durch sein Opfer habe ich etwas zu essen. Also bin ich dankbar und werde nichts Essbares von ihm verschwenden.
Die Pute aus dem Discounter hingegen tut mir nicht leid. Ich habe das Fleisch schließlich gekauft (und es war schon tot!), also kann ich damit machen, was ich will. Und wenn ich doch nur 300 Gramm brauche, wandert der Rest halt in den Müll.

Wahrscheinlich habe ich zu viel Zeit um mir Gedanken zu machen und ethische Diskussionen mit mir selbst zu führen. Aber es fühlt sich gut an. Und wenn ich etwas für mich als wahr entdeckt habe, möchte ich mich auch danach richten. Trotzdem kaufe ich noch Fleisch im Supermarkt. Aber ich muss sagen, mein Umgang damit und meine Einstellung dazu haben sich geändert.

Da ich noch auf meinem Waffenschein warte, kann ich bis jetzt nur eine Waffe tragen oder handhaben, wenn Tyrel in unmittelbarer Nähe ist. Ich habe einige Schießübungen mit einer .22 Rifle gemacht und eine Dose Jalapeños erlegt. So macht Jagen auch endlich für Vegetarier Sinn! 🙂
Die Zahl .22 gibt das Kaliber an, also den Durchmesser des Schießrohrs. .22 bedeutet 0,22 inch, was 5,6 Millimeter entspricht. Das heißt die Kugel als auch der Lauf (Schießrohr) haben einen Durchmesser von 0,22 inch. Nicht sehr groß aber für Kleinwild genau richtig. Ich mag diese Waffe von James. Vielleicht leier ich sie ihm aus den Rippen, wenn ich meinen Jagdschein habe. So lange begnüge ich mich damit, meinem Mann beim Quad fahren ab und an die Büchse zu halten. Nicht zum Jagen, aber man sagt so ein .308 Kaliber sei effektiver als das Otto-Normal-Bärenspray im Falle eines Falles. Juhu, ein Redneck-Bild! 🙂

Übrigens wird der Spinat hier noch höchstpersönlich von Popeye beworben. So gehört sich das!

IMG_20160815_204422

Zeitvertreib

Mittlerweile sind die Hausbesitzer zurückgekommen und wieder abgereist zum nächsten Trip. Dieses Mal mit allen Hunden. Daumenkater und Hühner sind trotzdem noch zu hüten. Als sie da waren, habe ich Hund Kito genauer Augenschein genommen. Irres Vieh, ein Neuguinea-Dingo und normalerweise in Zoos anzutreffen. Ich habe sie noch nicht bellen gehört. Aber dafür heult sie gerne, wenn man sie etwas ermutigt.

Wenn Tyrel arbeitet und ich genug gelesen habe und spazieren gegangen bin, streiche ich Zäune und Tore. Irgendwie meditativ. Und man sieht am Ende ein Arbeitsergebnis. Das ist besonders gut. ☺

Noch ein großer Unterschied zu Deutschland im Straßenverkehr: es gibt keine Baustellenampeln. Freundliche junge Damen halten ein Stoppschild, bis ein Pilotauto erscheint und die wartende Autokolonne durch die Baustelle führt. Über Funk sind alle miteinander verbunden.

IMG_20160809_120801
Vorteil: Baustelle ist flexibler und kann wahrscheinlich schneller fertiggestellt werden. Man muss sich nicht fünf Minuten lang wundern, ob die Ampel vielleicht kaputt ist oder einen nicht bemerkt hat.
Nachteil: Erhöhte Lohnkosten und Pensionsrückstellungen. Auf der Rückseite des Stoppschildes steht Slow. Eine Enttäuschung.

Kanadier haben anscheinend eine andere Vorstellung von Robin Hood als Europäer. Ich dachte immer er stiehlt von den Reichen, gibt den Armen und fuchst den Dorfbewohnern. Hier plündert Robin die Felder, mahlt Korn zu Mehl und verkauft es zu überteuerten Preisen in kanadischen Supermärkten. Zusammen mit Trockenhefe der Marke „Fleischmann“ kann man trotzdem reichlich deutsche Hefezöpfe zaubern. 😋

Auf dem Rückweg vom Jagdtrip haben Deb und Jon ein paar Indianer (politisch korrekt heißen sie hier First Nations) beim Zeremonie abhalten getroffen. Einer davon sagte ihnen, dass der kommende Winter kalt wird. Wenn das mal nicht Winnetou Kachelmann war. Für mich wird er so oder so kalt, nur die letzten zwei Jahre war es wohl eher durchschnittlich -10 °C kalt statt -25 °C. Was doof ist, weil dann die Flüsse und Seen nicht mehr zuverlässig zufrieren und als Transportwege genutzt werden können. Wir warten einfach mal ab, der Herbst liegt schon in der Luft. 🍁🍃

IMG_20160812_164232

Notiz: 12 gauge Shotgun schießen geht ganz schön in die Schulter! (Mossberg 590a1)

Kurzer Vergleich

Einige Dinge sind einfach anders hier. Das muss exemplarisch untersucht werden!

1. Ampeln

IMG_20160806_181713

Sie sind einfach auf der anderen Straßenseite angebracht.

  • Vorteil: Kein irres Halsverrenken mehr, wenn man vorne an der Ampel steht.
  • Nachteil: Wenn die Kreuzung nicht im rechten Winkel ist, kann es zu Verwirrung führen.

2. Picknick

IMG_20160807_183223

Der kanadische Snack auf jeder ausgedehnten Wanderung.

  • Vorteil: Ballaststoffreich.
  • Nachteil: Splitter in der Buxe.

3. Katze mit Daumen

IMG_20160807_143143

Ich bin immer noch begeistert und kann hiermit bestätigen: Wirklich JEDE Katze, die ich in Kanada gestreichelt habe, hatte Daumen.

  • Vorteil: Daumen hoch! 😺👍
  • Nachteil: Katze verlangt nach einem Fahrrad MIT Klingel.

4. Klos

IMG_20160806_174049

Das kanadische Ideal Standard: Riesenschüssel, randvoll mit Wasser. Und wahrscheinlich der einzige Ort auf der Welt, an dem Karpadors Platscher sehr effektiv ist.

  • Vorteil: Signifikant weniger Geruch und Spuren in der Keramik.
  • Nachteil: Erbarmungsloses Gegenfeuer bei Durchfall.

Ich bleibe weiterhin bei meinen investigativen Beobachtungen. Wenn ich so weiter mache, bin ich bald der Günter Wallraff des Yukons. 😜

Nackenstarre-Lichter

Zwei Feststellungen in der Nacht vom 02. auf den 03. August:

  1. Man braucht weder High-End-Kamera, noch Stativ, um passable Nordlicht-Bilder zu erhalten. Ich habe diese Bilder mit einer Sony DSC HX400V geschossen (ISO 1600, 1 sec Belichtung) und nicht bearbeitet.
  2.  Wenn ich gewusst haette, dass man sich fuer so ein Erlebnis nicht den Arsch abfrieren muss, waere ich wahrscheinlich schon eher hier gewesen 🙂

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Farmsitting

Mittlerweile sind wir auf Deb’s Grundstück gezogen und passen auf das Haus auf. Das schließt auch mit ein: zwei Hunde, ein Kater, zwei Truthähne und wer weiß wie viele Hühner (tägliche Eierausbeute: 13 Stück!). Der Kater ist besonders cool: Er hat so ne Art Daumen, auf jeden Fall zu viele Zehen. Es sieht aus, als hätte er kleine Hände 🙂 Die restlichen vier Hunde und alle sechs Pferde, die hier waren, gehen mit in die Berge auf Jagd. Im August beginnt hier die Jagdsaison für Schafe, Caribous und Schwarzbären. Gibt’s das eigentlich auch in Deutschland, dass man mit Pferden auf Jagd geht, weil die geländegängiger sind als Quads? Ich hab keinen blassen Schimmer.

Zur Zeit stehen wir noch mit unserem Camper in der Nähe des Hauses. Wir roden allerdings ein Stück Wald inklusive Zufahrt, um etwas weiter ab vom Schuss unseren Überwinterungsplatz aufzuschlagen. Ein Holzofen haben wir jedoch schon in den Camper eingebaut und auch schon zwei Cord Holz beisammen. Ein Cord entspricht einer Menge von acht Fuß langen Holzstämmen, die übereinander gestapelt vier Fuß hoch und vier Fuß breit sind. Laut Googel sind das ca. 3,6 Raummeter Holz pro Cord. Also haben wir schon staatliche 7,2 Raummeter aus dem Wald geholt – nur mit Äxten und ner ganzen Menge Schweiß! Dafür braucht man am Ende des Tages kein schlechtes Gewissen haben, wenn man vor dem Elchbraten sitzt und sich danach noch Ben und Jerry’s Eiscreme reinzieht 🙂

Gerne erkunden wir auch die neue Umgebung. Mehr oder weniger verschlungene Pfade führen mal bergauf, mal bergab und manchmal enden sie mit einem grandiosen Ausblick! Heute habe ich zum ersten Mal Schwarzbären gesehen, die sich nicht am Straßenrand getummelt haben. Leider kann man sie auf dem Bild fast gar nicht erkennen, zwei schwarzbraune Flecken auf dem nächsten Berghang.

Wir überlegen, die nächsten Tage mal zelten zu gehen. Tyrels Job beginnt erst am 5. August und der Alltag stellt sich bestimmt früh genug ein. Also ist das Motto: Genieß den Sommer, solange du kannst! 🙂 Gestern Morgen habe ich genölt, dass es schon so hell ist. Daraufhin kam die Aussage: „Wir sind hier im Yukon. Da freut man sich über das Licht im Sommer und die Dunkelheit im Winter.“ Auch wieder wahr, dunkel wird es früh genug. Und bis dahin nehme ich einfach jede Schattierung, wie sie kommt.